Nach dem großen Erfolg der Profanen Stunden des Glücks - ein neuer Roman von Renate Feyl über eine bedeutende Schriftstellerin des 18. Jahrhunderts. In ihrem neuen Buch schildert Renate Feyl das Leben der Caroline von Wolzogen (1 763-1847) als Schriftstellerin und Schwägerin Schillers. Was die Wolzogen in ihrer Schiller-Biographie aus Rücksicht auf Zeitgenossen verschweigen mußte, wird in diesem Roman erzählt. Zwei Dinge prägten das Leben der Caroline von Wolzogen (1763-1847): ihre schriftstellerische Arbeit und die Nähe zu ihrem Schwager Friedrich Schiller. Er liebte die Schwestern von Lengefeld, heiratete, weil Caroline ablehnte, Charlotte und wollte dennoch beide immer um sich haben - Charlotte für das alltäglich Praktische und Caroline für das geistig Höhere. Caroline, die in zweiter Ehe mit dem Geheimrat von Wolzogen verheiratet war, mußte erfahren, was es heißt, mit einem Genie in der Familie zu leben und an seiner Seite ihren eigenen Weg als Schriftstellerin zu finden. IhrRoman Agnes von Lilien, der in den Horen vorabgedruckt wurde, erregte großes Aufsehen. Sie wurde von Goethe geschätzt und von Wilhelm von Humboldt bewundert und schuf mit der Biographie über den Schwager die Grundlage für Schillers Nachruhm. Was sie in dieser Biographie mit Rücksicht auf Zeitgenossen verschweigen mußte, wird in diesem Buch erzählt. Nach den Romanen über die Gottschedin (Idylle mit Professor) und Sophie von La Roche (Die profanen Stunden des Glücks) legt Renate Feyl mit Das sanfte Joch der Vortrefflichkeit ein weiteres Buch über eine bedeutende Schriftstellerin des ausgehenden 18. Jahrhunderts vor.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.07.1999Widerwillige Geschöpfe
Caroline von Wolzogen im "sanften Joch der Vortrefflichkeit"
Dieser Roman über das Leben der Schriftstellerin Caroline von Wolzogen ist eigentlich ein Schiller-Buch. Eigentlich war Caroline von Lengefeld - so zeigt es der Roman - die Auserwählte Schillers, trat ihn aber an die ältere Schwester Charlotte ab, wohl wissend, daß der Himmelsstürmer auf Erden ein Hausmütterchen brauchte, aber auch, weil sie schon - in erster unglücklicher Ehe - verheiratet war. Schillers "Geschöpf" sollte Caroline sein, aber das war der heißeste Wunsch einer Frau, die selbst literarisch-schöpferische Ambitionen hatte, nun eben nicht.
Später erhoffte sich Schiller eine Art ménage à trois: Charlotte für Leib und Seele, für Tisch und Bett, Caroline für den Geist. Sie war in der Tat die bessere Gesprächspartnerin für Schiller, folgte ihm auch bei seiner Annäherung an die Philosophie Kants, ohne ihm zu Hause die Pantoffeln nachzutragen. Sie heiratete nach der Scheidung ihren Vetter Wilhelm von Wolzogen, der einer der einflußreichsten Männer am Weimarer Hof werden sollte. Und sie wurde zur treuesten Sachwalterin Schillers, sorgte sich um sein Nachleben und setzte ihm fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tode ein Denkmal mit ihrem Buch "Schillers Leben", das rasch die Beliebtheit eines Volksbuches erlangte. Ihren anonym erschienenen Roman "Agnes von Lilien" (1798), den zunächst Schiller in seiner Zeitschrift "Die Horen" bekannt machte, hielten die Brüder Schlegel für ein Werk Goethes. So wird der Erfolg des Buches verständlich. Den "Weg einer Frau zu sich selbst" wollte die Verfasserin beschreiben. Und das erklärt nun auch das Interesse der Autorin Renate Feyl an dieser Schriftstellerin der Goethezeit.
