Eine junge Frau sitzt in ihrer Wohnung und blickt auf die kleinen Dramen, die sich in ihrer Nachbarschaft abspielen. Sie ist eine stumme Außenseiterin, die aus sicherer Distanz alles beobachtet: Streitereien, Sex, glückliche und unglückliche Familien. Nur ihr eigenes Leben fühlt sich an, als hätte jemand die Stopp-Taste gedrückt.Nachdem der Bürgerkrieg in ihrer syrischen Heimat ausbrach, ist sie dem Versprechen von einem Leben in Sicherheit gefolgt und nach Europa geflüchtet. Seit ihrer Ankunft in England kann sie ihre Arbeit als Journalistin nicht mehr ausüben. Sie fühlt sie sich isoliert und mit antimuslimischen Vorurteilen konfrontiert. Betäubt von den Kriegstraumata verstummt sie. Statt zu sprechen, beginnt sie jedoch, zu schreiben - über den Arabischen Frühling, den syrischen Bürgerkrieg, die Flucht nach Europa und die Einsamkeit im Exilland. Ihre Beiträge werden von einem Online-Magazin unter dem Pseudonym "Die Stimmlose" veröffentlicht. Nach und nach findet sie die Kraft, ihren Platz hinter dem Fenster zu verlassen. Sie erkundet die neue Umgebung und entdeckt den Tante-Emma-Laden um die Ecke, eine nahegelegene Moschee, einen Buchladen, einen Waschsalon. Als ein Fest der Moschee von Rassisten überfallen wird, muss sie sich entscheiden: Bleibt sie stumme Beobachterin oder zeigt sie Haltung?Mit brillanter, poetischer Sprache erforscht Layla AlAmmar, was es bedeutet, geflüchtet zu sein. Sie schreibt über den Verlust von Sicherheit, Krieg und Extremismus. Das Schweigen in mir fängt das fragmentierte Leben einer Geflüchteten in all seinen Farben ein und führt dabei deutlich vor Augen, wie wichtig es ist, dass wir uns gegenseitig zuhören. Ein beeindruckender Roman mit unglaublichem Feingefühl und einem Plädoyer für Toleranz und Verständigung.
Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Sehr wohlwollend bespricht Cornelia Geißler diesen Roman der amerikanisch-kuweitischen Autorin Layla al-Ammar, der zunächst an ein Schreibschul-Setting erinnert: Die namenlose Erzählerin folgt in Gedanken jenen Menschen, die sie von ihrem Fenster aus betrachtet. Ihre Beobachtungen des großstädtischen Lebens verbindet sie mit Reflexionen über Flucht und Migration, Stigmatisierung und Ressentiment, wie Geißler informiert. Über Sprache, Stil oder Figurenzeichnung verrät die Rezensentin wenig, folgt al-Ammars Fluss aus Beschreibung und Kommentar aber gern. Allerdings gibt sie zu Bedenken, dass die Erzählerin, die im englischen Original ihre Kolumne als "The Voiceless" unterzeichnet, im Deutschen schlecht als "Sprachlose" figurieren kann. Am Ende freut sie sich aber, dass die Erzählerin ihre Position der teilnahmslosen Beobachterin überdenkt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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