Sehnsucht nach Schicksal? Die Heldin dieses Romans will nicht länger auf dem heimatlichen Dorfacker in eine Mohrrübe singen ("Downtown")! Also geht sie nach Berlin, wo im Kreuzberg der 80er Jahre eine Frauenband zusammenfindet, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Leider will die Welt sie auch nicht sehen, und so entwickelt sich die Sängerin zur Ausgehspezialistin und Vorreiterin aller prekär beschäftigten Bohemiens. "Ist das ein Leben, oder ist es ein Exposé?"
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Ein paar Neidgefühle provoziert Christiane Rösinger bei der Rezensentin Nina Apin, die nie die geteilte Frontstadt Berlin, das Künstlerplaradies Kreuzberg und die Falckensteinstraße ohne Touristen kennen gelernt hat. Aber es überwiegen eindeutig die positiven Gefühle gegenüber der Autorin, die als einstige Frontfrau der legendären Lassie Singers zu immerhin Berliner Ruhm gelangt ist. Gern hat Apin gelesen, wie sich Rösingers mäanderndes Leben, das auf einem Spargelacker in der schwäbischen Provinz seinen Anfang nahm, zu einer schlüssigen Berliner Lebensgeschichte fügte. Sehr überzeugend die kleinen Hiebe gegen die Schwaben, die gerade mal ein Jahr vor Rösinger nach Berlin gekommen waren, aber ihr "Berliner-Sein" vor sich her trugen wie ein "Adelsprädikat". Zudem erzähle Rösinger nie larmoyant, höchstens verzweifelt von den schwereren Zeiten ihres Lebens, und nur manchmal scheine eine gewisse Bitterkeit durch (etwa wenn Weggenossen wie Blumfeld durchstarten dürfen und die Lassie Singers ins Frauenzelt abgeschoben werden). Ganz toll findet Apin dann wieder, wie Rösinger ihr Leben in der "Lo-Fi-Boheme" und ihr Recht auf Müßiggang gegen den "Opferstatus Prekariat" verteidigt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2008Apollinisch alternde Bohème
Christiane Rösingers Roman
Seit über 20 Jahren ist Christiane Rösinger als Musikerin tätig: zuerst mit den „Lassie Singers”, inzwischen mit „Britta”. Sie hat sich um Pop-Deutschland verdient gemacht. Dennoch ist sie bei weitem nicht so bekannt wie ihre Kollegen von Blumfeld und Tocotronic – woran liegt es? Die Melodien, die sie schreibt, sind catchy, die Texte so klug und witzig-ironisch, wie man es sonst nur von Funny van Dannen kennt. Diskurs-Rock aber muss offenbar verquast-gymnasial daher kommen, sonst gilt er seinen Hörern nichts.
„Das schöne Leben”, Rösingers literarisches Debüt, ist im Untertitel als Roman ausgewiesen. Eher handelt es sich aber um eine Sammlung autobiographischer Skizzen mit essayistischem Einschlag: Stationen einer Underground-Karriere, amüsiert-desillusionierte Notizen aus dem Band-Alltag, Überlegungen zur materiellen und seelischen Lage der alternden Bohème in Teuro-Zeiten, anfangs Kindheits- und Jugendszenen in einem badischen Spargeldorf. Da geht es etwa um die Back- und Tauschaktionen, die anlässlich des Weißen Sonntags früher auf dem Land stattfanden und alle Hausfrauen aufs Äußerste forderten. Die Autorin spricht von „Kuchenfundamentalismus”, und im Formulieren solcher Begriffe oder Sätze, die Komplexes pointiert resümieren, liegt eine ihrer Stärken.
So werden depressive Anwandlungen bei Kulturschaffenden, die allzu lange auf der faulen Haut liegen, als „Unterforderungs-Burn-Out” analysiert: Wer ihn erleidet, muss feststellen, dass er vom Prekariat nicht allzu weit entfernt lebt. Im Zusammenhang mit der leidigen Frage, ob ein aufgeklärter Großstadtmensch Weihnachten feiern könne, plädiert Rösinger für einen „doppelt ironisch gebrochenen Katholizismus” und distanziert sich von allzu routinierter Kulturkritik im 68er-Stil.
