Produktdetails
- Verlag: Berlin : Links
- ISBN-13: 9783861535232
- ISBN-10: 3861535238
- Artikelnr.: 25627899
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.04.2009Was bleibt?
Privatisierung als Schicksal: Christoph Links hat der Geschichte der DDR-Verlage nach der Wiedervereinigung eine umfangreiche Studie gewidmet.
Von Günter Berg
Die Namen klingen allesamt noch gut: Bei Rütten & Loening erschien nach Gründung 1844 "Die Heilige Familie" von Marx und Engels und auch der Struwwelpeter des Frankfurter Autors Heinrich Hoffmann. Bei Gustav Kiepenheuer begann Brecht seine Versuche-Reihe, Rilke, Hoffmannsthal, Stefan Zweig und andere veröffentlichten ihre Bücher im Insel-Verlag Anton Kippenberg in Leipzig. Wie die Insel, so wurde auch der F.A. Brockhaus Verlag nach der deutschen Teilung an zwei Standorten weitergeführt, in Wiesbaden und in Leipzig. Nach der Wende schließlich ist bis heute von der Leipziger Insel kaum etwas geblieben, nun soll die kleine Dependance ganz abgewickelt werden; Brockhaus, neben Duden eine sogenannte Premiummarke des Bibliographischen Instituts in Mannheim (im Besitz von Langenscheidt), baute in der traditionsreichen Verlagsstadt Leipzig zunächst neue Redaktionen auf - nun ist die Marke von Bertelsmann gekauft, Leipzig wird dichtgemacht.
Letztendlich ist nicht viel übrig geblieben von den achtundsiebzig staatlich lizenzierten Verlagen der DDR. Ruhmreich begannen viele, rasch und weitgehend lautlos verschwanden sie in den Wirren der Nachwendezeit. Christoph Links ist in die einschlägigen Archive gestiegen, hat das Material des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels genau studiert, die ehemaligen Mitarbeiter befragt - und auf dieser Materialbasis ein ganz und gar erstaunliches Buch verfasst. In prägnanter Form beschreibt Links die Historie jedes dieser Verlagsunternehmen, legt den Schwerpunkt aber auf die Zeit zwischen 1949 und 1989 und verfolgt dann das Schicksal der zahlreichen in ihrer Kultur blühenden ostdeutschen Verlage.
Unrühmlich bis fahrlässig erscheint die Rolle der Treuhandanstalt, die in nur zwei Jahren eine teils unnötig überstürzte Privatisierung der Unternehmen betrieb. Als 1994 die Treuhandanstalt ihre Tätigkeit weitgehend einstellte, mochte sich auch ihre Nachfolgeorganisation (die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) nicht mehr kümmern um eine Überprüfung der Kaufverträge durch Westinvestoren, in denen Bestandsgarantien, Investitionen et cetera festgeschrieben waren. Nicht einmal die vertragswidrige Schließung der Unternehmen wurde sanktioniert.
Niemand wundert es, dass die westdeutsche Wirtschaft überflüssige Teile der ostdeutschen Wirtschaft schrumpfen oder verschwinden ließ. Es erging den Verlagen wie zahlreichen anderen Unternehmungen auch: Die ostdeutschen Verlage wurden Filialbetriebe westdeutscher Mütter. Bis sie auch das nicht mehr sein konnten: Der Altberliner Verlag, der Verlag Böhlaus Nachfolger, der Greifenverlag, Volk und Welt - sie alle existieren nicht mehr. Warum? Leicht zu beantworten. Solche Verlage waren unter den neuen Bedingungen nicht länger überlebensfähig. Bald nach der Wiedervereinigung setzte eine starke Konzentration im Verlagsgewerbe in ganz Deutschland ein. Bertelsmann, Holtzbrinck und später dann die Bonnier-Gruppe aus Schweden verwandelten einst selbständige Publikumsverlage von Rang (wie Luchterhand, Siedler, Kiepenheuer & Witsch, Heyne oder Piper) in sogenannte Imprints; mancher wurde dadurch gerettet. Personell heillos überbesetzte, durch ihre wirtschaftlichen Kennziffern unmöglich integrierbare Ostverlage hatten nahezu keine Chance. In einigen Fällen fehlte wohl auch das Interesse an einer Sanierung. Nach Übernahme der interessantesten Rechte in die westdeutschen Mutterhäuser hatten die Ostunternehmen ihre Schuldigkeit getan.
