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Der kurze Aufstieg und der jähe Fall des »islamischen Liberalismus«.Noch vor einigen Jahren wurde das »türkische Modell« auf der ganzen Welt gepriesen. Recep Tayyip Erdogan und seiner AKP schien es gelungen zu sein, Islam, Demokratie und eine florierende Wirtschaft harmonisch zu vereinen und so die Türkei zum Vorbild in der ganzen arabischen Welt und zur Hoffnung des Westens zu machen. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein.In seiner prägnanten Analyse argumentiert Cihan Tugal, dass die Probleme dieses Modells des islamischen Liberalismus viel tiefer gehen als Erdogans zunehmender…mehr

Produktbeschreibung
Der kurze Aufstieg und der jähe Fall des »islamischen Liberalismus«.Noch vor einigen Jahren wurde das »türkische Modell« auf der ganzen Welt gepriesen. Recep Tayyip Erdogan und seiner AKP schien es gelungen zu sein, Islam, Demokratie und eine florierende Wirtschaft harmonisch zu vereinen und so die Türkei zum Vorbild in der ganzen arabischen Welt und zur Hoffnung des Westens zu machen. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein.In seiner prägnanten Analyse argumentiert Cihan Tugal, dass die Probleme dieses Modells des islamischen Liberalismus viel tiefer gehen als Erdogans zunehmender Autoritarismus. Sie sind in einer gewollten Ehe zwischen Islam, Demokratie und einer neoliberalen Wirtschaft inhärent. Und dieses Modell kann nur als eine Antwort auf regionale Politik - insbesondere als Antwort auf das »iranische Modell« - verstanden werden.Das türkische Modell ist in der Türkei selbst gescheitert, und die Dynamiken der arabischen Welt erschweren es zunehmend, es als politische Schablone zu exportieren. Tugals meisterhafte Analyse des Untergangs des islamischen Liberalismus bezieht sowohl Ägypten als auch Tunesien mit ein, die noch vor Kurzem als die aussichtsreichsten Kandidaten für solch ein Modell galten, und liefert eine bahnbrechende Untersuchung der dort herrschenden Regime und islamistischen Bewegungen sowie einen Bericht über die Systeme in der Türkei und im Iran, der zu einem Pradigmenwechsel führen wird.
Autorenporträt
Cihan Tugal ist Professor für Soziologie an der University of California in Berkley. Er hat zahlreiche Artikel, Aufsätze und Bücher über die sozioökonomischen Veränderungen und die Rolle der Religion in den politischen Prozessen des Mittleren Ostens veröffentlicht.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.06.2017

Hoffen auf die
echte Revolution
Cihan Tuğals eigenwillige Studie
über das „türkische Modell“
Es ist nicht nur Erdoğan. Es sind tiefer gehende Strukturen, die für die aktuellen Probleme der Türkei verantwortlich sind. Der in Berkeley lehrende Soziologe Cihan Tuğal schreibt mit Wucht gegen die herkömmlichen Lesarten der Entwicklungen in der Türkei und der arabischen Welt an. Anstatt sich kultureller Stereotype wie der „orientalischen Despotie“ oder der Überbetonung der Religion zu bedienen, sollte man sich, so Tuğal, auf eine gründliche Analyse der Wirtschaftspolitik und der politischen Strukturen konzentrieren.
So beschreibt er präzise, warum das „türkische Modell“ lange Zeit für den Westen so attraktiv war: Eine neoliberale Wirtschaftsordnung, gepaart mit einem sanften Islamismus, nährte die Hoffnung auf zunehmende Demokratisierung und wurde als Gegenmodell zum antiwestlichen Kurs Irans wahrgenommen. Auch in Ägypten und Tunesien sahen viele Islamisten im Arabischen Frühling die Türkei als Vorbild. Anders als am Bosporus fehlten der Muslimbruderschaft in Ägypten und in etwas geringerem Maße auch der tunesischen Ennahda aber durchdachte wirtschaftspolitische Konzepte und eine straff organisierte Kaderpartei, meint Tuğal.
Trotz einiger interessanter Einsichten ist „Das Scheitern des türkischen Modells“ letztlich keine überzeugende Analyse. Zum einen ersetzt der Autor handelnde Personen durch abstrakte Strukturen, als Lieblingsfeind hat er den Neoliberalismus ausgemacht. Da bleibt vieles im Dunklen, auch wegen der überbordenden soziologischen Terminologie. Zum zweiten verlässt er gerade beim zentralen Punkt seinen Analyserahmen: Warum ist die Türkei von ihrem Kurs abgewichen und hat einen zunehmend autoritären und nationalistischen Weg eingeschlagen? Tuğal sieht im Arabischen Frühling den Wendepunkt. Erdoğan habe versucht, sich als Champion der Sunniten aufzuspielen, dies sei ihm aber wegen der geopolitischen Konstellation nicht dauerhaft gelungen. Die Gezi-Proteste von 2013 hätten ihn dann verleitet, seine Macht zunehmend mit Gewalt durchzusetzen, gerade gegen die Kurden. Damit liegt der Autor sicherlich nicht ganz falsch, aber auch nicht weit weg von herkömmlichen Darstellungen, die er so vehement ablehnt.
Tuğals Buch ist durchdrungen von der tiefen Enttäuschung darüber, dass linke Parteien keinen wesentlichen Anteil an den Volkserhebungen hatten. In seinem Fazit träumt er dann davon, dass diese Proteste ähnlich wie die Februarrevolution in Russland Vorboten einer größeren, diesmal bitte von sozialistischen Parteien getragenen Revolution sein könnten. Zu Tuğals Verteidigung kann man einwenden, dass er das Manuskript für die englische Originalausgabe bereits 2014 fertiggestellt hat. Im Vorwort für die deutsche Ausgabe warnt er nun seine Gesinnungsgenossen vor einer „langen Nacht des rechten Autoritarismus“.
MORITZ BEHRENDT
Cihan Tuğal: Das Scheitern des türkischen Modells. Wie der arabische Frühling den islamischen Liberalismus zu Fall brachte. Aus dem Englischen von Hans Freundl und Karsten Petersen. Verlag Antje Kunstmann, München 2017, 400 Seiten. 24 Euro.
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