Über allgemeine Bücher zur Frauenfrage kam Renate Feyl zum Schriftstellerinnen-Roman. In "Idylle mit Professor" holte sie die Gottschedin aus dem Schatten des Leipziger Literaturpapstes, in den "Profanen Stunden des Glücks" (F.A.Z. vom 31. August 1996) wählte sie als Heldin Sophie La Roche, die mit ihrer empfindsamen "Geschichte des Fräuleins von Sternheim" den Boden bereitet hatte, auf dem Goethe mit seinem "Werther" ernten konnte.
Es ist müßig, beim Romanautor etwas einzuklagen, wofür die Literaturwissenschaftler den Nachweis anzutreten haben. Seine Domäne ist eben, um ein Wort von Siegfried Lenz abzuwandeln, die "imaginäre Literaturgeschichtsschreibung". Vom hundertfältigen Lebensalltag der Dichter, über den der Philologe schweigen muß, wenn er keine Dokumente findet, darf der Romanschreiber reden. Über keine literarische Epoche besitzen wir im übrigen so viele Lebenszeugnisse wie über die Goethezeit. Und man läßt sich gern die historische Welt durch die recherchengestützte Phantasie des Erzählers interessant machen.
In Renate Feyls Roman blickt die inzwischen zweiundsiebzigjährige Ich-Erzählerin Caroline von Wolzogen auf ein Leben zurück, das sich hauptsächlich zwischen den thüringischen Residenzen Rudolstadt und Weimar und der Universitätsstadt Jena bewegte. Kulturgeschichte und politische Geschichte lassen sich kaum voneinander trennen. In Erfurt tanzt Caroline mit dem künftigen Kurfürsten von Mainz und Erzkanzler von Dalberg zum ersten Mal einen als unschicklich verschrienen Walzer, aus Paris wird vom ersten Watercloset berichtet, in Goethes "Mittwochskränzchen" trifft Caroline Weimars Elite, nach der Schlacht von Jena und Auerstädt plündern die Franzosen die Stadt, nehmen aber die Häuser der berühmten Dichter aus. Caroline bricht die von der Weimarer Gesellschaft über Goethes Christiane verhängte Acht und sorgt mit der Einladung an die Neuvermählten für frische Luft.
Am besten bestimmen läßt sich die Erzählweise Renate Feyls an einem der Höhepunkte der Romanhandlung, dem Tod Schillers, und zwar durch den Vergleich der Beschreibung des Romans mit dem Bericht der historischen Zeugin Caroline. Wo es bei dieser heißt: "Der Atem fing an zu stocken", steht im Roman: "Er begann zu röcheln"; ein Satz wie "Die vollkommenste Ruhe verklärte sein Antlitz" fehlt. Tatsächlich entspricht die Erzählung im Roman eher dem erschreckenden offiziellen Sektionsbericht, der uns fragen läßt, wie Schiller bei einem derartigen Zustand seiner inneren Organe überhaupt noch hatte leben und arbeiten können.
Ohne Versachlichung kommt heute ein Roman nicht aus. Viel Kritisches zur Adels- und Hofgesellschaft, zum "Dörrobst" unter den Privilegierten, äußert die Ich-Erzählerin, hält aber selbst an der Gepflogenheit des Adels fest, die Beziehungen spielen zu lassen. Dazu trägt eine heutige Sicht Brüche in die Figur hinein. Der Jargon unserer Zeit - "Bibberknochen", "poetische Hobelbank", "Musengelaber" - gibt der Forschheit von Carolines Sohn, dem Gardehusaren, noch Pfeffer. Aber "großes Gedöns" im Wortschatz Carolines ist wie ein Paukenschlag in der Kammermusik.
Eine Beispielfigur für Emanzipation soll Caroline sein. So ist ihr Aufbegehren gegen die Vorstellung von der Frau, die immer zu Diensten des großen Mannes steht, ein Leitmotiv des Romans, das manchmal zur Litanei wird. Aber Renate Feyl hält Maß und erspart uns die beliebte feministische Breitseite gegen Schillers Leitbild der "züchtigen Hausfrau" im "Lied von der Glocke". Zwei Schwestern im Magnetfeld der Liebe eines Genies: als Lebenskonstellation schon für sich eine Romankonstellation. Der Weimarer Parnaß in der Perspektive einer hochgebildeten und geistreichen Frau: im Jahr des Goethe-Jubiläums nicht unbedingt eine Rarität, aber Renate Feyls bisher bestvorbereitete Romanexpedition in die Literaturgeschichte.