Eine so wichtige wie am Ende dann eben doch glücklose Geschichte ist die des Aufbau-Verlags. Der Frankfurter Immobilienunternehmer Bernd F. Lunkewitz wurde unmittelbar nach der Wende zum Verleger. Er kaufte den Aufbau-Verlag von der Treuhand - der er gar nicht gehörte. Unbeirrt kaufte Lunkewitz den Verlag 1994 ein zweites Mal vom wahren Eigentümer, dem nach wie vor existierenden Kulturbund, und investierte in die starke Marke Aufbau. Aber auch Lunkewitz musste irgendwann wohl erkennen, dass es weitaus einfacher ist, Verleger zu werden als es zu bleiben. Er warf im letzten Jahr das Handtuch. Nach der Insolvenz wurde der Verlag verkleinert weiterverkauft.
Christoph Links, der Autor dieser peniblen Studie, stammt aus einer Verlegerfamilie und ist direkt nach der Wende konsequent den Weg seiner Eltern gegangenen. Er wurde Verleger. Er besetzt seitdem eine Nische und veröffentlicht mit Erfolg Sachbücher zur Zeitgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Studie über das Schicksal der DDR-Verlage ist eine spannende Lektüre und ein Nachschlagewerk von bleibendem Wert.
Unser Rezensent, langjähriger verlegerischer Geschäftsführer von Suhrkamp und Insel, ist heute Geschäftsführer des Hamburger Verlags Hoffmann und Campe.
Christoph Links: "Das Schicksal der DDR-Verlage". Die Privatisierung und ihre Konsequenzen. Links Verlag, Berlin 2009. 352 S., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Privatisierung als Schicksal: Christoph Links hat der Geschichte der DDR-Verlage nach der Wiedervereinigung eine umfangreiche Studie gewidmet.
Von Günter Berg
Die Namen klingen allesamt noch gut: Bei Rütten & Loening erschien nach Gründung 1844 "Die Heilige Familie" von Marx und Engels und auch der Struwwelpeter des Frankfurter Autors Heinrich Hoffmann. Bei Gustav Kiepenheuer begann Brecht seine Versuche-Reihe, Rilke, Hoffmannsthal, Stefan Zweig und andere veröffentlichten ihre Bücher im Insel-Verlag Anton Kippenberg in Leipzig. Wie die Insel, so wurde auch der F.A. Brockhaus Verlag nach der deutschen Teilung an zwei Standorten weitergeführt, in Wiesbaden und in Leipzig. Nach der Wende schließlich ist bis heute von der Leipziger Insel kaum etwas geblieben, nun soll die kleine Dependance ganz abgewickelt werden; Brockhaus, neben Duden eine sogenannte Premiummarke des Bibliographischen Instituts in Mannheim (im Besitz von Langenscheidt), baute in der traditionsreichen Verlagsstadt Leipzig zunächst neue Redaktionen auf - nun ist die Marke von Bertelsmann gekauft, Leipzig wird dichtgemacht.
Letztendlich ist nicht viel übrig geblieben von den achtundsiebzig staatlich lizenzierten Verlagen der DDR. Ruhmreich begannen viele, rasch und weitgehend lautlos verschwanden sie in den Wirren der Nachwendezeit. Christoph Links ist in die einschlägigen Archive gestiegen, hat das Material des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels genau studiert, die ehemaligen Mitarbeiter befragt - und auf dieser Materialbasis ein ganz und gar erstaunliches Buch verfasst. In prägnanter Form beschreibt Links die Historie jedes dieser Verlagsunternehmen, legt den Schwerpunkt aber auf die Zeit zwischen 1949 und 1989 und verfolgt dann das Schicksal der zahlreichen in ihrer Kultur blühenden ostdeutschen Verlage.
Unrühmlich bis fahrlässig erscheint die Rolle der Treuhandanstalt, die in nur zwei Jahren eine teils unnötig überstürzte Privatisierung der Unternehmen betrieb. Als 1994 die Treuhandanstalt ihre Tätigkeit weitgehend einstellte, mochte sich auch ihre Nachfolgeorganisation (die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben) nicht mehr kümmern um eine Überprüfung der Kaufverträge durch Westinvestoren, in denen Bestandsgarantien, Investitionen et cetera festgeschrieben waren. Nicht einmal die vertragswidrige Schließung der Unternehmen wurde sanktioniert.
