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Warschau nach dem deutschen Angriff 1939. Jakub Shapiro, früher Unterweltkönig der Stadt, kämpft als Soldat einen aussichtslosen Kampf. Sein Gangsterreich zerfällt, das luxuriöse Leben ist zu Ende. Während Shapiro seine Familie zu schützen versucht, macht er einen unverzeihlichen Fehler. Frau und Söhne verlassen ihn. Jakubs Geliebte Ryfka rettet ihn aus dem Ghetto in eine konspirative Wohnung. So ist es bald der halbwüchsige Sohn David, der das Überleben von Mutter und Bruder sichert, durch Schmuggel und Schwarzhandel; unter schon alltäglicher Todesgefahr erlebt er in bizarren Abenteuern einen…mehr

Produktbeschreibung
Warschau nach dem deutschen Angriff 1939. Jakub Shapiro, früher Unterweltkönig der Stadt, kämpft als Soldat einen aussichtslosen Kampf. Sein Gangsterreich zerfällt, das luxuriöse Leben ist zu Ende. Während Shapiro seine Familie zu schützen versucht, macht er einen unverzeihlichen Fehler. Frau und Söhne verlassen ihn. Jakubs Geliebte Ryfka rettet ihn aus dem Ghetto in eine konspirative Wohnung. So ist es bald der halbwüchsige Sohn David, der das Überleben von Mutter und Bruder sichert, durch Schmuggel und Schwarzhandel; unter schon alltäglicher Todesgefahr erlebt er in bizarren Abenteuern einen Rausch von Jugend und Freiheit. Doch die Gräuel, Hunger und Verrat beherrschen die Stadt, umso mehr nach dem Ghettoaufstand. Und der Preis für ein Überleben ist so hoch, dass niemand die Schuld je tragen können wird. Als das Ghetto zerstört liegt, kämpft Ryfka bis aufs Blut für ihre und Jakubs Zukunft. Und David will Rache nehmen, an den Deutschen, an allen.

Szczepan Twardoch schildert kompromisslos einen gewaltigen Stoff: die deutsche Besatzung, die Warschauer Aufstände, das Ghetto. Er erzählt von Juden, Polen, Deutschen, von Opfern und Henkern, erzählt mit glänzender, eisiger Spannung von einer dunklen Zeit - und der schwersten aller Prüfungen, Mensch zu bleiben.

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Autorenporträt
Szczepan Twardoch, geboren 1979, ist einer der herausragenden Autoren der Gegenwartsliteratur. Mit 'Morphin' (2012) gelang ihm der Durchbruch, das Buch wurde mit dem Polityka-Passport-Preis ausgezeichnet, Kritik und Leser waren begeistert. Für den Roman 'Drach' wurden Twardoch und sein Übersetzer Olaf Kühl 2016 mit dem Brücke Berlin Preis geehrt, 2019 erhielt Twardoch den Samuel-Bogumil-Linde-Preis. Zuletzt erschienen der hochgelobte Roman 'Der Boxer', das Tagebuch 'Wale und Nachtfalter' und der Roman 'Demut', den die NZZ als 'Höhepunkt seines Schreibens' bezeichnete. Im Frühjahr 2024 erscheint der Roman 'Kälte'. Szczepan Twardoch lebt mit seiner Familie in Pilchowice/Schlesien. Olaf Kühl, 1955 geboren, studierte Slawistik, Osteuropäische Geschichte und Zeitgeschichte und arbeitete lange Jahre als Osteuropareferent für die Regierenden Bürgermeister von Berlin. Er ist Autor und einer der wichtigsten Übersetzer aus dem Polnischen und Russischen, u.a. wurde er mit dem Karl-Dedecius-Preis und dem Brücke Berlin-Preis ausgezeichnet. Sein zweiter Roman, 'Der wahre Sohn', war 2013 für den Deutschen Buchpreis nominiert.
Rezensionen
Twardoch ist mit dieser erzählerischen Gleitsichtbrille eine Art Tarantino der polnischen Geschichtsschreibung. In seinen Pageturnern gelingt es ihm, die gewaltsamen Umbrüche des zwanzigsten Jahrhunderts literarisch zu vergegenwärtigen. Katharina Teutsch Frankfurter Allgemeine Zeitung 20201010
Die sehr bewegende Geschichte vom fast aussichtslosen Überlebenskampf der polnischen Juden ... und eine berührende Geschichte starker Frauen, zersetzter Familien und Lieben. Ein großer Wurf. René Zipperlen Badische Zeitung 20200916

Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension

Rezensent Frank Meyer ist fasziniert von Szczepan Twardochs Roman. Anknüpfend an den Vorgängerroman "Der Boxer" erzählt er hier aus der Perspektive der Geliebten und des Sohns des dortigen Protagonisten vom Überleben der Juden in Warschau, von polnischem Antisemitismus und von jüdisch-deutschen Kollaborationen. Dabei wähle der Autor eine Art metaphysische Perspektive, weil die Erzählstimmen in der Geschichte zwar alles erfahren, aber nicht handeln können, staunt Meyer, und lobt auch Twardochs komplexe Figuren. Einige Gewalt- und Sexszenen hält der Rezensent für etwas zu drastisch - trotzdem fesselt ihn Twardochs "riskanter" Roman mit seinem spektakulären Tonfall und "grellen Effekten".