WALTER HINCK
Renate Feyl: "Das sanfte Joch der Vortrefflichkeit". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999. 320 S., geb., 38,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Caroline von Wolzogen im "sanften Joch der Vortrefflichkeit"
Dieser Roman über das Leben der Schriftstellerin Caroline von Wolzogen ist eigentlich ein Schiller-Buch. Eigentlich war Caroline von Lengefeld - so zeigt es der Roman - die Auserwählte Schillers, trat ihn aber an die ältere Schwester Charlotte ab, wohl wissend, daß der Himmelsstürmer auf Erden ein Hausmütterchen brauchte, aber auch, weil sie schon - in erster unglücklicher Ehe - verheiratet war. Schillers "Geschöpf" sollte Caroline sein, aber das war der heißeste Wunsch einer Frau, die selbst literarisch-schöpferische Ambitionen hatte, nun eben nicht.
Später erhoffte sich Schiller eine Art ménage à trois: Charlotte für Leib und Seele, für Tisch und Bett, Caroline für den Geist. Sie war in der Tat die bessere Gesprächspartnerin für Schiller, folgte ihm auch bei seiner Annäherung an die Philosophie Kants, ohne ihm zu Hause die Pantoffeln nachzutragen. Sie heiratete nach der Scheidung ihren Vetter Wilhelm von Wolzogen, der einer der einflußreichsten Männer am Weimarer Hof werden sollte. Und sie wurde zur treuesten Sachwalterin Schillers, sorgte sich um sein Nachleben und setzte ihm fünfundzwanzig Jahre nach seinem Tode ein Denkmal mit ihrem Buch "Schillers Leben", das rasch die Beliebtheit eines Volksbuches erlangte. Ihren anonym erschienenen Roman "Agnes von Lilien" (1798), den zunächst Schiller in seiner Zeitschrift "Die Horen" bekannt machte, hielten die Brüder Schlegel für ein Werk Goethes. So wird der Erfolg des Buches verständlich. Den "Weg einer Frau zu sich selbst" wollte die Verfasserin beschreiben. Und das erklärt nun auch das Interesse der Autorin Renate Feyl an dieser Schriftstellerin der Goethezeit.
Über allgemeine Bücher zur Frauenfrage kam Renate Feyl zum Schriftstellerinnen-Roman. In "Idylle mit Professor" holte sie die Gottschedin aus dem Schatten des Leipziger Literaturpapstes, in den "Profanen Stunden des Glücks" (F.A.Z. vom 31. August 1996) wählte sie als Heldin Sophie La Roche, die mit ihrer empfindsamen "Geschichte des Fräuleins von Sternheim" den Boden bereitet hatte, auf dem Goethe mit seinem "Werther" ernten konnte.
Es ist müßig, beim Romanautor etwas einzuklagen, wofür die Literaturwissenschaftler den Nachweis anzutreten haben. Seine Domäne ist eben, um ein Wort von Siegfried Lenz abzuwandeln, die "imaginäre Literaturgeschichtsschreibung". Vom hundertfältigen Lebensalltag der Dichter, über den der Philologe schweigen muß, wenn er keine Dokumente findet, darf der Romanschreiber reden. Über keine literarische Epoche besitzen wir im übrigen so viele Lebenszeugnisse wie über die Goethezeit. Und man läßt sich gern die historische Welt durch die recherchengestützte Phantasie des Erzählers interessant machen.
In Renate Feyls Roman blickt die inzwischen zweiundsiebzigjährige Ich-Erzählerin Caroline von Wolzogen auf ein Leben zurück, das sich hauptsächlich zwischen den thüringischen Residenzen Rudolstadt und Weimar und der Universitätsstadt Jena bewegte. Kulturgeschichte und politische Geschichte lassen sich kaum voneinander trennen. In Erfurt tanzt Caroline mit dem künftigen Kurfürsten von Mainz und Erzkanzler von Dalberg zum ersten Mal einen als unschicklich verschrienen Walzer, aus Paris wird vom ersten Watercloset berichtet, in Goethes "Mittwochskränzchen" trifft Caroline Weimars Elite, nach der Schlacht von Jena und Auerstädt plündern die Franzosen die Stadt, nehmen aber die Häuser der berühmten Dichter aus. Caroline bricht die von der Weimarer Gesellschaft über Goethes Christiane verhängte Acht und sorgt mit der Einladung an die Neuvermählten für frische Luft.