Niemand wundert es, dass die westdeutsche Wirtschaft überflüssige Teile der ostdeutschen Wirtschaft schrumpfen oder verschwinden ließ. Es erging den Verlagen wie zahlreichen anderen Unternehmungen auch: Die ostdeutschen Verlage wurden Filialbetriebe westdeutscher Mütter. Bis sie auch das nicht mehr sein konnten: Der Altberliner Verlag, der Verlag Böhlaus Nachfolger, der Greifenverlag, Volk und Welt - sie alle existieren nicht mehr. Warum? Leicht zu beantworten. Solche Verlage waren unter den neuen Bedingungen nicht länger überlebensfähig. Bald nach der Wiedervereinigung setzte eine starke Konzentration im Verlagsgewerbe in ganz Deutschland ein. Bertelsmann, Holtzbrinck und später dann die Bonnier-Gruppe aus Schweden verwandelten einst selbständige Publikumsverlage von Rang (wie Luchterhand, Siedler, Kiepenheuer & Witsch, Heyne oder Piper) in sogenannte Imprints; mancher wurde dadurch gerettet. Personell heillos überbesetzte, durch ihre wirtschaftlichen Kennziffern unmöglich integrierbare Ostverlage hatten nahezu keine Chance. In einigen Fällen fehlte wohl auch das Interesse an einer Sanierung. Nach Übernahme der interessantesten Rechte in die westdeutschen Mutterhäuser hatten die Ostunternehmen ihre Schuldigkeit getan.
Eine so wichtige wie am Ende dann eben doch glücklose Geschichte ist die des Aufbau-Verlags. Der Frankfurter Immobilienunternehmer Bernd F. Lunkewitz wurde unmittelbar nach der Wende zum Verleger. Er kaufte den Aufbau-Verlag von der Treuhand - der er gar nicht gehörte. Unbeirrt kaufte Lunkewitz den Verlag 1994 ein zweites Mal vom wahren Eigentümer, dem nach wie vor existierenden Kulturbund, und investierte in die starke Marke Aufbau. Aber auch Lunkewitz musste irgendwann wohl erkennen, dass es weitaus einfacher ist, Verleger zu werden als es zu bleiben. Er warf im letzten Jahr das Handtuch. Nach der Insolvenz wurde der Verlag verkleinert weiterverkauft.
Christoph Links, der Autor dieser peniblen Studie, stammt aus einer Verlegerfamilie und ist direkt nach der Wende konsequent den Weg seiner Eltern gegangenen. Er wurde Verleger. Er besetzt seitdem eine Nische und veröffentlicht mit Erfolg Sachbücher zur Zeitgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Seine Studie über das Schicksal der DDR-Verlage ist eine spannende Lektüre und ein Nachschlagewerk von bleibendem Wert.
Unser Rezensent, langjähriger verlegerischer Geschäftsführer von Suhrkamp und Insel, ist heute Geschäftsführer des Hamburger Verlags Hoffmann und Campe.
Christoph Links: "Das Schicksal der DDR-Verlage". Die Privatisierung und ihre Konsequenzen. Links Verlag, Berlin 2009. 352 S., geb., 24,90 [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Jens Bisky würdigt in seiner Rezension zu Christoph Links Buch "Das Schicksal der DDR-Verlage", dass der Autor klare Worte findet für die traurigen Zustände der Ost-Verlage, ohne anzuklagen. Links habe detailliert aufgezeigt, mit welchen Problemen sich die Verlage seit der Wende konfrontiert sahen: Kaum Eigentum in Form von Anlagevermögen oder Immobilien, kaum Kapital und vor allem wenig Erfahrung im Umgang mit dem freien Markt. So sei es kaum verwunderlich, dass von damals 78 Verlagen heute noch zwölf existieren. Mit mehr politischem Willen und Einsicht "hätte es nicht so kommen müssen", stellt der Rezensent nach der Lektüre fest.
© Perlentaucher Medien GmbH
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