Das alte West-Berlin wird nicht ohne Wehmut geschildert. War das schön, als in Kreuzberg, dank der Mauer, die Welt zu Ende war und alle ungestört vor sich hin kiffen und künstlern konnten! Die kulturellen Erweckungserfahrungen Rösingers verbinden sich mit „Ton Steine Scherben” und der „Deutsch-Amerikanischen Freundschaft”, mit Gefühlen der Revolte und Melancholie. Dem unbarmherzigen Streben nach Fun, das in den Neunzigern aufgekommen ist, begegnet sie daher mit leichter Skepsis. Zur „Ausgehgesellschaft” zählt sie sich immer noch, wirft auf deren Verhaltensweisen aber gerne einen satirischen Blick. Anstatt einen angesagten Club zu betreten, empfiehlt sie, sich vor ihm aufzuhalten oder, besser noch, nur flüchtig in seine Nähe zu kommen: „Beim achtlosen Vorbeilaufen grüßt man, ganz in apollinisch-klare Gedanken versunken, ein paar Bekannte mit einem freundlich-teilnahmslosen Blick, ignoriert die Musik, die aufgeladene dionysische Atmosphäre und geht gemessenen Schrittes – nicht zu hastig, aber auch keinesfalls zu langsam – vorbei. Noch cooler wäre, sich in einer unbelebten Straße vor einen Parkplatz zu stellen.” CHRISTOPH HAAS
Christiane Rösinger
Das schöne Leben
Roman. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2008. 208 Seiten, 8,95 Euro.
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Christiane Rösingers Roman
Seit über 20 Jahren ist Christiane Rösinger als Musikerin tätig: zuerst mit den „Lassie Singers”, inzwischen mit „Britta”. Sie hat sich um Pop-Deutschland verdient gemacht. Dennoch ist sie bei weitem nicht so bekannt wie ihre Kollegen von Blumfeld und Tocotronic – woran liegt es? Die Melodien, die sie schreibt, sind catchy, die Texte so klug und witzig-ironisch, wie man es sonst nur von Funny van Dannen kennt. Diskurs-Rock aber muss offenbar verquast-gymnasial daher kommen, sonst gilt er seinen Hörern nichts.
„Das schöne Leben”, Rösingers literarisches Debüt, ist im Untertitel als Roman ausgewiesen. Eher handelt es sich aber um eine Sammlung autobiographischer Skizzen mit essayistischem Einschlag: Stationen einer Underground-Karriere, amüsiert-desillusionierte Notizen aus dem Band-Alltag, Überlegungen zur materiellen und seelischen Lage der alternden Bohème in Teuro-Zeiten, anfangs Kindheits- und Jugendszenen in einem badischen Spargeldorf. Da geht es etwa um die Back- und Tauschaktionen, die anlässlich des Weißen Sonntags früher auf dem Land stattfanden und alle Hausfrauen aufs Äußerste forderten. Die Autorin spricht von „Kuchenfundamentalismus”, und im Formulieren solcher Begriffe oder Sätze, die Komplexes pointiert resümieren, liegt eine ihrer Stärken.
So werden depressive Anwandlungen bei Kulturschaffenden, die allzu lange auf der faulen Haut liegen, als „Unterforderungs-Burn-Out” analysiert: Wer ihn erleidet, muss feststellen, dass er vom Prekariat nicht allzu weit entfernt lebt. Im Zusammenhang mit der leidigen Frage, ob ein aufgeklärter Großstadtmensch Weihnachten feiern könne, plädiert Rösinger für einen „doppelt ironisch gebrochenen Katholizismus” und distanziert sich von allzu routinierter Kulturkritik im 68er-Stil.
Das alte West-Berlin wird nicht ohne Wehmut geschildert. War das schön, als in Kreuzberg, dank der Mauer, die Welt zu Ende war und alle ungestört vor sich hin kiffen und künstlern konnten! Die kulturellen Erweckungserfahrungen Rösingers verbinden sich mit „Ton Steine Scherben” und der „Deutsch-Amerikanischen Freundschaft”, mit Gefühlen der Revolte und Melancholie. Dem unbarmherzigen Streben nach Fun, das in den Neunzigern aufgekommen ist, begegnet sie daher mit leichter Skepsis. Zur „Ausgehgesellschaft” zählt sie sich immer noch, wirft auf deren Verhaltensweisen aber gerne einen satirischen Blick. Anstatt einen angesagten Club zu betreten, empfiehlt sie, sich vor ihm aufzuhalten oder, besser noch, nur flüchtig in seine Nähe zu kommen: „Beim achtlosen Vorbeilaufen grüßt man, ganz in apollinisch-klare Gedanken versunken, ein paar Bekannte mit einem freundlich-teilnahmslosen Blick, ignoriert die Musik, die aufgeladene dionysische Atmosphäre und geht gemessenen Schrittes – nicht zu hastig, aber auch keinesfalls zu langsam – vorbei. Noch cooler wäre, sich in einer unbelebten Straße vor einen Parkplatz zu stellen.” CHRISTOPH HAAS
Christiane Rösinger
Das schöne Leben
Roman. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2008. 208 Seiten, 8,95 Euro.
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