Am besten bestimmen läßt sich die Erzählweise Renate Feyls an einem der Höhepunkte der Romanhandlung, dem Tod Schillers, und zwar durch den Vergleich der Beschreibung des Romans mit dem Bericht der historischen Zeugin Caroline. Wo es bei dieser heißt: "Der Atem fing an zu stocken", steht im Roman: "Er begann zu röcheln"; ein Satz wie "Die vollkommenste Ruhe verklärte sein Antlitz" fehlt. Tatsächlich entspricht die Erzählung im Roman eher dem erschreckenden offiziellen Sektionsbericht, der uns fragen läßt, wie Schiller bei einem derartigen Zustand seiner inneren Organe überhaupt noch hatte leben und arbeiten können.
Ohne Versachlichung kommt heute ein Roman nicht aus. Viel Kritisches zur Adels- und Hofgesellschaft, zum "Dörrobst" unter den Privilegierten, äußert die Ich-Erzählerin, hält aber selbst an der Gepflogenheit des Adels fest, die Beziehungen spielen zu lassen. Dazu trägt eine heutige Sicht Brüche in die Figur hinein. Der Jargon unserer Zeit - "Bibberknochen", "poetische Hobelbank", "Musengelaber" - gibt der Forschheit von Carolines Sohn, dem Gardehusaren, noch Pfeffer. Aber "großes Gedöns" im Wortschatz Carolines ist wie ein Paukenschlag in der Kammermusik.
Eine Beispielfigur für Emanzipation soll Caroline sein. So ist ihr Aufbegehren gegen die Vorstellung von der Frau, die immer zu Diensten des großen Mannes steht, ein Leitmotiv des Romans, das manchmal zur Litanei wird. Aber Renate Feyl hält Maß und erspart uns die beliebte feministische Breitseite gegen Schillers Leitbild der "züchtigen Hausfrau" im "Lied von der Glocke". Zwei Schwestern im Magnetfeld der Liebe eines Genies: als Lebenskonstellation schon für sich eine Romankonstellation. Der Weimarer Parnaß in der Perspektive einer hochgebildeten und geistreichen Frau: im Jahr des Goethe-Jubiläums nicht unbedingt eine Rarität, aber Renate Feyls bisher bestvorbereitete Romanexpedition in die Literaturgeschichte.
WALTER HINCK
Renate Feyl: "Das sanfte Joch der Vortrefflichkeit". Roman. Verlag Kiepenheuer & Witsch, Köln 1999. 320 S., geb., 38,- DM.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ute Stempel lobt in ihrer Rezension gleich vorneweg die in Berlin lebende Philosophin Renate Feyl als "im besten Sinne kultivierte" Schriftstellerin, die ihre Romane über schreibende Frauen nie aus der "Nabelschau" schreibe - eine Eigenart, die Stempel offenbar schon oft bei feministischen Autorinnen aufgestoßen ist. Die in diesem Buch vorgestellte Schriftstellerin Caroline von Wolzogen hatte sich Ende des 18. Jahrhunderts mit einem Roman, "Agnes Lilien", einen Namen gemacht, der - erst anonym in "Die Horen" veröffentlicht, von den Brüdern Schlegel für ein Werk Goethes gehalten wurde. Caroline war außerdem die Schwägerin Schillers, was Feyl die Möglichkeit gibt, die Geschichte dieser früh Emanzipierten vor dem Hintergrund der "Kultur der Goethezeit" (armer Schiller!) zu erzählen. Caroline war eine Frau von "regellosem Wesen", deren "nervöse Umtriebigkeit" sie daran hinderte, sich mit einem Leben als demütig-stilles Eheweib zu begnügen. Schiller hat dann ja auch lieber die konventionellere jüngere Schwester geheiratet. Gleichzeitig habe Caroline - und hier folge ihr die Autorin - nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie Schiller viel zu verdanken hat. So "leichthändig" erzählt, macht Literaturgeschichte "endlich wieder Spaß", resümiert eine begeisterte Ute Stempel.
© Perlentaucher Medien GmbH
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