Erstmals werden die Ereignisse vom 13. und 14. Februar im Gesamtzusammenhang dargestellt. Das Buch schildert die Anfänge des Bombenkriegs seit 1900, den Bombenkrieg über Deutschland und wie Dresden vom "unattraktiven Ziel"(1939) zum besonders "attraktiven Ziel"(1945) wurde. Zusätzlich zeigt das Buch, wie das Schicksal Dresdens schon seit Februar 1945 und bis heute zum Objekt für Propaganda, Mythen und Legenden wurde bis hin zum ideologischen Missbrauch durch Rechtsextremisten in unseren Tagen. Auch Briefe und Tagebuchaufzeichnungen aus den Wochen nach den Februar-Angriffen werden ausführlich dokumentiert. Zudem sind über 250 teils farbige Abbildungen enthalten, viele erstmals veröffentlicht.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.02.2005Bombenkriegslogik
DRESDENS Zerstörung durch britische und amerikanische Bomber am 13. und 14. Januar 1945 ist in vielfacher Hinsicht ein einmaliges Ereignis. Der Angriff traf eine besonders schöne Stadt; keine andere Stadt wurde in so kurzer Frist mit konventionellen Waffen so umfangreich verwüstet. Bisher gab es kaum Publikationen, die das Dresdner Geschehen in einen weiten historischen Kontext eingeordnet hätten. Ähnlich wie Frederick Taylor versuchen dies nun auch die Autoren des Sammelbandes "Das rote Leuchten". In mehreren Aufsätzen wird dargelegt, wie sich Bombenkriegstechniken und -strategien zwischen 1900 und 1945 entwickelten, wie sich die Gegner im Zweiten Weltkrieg in eine vernichtende Bombenkriegslogik begaben oder warum Dresden in den alliierten Luftkriegsplanungen 1939 noch als "unattraktives", 1945 dann aber als "besonders lohnendes Ziel" eingestuft wurde. Besonders erwähnenswert sind die letzten beiden Kapitel des Buches, in denen sich der Dresdner Publizist Matthias Neutzner mit einem wichtigem Aspekt beschäftigt, der bisher nur in Ansätzen erforscht ist: mit der Wirkungsgeschichte der Zerstörung Dresdens und der damit engverknüpften Frage, warum Dresden schon kurz nach den verheerenden Ereignissen zur Chiffre für die alliierten Bombardements wurde. Denn schon im Frühjahr 1945 waren die Folgen des Angriffs auf Dresden in den Ländern der Kriegesgegner und dem neutralen Ausland bekannt. Im britischen Unterhaus wurde mit Verweis auf das Schicksal Dresdens über alliierte Militärstrategien diskutiert. Neutzner zeigt auf, daß diese erstaunliche Entwicklung wesentlich mit der Propagandakampagne zusammenhing, die Goebbels unmittelbar nach den Angriffen begann. Auch nach 1945 wurde die Chiffre Dresden für Propagandazwecke mißbraucht. In der Darstellung der KPD und dann der SED war die Zerstörung der Stadt Schuld "der deutschen Faschisten". Der Wiederaufbau Dresdens unter der Führung der neuen Machthaber wurde zum antifaschistischen Werk verklärt. Als dann der Kalte Krieg begann, durften die Zerstörer wieder benannt werden - und zwar mit dem von der nationalsozialistischen Propaganda eingeführten Adjektiv "anglo-amerikanisch". Später wurde häufig nur noch Amerika benannt. Die Zerstörung Dresdens, so hieß es in der offiziellen Lesart nun, habe dem Ziel gedient, den demokratischen Neuaufbau in der Sowjetischen Besatzungszone zu erschweren. (Oliver Reinhard/Matthias Neutzner/Wolfgang Hesse: Das rote Leuchten. Dresden und der Bombenkrieg. Edition Sächsische Zeitung, Dresden 2005. 368 Seiten, 22,90 [Euro].)
reb.
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DRESDENS Zerstörung durch britische und amerikanische Bomber am 13. und 14. Januar 1945 ist in vielfacher Hinsicht ein einmaliges Ereignis. Der Angriff traf eine besonders schöne Stadt; keine andere Stadt wurde in so kurzer Frist mit konventionellen Waffen so umfangreich verwüstet. Bisher gab es kaum Publikationen, die das Dresdner Geschehen in einen weiten historischen Kontext eingeordnet hätten. Ähnlich wie Frederick Taylor versuchen dies nun auch die Autoren des Sammelbandes "Das rote Leuchten". In mehreren Aufsätzen wird dargelegt, wie sich Bombenkriegstechniken und -strategien zwischen 1900 und 1945 entwickelten, wie sich die Gegner im Zweiten Weltkrieg in eine vernichtende Bombenkriegslogik begaben oder warum Dresden in den alliierten Luftkriegsplanungen 1939 noch als "unattraktives", 1945 dann aber als "besonders lohnendes Ziel" eingestuft wurde. Besonders erwähnenswert sind die letzten beiden Kapitel des Buches, in denen sich der Dresdner Publizist Matthias Neutzner mit einem wichtigem Aspekt beschäftigt, der bisher nur in Ansätzen erforscht ist: mit der Wirkungsgeschichte der Zerstörung Dresdens und der damit engverknüpften Frage, warum Dresden schon kurz nach den verheerenden Ereignissen zur Chiffre für die alliierten Bombardements wurde. Denn schon im Frühjahr 1945 waren die Folgen des Angriffs auf Dresden in den Ländern der Kriegesgegner und dem neutralen Ausland bekannt. Im britischen Unterhaus wurde mit Verweis auf das Schicksal Dresdens über alliierte Militärstrategien diskutiert. Neutzner zeigt auf, daß diese erstaunliche Entwicklung wesentlich mit der Propagandakampagne zusammenhing, die Goebbels unmittelbar nach den Angriffen begann. Auch nach 1945 wurde die Chiffre Dresden für Propagandazwecke mißbraucht. In der Darstellung der KPD und dann der SED war die Zerstörung der Stadt Schuld "der deutschen Faschisten". Der Wiederaufbau Dresdens unter der Führung der neuen Machthaber wurde zum antifaschistischen Werk verklärt. Als dann der Kalte Krieg begann, durften die Zerstörer wieder benannt werden - und zwar mit dem von der nationalsozialistischen Propaganda eingeführten Adjektiv "anglo-amerikanisch". Später wurde häufig nur noch Amerika benannt. Die Zerstörung Dresdens, so hieß es in der offiziellen Lesart nun, habe dem Ziel gedient, den demokratischen Neuaufbau in der Sowjetischen Besatzungszone zu erschweren. (Oliver Reinhard/Matthias Neutzner/Wolfgang Hesse: Das rote Leuchten. Dresden und der Bombenkrieg. Edition Sächsische Zeitung, Dresden 2005. 368 Seiten, 22,90 [Euro].)
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