Wie kaum ein anderes Werk eignet sich Guernica von Picasso selbst als Fallbeispiel, um die Frage, warum, wie und unter welchen Bedingungen ein Kunstwerk geschaffen wird, zu untersuchen. Zwei einflußreiche, bisher übersehene oder unterschätzte Kontexte kommen dabei in den Blick: zum einen die Tradition friesartiger Kompositionen mit erregter Bildsprache, zum anderen wird durch Ginzburgs spannende Untersuchung erstmals der Einfluß Georges Batailles in seinem ganzen Ausmaß deutlich, wobei dessen ambivalente Kritik am Antifaschismus ein paradoxes Licht auf Guernica wirft.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Picassos "Guernica" nicht als politisch motivierte Anklage lesen zu wollen und es dann doch zu tun, so beschreibt Antje Weber Ginzburgs Untersuchung. Kern der Ginzburgschen These vom Nicht-Antifaschismus ist der Einfluss, den George Batailles in genau jener Zeit (1937) auf Picasso ausübte. Aufgrund von dessen ambivalenter Kritik am Faschismus habe der Maler bestimmte Veränderungen am Bild vorgenommen (das zur Pariser Weltausstellung für den Pavillon der Spanischen Republik in Auftrag gegeben war). Besonders die Glühbirne in der Sonne von "Guernica" entspreche, so Ginzburg, der Batailleschen Auffassung von der modernen Kunst als "verdorbene Sonne", die Entsetzen auslöse. So wie Weber es darstellt, ist "Guernica", mit und ohne Bataille, am Ende doch wieder Protest und Anklage gegen Gewalt und Krieg.
© Perlentaucher Medien GmbH
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