Vorne vor dem Norma ist das Rondell, das berühmte Rondell. Da kommen wir alle zusammen. Manche schauen uns so herablassend an. Die Leute gehen vorbei und schauen so von oben. Schauen uns an wie Dreck. Ich sag immer: Zieh meine Schuhe an, die ich damals getragen hab, geh den Weg, den ich gegangen bin, tritt dahin, wo ich hingeschissen habe, friss die Scheiße, wo ich reingetreten bin, komm den Weg wieder zurück, zieh die Schuhe aus, dann kannst du mir das Wasser reichen. Komm zum Rondell und hör dir meine Geschichte an, danach kannst du reden. Wir haben viele Geschichten. Traurige Geschichten. Und am Rondell kommen die alle zusammen. *** Im Rahmen meines Veedelsschreiber-Stipendiums in Köln-Kalk führte ich am Breuerpark ein Gespräch mit einer Gruppe von ehemaligen Obdachlosen. Ihnen verdanke ich die Idee zum vorliegenden Buch. Es beruht auf Interviews mit gesellschaftlich marginalisierten Menschen, die Obdachlosigkeit oder Drogensucht erfahren haben. Die Interviews wurden von Emina Faljić und Thomas Dahl in Köln-Kalk geführt, unterstützt durch Sprachmittler:innen und Vertrauenspersonen. Anschließend habe ich die Texte literarisch überformt; sie geben die geführten Interviews also nicht wortgetreu wieder. Die meisten Namen wurden zur Wahrung der Anonymität verändert. Der Vorstellung der Ideengeber:innen folgend, wurden die Texte in einer Komposition angeordnet, die der Rondellform nachempfunden ist: Die Texte »umkreisen« einerseits den gemeinsamen Treffpunkt in Köln, andererseits schließen die einzelnen Berichte motivisch aneinander an, bis sich der Kreis zuletzt schließt. In bisweilen poetisch deformierter Sprache spricht aus den Erzählungen dieser Menschen großes Leid – aber auch Mut, Güte, Offenheit, Menschlichkeit, Lebensfreude. Und nicht zuletzt: Phantasie. (aus dem Vorwort von Alexander Estis)