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 10.10.2020

Tarantino der polnischen Geschichtsschreibung

Szczepan Twardochs titelgemäß tiefdüsteres Epos "Das schwarze Königreich" malt im Weltkriegs-Warschau kaleidoskopisch die Hölle auf Erden aus.

Warschau zwischen dem deutschen Überfall, der Kapitulation und dem Kriegsende. Eine schwarze Epoche, in der auch der Vorkriegskönig Jakub Shapiro aus der polnischen Halbwelt ein König ohne Untertan ist. Dunkelste Schwärze herrscht auf Warschaus Straßen. Und so ist auch der, der jahrelang von Schutzgelderpressung, Auftragsmord und Straßenkriminalität lebte, am Ende.

Shapiro war bereits der Held des ersten Teils einer großen Erzählung von Szczepan Twardoch aus dem Warschau der Zwischenkriegszeit. Er war der titelgebende "Boxer" aus dem Judenviertel und später Teil der sozialistischen Mafia. Ein attraktiver Siegertyp und auch ein Krisengewinnler, der sich im allgemeinen Chaos der Inflationsjahre klug zu positionieren wusste. Ein Jude von ganz unten also, der es ohne politische Ansichten zu Geld, Ruhm, Ansehen und einer schönen Familie in einer schönen Stadtvilla gebracht hatte - und der doch ein von Komplexen geplagter Gewaltverbrecher geblieben war.

Die Zeiten seines Ruhmes aber sind im Jahr 1939 vorbei. Jakub Shapiro befand sich ein Jahr zuvor schon mit Frau und Kindern im Flugzeug nach Palästina. Dann hatte er plötzlich, von unklaren Stolzgefühlen überwältigt, den Piloten zur Umkehr gezwungen. Nun sitzen die Shapiros zusammen mit allen anderen polnischen Juden in der Falle. Zunächst im Warschauer Getto, wo Jakub einen Job bei der sogenannten Judenpolizei annimmt und somit zum Handlanger der Nazis wird. Später dann in verschiedenen Verstecken. Zuletzt in einer Kriegsruine an der Seite seiner lebenslangen Geliebten, der jüdischen Prostituierten Ryfka. Aus ihrer Perspektive ist ein Teil des Buchs geschrieben. Der andere folgt den Erinnerungen von Jakubs Sohn David.

Die Geschichte ist zynisch. Sie lässt den König von Warschau aus einer Hölle, deren Heizer er gewesen war, in eine Hölle ohne offene Führungsposition wechseln. Durch die allwissenden Augen der zum Überleben verdammten Ryfka und David wird vor dem Leser noch einmal die Geschichte des Warschauer Gettos erzählt, bis hin zu dessen Auflösung, von den Nazis als "Großaktion" mit Endziel Deportation bezeichnet. Und obwohl das alles süffig erzählt ist, stellen sich nicht die üblichen Skrupel gegenüber einem allzu lustvollen Umgang mit der deutschen Gewaltgeschichte ein. Denn Twardoch ist kein skrupellos lüsterner Schreiber. Sein Geschichtsbild ist, anders als seine Erzählsprache, nicht kinematographisch, sondern kaleidoskopisch. Wie in einem Prisma bricht sich das Licht des Jahrhunderts am einzelnen Fall und entfaltet eine Fliehkraft, die den Leser mitzieht in jeden erdenklichen Abgrund.

Dieses Verfahren gelang Twardoch besonders gut in seinem Roman "Drach" - einem Buch über die wechselvolle Geschichte der Schlesier, deren Nachfahre auch Twardoch ist. Einerseits gab es da die Perspektive des einzelnen Menschen in seinen Umständen, andererseits den kosmischen Blick einer allwissenden Erzählerin. Mit Gleichmut blickte sie auf die Brutalitäten des Jahrhunderts. Es war die Erde selbst, die in "Drach" erzählte und die sich erzählend das zurücknahm, was aus ihr gekommen war: menschliche Biomasse.

Twardoch-Skeptiker rügten ein gewisses Pathos, mit dem der zeitlos-kosmische Fatalismus der gleichgültigen Erde zelebriert wurde. Wie auch immer man dazu stehen mag: Das, was alle Bücher Twardochs so brillant inszenieren, ist der ewige Widerspruch zwischen dem ideologischen Überbau und dem verstrickten Einzelschicksal. Auch "Das schwarze Königreich" hat nicht den polnischen Antisemitismus zum Thema, sondern den Kampf zwischen dem, was sein soll, und dem, was der Einzelne daraus macht.

