Was ist das Besondere an Vorlesungen? Dreierlei mindestens! Einmal lassen Sie die Freiheit zum speku lativen Spiel, zur Abbreviatur, zum Ornament, zur Riskanz, zum Neben- und Randweg, der vielleicht in fruchtbare Wirrnisse führt. Dann zwingen sie zu weitgehender Anschaulichkeit, zu Beispie len, die die Probleme auf den Punkt bringen oder in dieser Hin sicht wunder- und wirkungsvoll verunglücken können. Schließ lich finden sie statt unter der Bedingung der Anwesenheit von Studierenden, und das heißt: Sie dürfen einfach nicht langweilig sein, sie müssen für einige Zeit Aufmerksamkeit bündeln und festhalten können, die Aufmerksamkeit überwiegend junger Men schen, die sich schnell verflüchtigt, wenn es nicht gelingt, Rele vanzen zu markieren, oder wenn es nicht gelingt, spürbar zu machen, daß kein Programm abgespult, sondern Lehre in einem ganz klassischen Sinne betrieben wird - als eine Sache von Be geisterten, die andere begeistern wollen. Die Vorlesung, auch das gefallt mir an ihr, läßt wenig Raum für multimediale Spielereien, sie muß auf das Wort setzen, auf die Sprache, auf den Zusammenhang eines im Grunde sehr langen, immer wieder unterbrochenen Textes. Sie kann nicht auf die Nichtintelligenz des Auditoriums zählen - heute so wenig wie ehedem. In der Vorlesung steht deshalb immer mehr auf dem Spiel als die Vermittlung und der Erwerb von Wissen. Es geht um kognitive Stile, die angeboten, übernommen oder bekämpft wer den müssen, um diejenigen, die unsichtbar neben dem Dozenten 11 stehen und konkurrierende Weltentwürfe hatten und haben.
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