Twardoch ist mit dieser erzählerischen Gleitsichtbrille eine Art Tarantino der polnischen Geschichtsschreibung. In seinen Pageturnern gelingt es ihm, die gewaltsamen Umbrüche des zwanzigsten Jahrhunderts literarisch zu vergegenwärtigen. Dafür dürfen die Zutaten Blut, Sperma und Schweiß natürlich nicht fehlen.

Jakub, das wissen Leser von "Der Boxer", war ein Mann der Frauen. Er hatte davon viele. Darunter eine kluge, schöne Frau aus der besseren Gesellschaft, mit der er die Zwillingssöhne Daniel und David hat. Von Letzterem erfahren wir von den Vorkriegsjahren im Leben der Shapiros, von Jakubs Kampf in der polnischen Armee gegen die deutschen Besatzer, von seiner Enteignung als Villenbesitzer, von seinem Umzug ins Getto, von seinem Einsatz bei der jüdischen Polizei, davon, dass dieser Entschluss das Ende seiner Ehe besiegelt. Und von seiner Flucht aus dem Getto zusammen mit Ryfka. Die beiden finden Zuflucht bei einer polnischen Geliebten Jakubs, die Juden versteckt, allerdings auch mit den Deutschen paktiert. In ihrer Wohnung hausen die Flüchtlinge wie Käfigtiere. Die Ménage-à-trois wird schnell zu einer Übung in Unterwerfung. Auch hier wird irgendwann mit der Waffe entschieden. Denn verstrickt sind alle auf unauflösliche Weise. Der Tod macht sie einander wieder gleich.

Ryfka und Jakub, auch davon handelt die Geschichte, sind für einander bestimmt. Sie können ihre Herkunft vom unteren Rand der Gesellschaft nicht abstreifen. Das Stigma ihres Judentums, das einen echten Aufstieg in die polnische Gesellschaft verhindert, wird sie zusammenschweißen. Auch Jakub muss das einsehen. Nachdem seine Frau ihn vor die Tür gesetzt hat, nachdem er mit ihr auch seine Zwillingssöhne verloren hat, bleibt Jakub nur die Schwarzeseelenverwandte seiner Jugend.

Ryfka, so beginnt der Roman, füttert den halbtoten Jakub mit Essensrationen, die sie auf ihren nächtlichen Streifzügen durch das besetzte Warschau wie ein Wildtier erbeutet hat. Dabei begegnet sie einem Deserteur aus Schlesien. Auch hier menschelt es. Und auch seine unheilvolle Geschichte will erzählt sein: wie er in ein polnisches Exekutionskommando abkommandiert wird und in der Bukowina auf jüdische Frauen und deren Kinder schießen soll, was er nicht will und nicht erträgt, aber doch tut. Dort trifft er auf den Ukrainer Miron, der abbestellt ist, den jüdischen Leichen die Goldzähne herauszureißen. Er hat sich freiwillig gemeldet, weil in seiner Welt alles besser ist als die Kommunisten. Twardoch erzählt in "Das schwarze Königreich" auch diese Geschichte: wie Mirons Familie Opfer des Holodomor wird - der großen Hungersnot, die von Stalin strategisch zur Unterwerfung des ukrainischen Unabhängigkeitswillens genutzt wurde. Die Kollektivierer, worunter sich in Mirons Erinnerung auch etliche Juden befanden, haben die gesamte großbäuerliche Familie ausgelöscht. Mit aufgedunsenen Bäuchen sterben Mirons Frau und seine Töchter. Nun ist er bereit, taub an der Seele, seine grausame Pflicht zu erfüllen. Auch hier kennt der Roman keine Gnade. Der Krieg fordert seine Opfer mit kalter Gleichgültigkeit.

Szczepan Twardoch ist ein Autor der sogenannten dritten Generation, der man eine Ästhetisierung des nationalsozialistischen Horrors wieder zugesteht. Die Debatte um Jonathan Littells Roman "Die Wohlgesinnten" hat vor knapp fünfzehn Jahren gezeigt, dass man sich einer literarischen Auseinandersetzung mit dem Judenmord nicht aus der Erinnerung, sondern aus der Überlieferung heraus stellen muss. Twardoch gelingt es als Vertreter dieser Generation, das große Geschichtsactionrad so geschickt zu drehen, dass die Opfer dabei nicht zum Spielmaterial einer zügellosen Phantasie werden.

KATHARINA TEUTSCH

Szczepan Twardoch:

"Das schwarze Königreich".

Roman.

Aus dem Polnischen von Olaf Kühl. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2020. 413 S., geb., 24,- [Euro].

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