"Das siebte Kreuz, dieses große literarische Kunstwerk, ist ein Roman gegen die Diktatur schlechthin." Marcel Reich-Ranicki Dieser Roman, der zuerst 1942 in englischer Sprache, kurz darauf im mexikanischen Exilverlag El Libro Libre in deutscher Sprache erschien, machte die Autorin weltberühmt. Er wurde zu einem Bestseller. Der Stoff wurde 1942 in einer Comic-Fassung und in der Verfilmung des österreichischen Emigranten Fred Zinnemann 1944 in den USA populär, noch bevor der Roman seine Leser in Deutschland erreichte. Von allen Werken der Seghers ist er unumstritten das bekannteste. Er wendet ein populäres, in der trivialen Unterhaltungskunst gern benutztes Erzählmuster an: eine Fluchtgeschichte. Sieben Gefangene sind aus dem KZ Westhofen entflohen. Sie haben die längst und eindeutig gegen sie entschiedene Machtfrage neu gestellt. Mit ihrer Flucht unterlaufen sie ihre Ohnmacht und nehmen für ihre Selbstbehauptung äußerste Bewährungsproben ihrer physischen und psychischen Kräfteauf sich. Aber nur einem von ihnen gelingt die Flucht. Sie habe mit dieser Fluchtgeschichte, sagte Anna Seghers, die Struktur des ganzen Volkes aufrollen wollen. Aus der Perspektive des sozialen Romans schafft sie die bedeutendste analytische Darstellung der nationalsozialistisch formierten Gesellschaft. Der Roman zerlegt die Motive der funktionierenden Mitmacher, der kalkulierenden Karrieristen, der eingeschüchterten früheren Oppositionellen, der Funktionsträger des Regimes und derjenigen, die dem Flüchtling helfen. Das Nachwort zur Entstehung und zur Rezeption macht deutlich, inwiefern Anna Seghers versuchte, einem Weltzustand, den sie keineswegs beschönigt, so etwas wie eine Hoffnung abzutrotzen, und wie das Gelingen des Romans damit zu tun hat, daß die Suggestion der Hoffnung ständig ihre Widerlegung mit sich führt.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.03.2018Die Region ist mit dabei
"Frankfurt liest ein Buch": 120 Veranstaltungen zu "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers
Als sie die ersten Pläne für ihr neues Buch macht, irrt Anna Seghers sich nur in der Seitenzahl. 300 Seiten hat sie sich vorgenommen, am Ende werden es mehr. Nicht geirrt hat sie sich in dem, was das Buch ist. "Spannend und bunt und vielfältig" solle es werden, schreibt sie einem Korrespondenzpartner. Das ist sie dann auch geworden, die Geschichte des Häftlings, der 1937 aus einem Konzentrationslager bei Worms flieht und alte Freunde in Mainz und Frankfurt um Hilfe bittet, ehe er den Rhein hinab nach Holland entkommt. Ein Buch, von dem Carl Zuckmayer, wie Seghers ins Exil gezwungen und Mainz, der Heimatstadt der Schriftstellerin, ebenso fest verbunden wie sie, später sagte, es sei das einzige Werk der Exilliteratur, in dem aus der Ferne ein "menschlich glaubhaftes Bild des verfinsterten Deutschland" gelungen sei.
Während sie "Das siebte Kreuz" verfasst, lebt Seghers in Frankreich, versucht, aus Europa zu entkommen, hat kaum Geld, weiß nicht, wie sie ihre Kinder ernähren soll und macht sich Sorgen um die Familie in Deutschland - ihre Mutter wird später deportiert und ermordet. Aber 1942 erscheint "Das siebte Kreuz" überaus erfolgreich auf Englisch in den Vereinigten Staaten und in einem kleinen Exilverlag in Mexiko auch auf Deutsch. Um viele biographische und literarische Details dieser Art wird es gehen, wenn der Roman vom 16. bis 29. April im Mittelpunkt von "Frankfurt liest ein Buch" steht, dem erfolgreichen Lesefest, das in diesem Jahr zum neunten Mal stattfindet. Höchst, Bockenheim, Niederrad, die Riederwaldsiedlung - überall dort, wo Georg Heisler im Roman vorbeikommt, wird gelesen. Die genaue Verortbarkeit der Ereignisse rücke dem Leser das Grauen des Geschehens nahe, sagte Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) bei der Vorstellung des Programms: "Umso wichtiger ist es, dass Frankfurt nicht alleine liest."
Erstmals dehnt das Festival sich in die Region aus. Mainz liest mit, aber auch an anderen Orten der von Seghers geliebten Landschaft rund um Rhein und Vordertaunus gibt es Veranstaltungen. Rund 120 Termine verzeichnet das Programm, von der Eröffnung in der Deutschen Nationalbibliothek, zu der Pierre Radványi erwartet wird, der 92 Jahre alte Sohn der Autorin, bis zur Abschlusslesung mit Gudrun Landgrebe. Dazwischen gibt es Auftritte von Robert Stadlober und Martin Wuttke, Ausstellungen, Exkursionen und die Verfilmung mit Spencer Tracy. Dass es sich um eine Art Heimkehr handelt, führte Constanze Neumann aus, Verlagsleiterin Literatur bei Aufbau, wo das Buch nach dem Krieg erschien und bis heute geführt wird. Sie berichtete von einem Gespräch Radványis mit seiner in Ost-Berlin lebenden Mutter kurz vor ihrem Tod. Um Lachse ging es, von denen man sagt, sie kehrten zum Sterben in den Fluss ihrer Geburt zurück. "Ich würde so gerne ein Lachs sein", sagte Seghers. Nun kommt zumindest das Buch zu Besuch.
FLORIAN BALKE
Das Programm des Festivals findet sich im Internet unter www.frankfurt-liest-ein-buch.de.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
"Frankfurt liest ein Buch": 120 Veranstaltungen zu "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers
Als sie die ersten Pläne für ihr neues Buch macht, irrt Anna Seghers sich nur in der Seitenzahl. 300 Seiten hat sie sich vorgenommen, am Ende werden es mehr. Nicht geirrt hat sie sich in dem, was das Buch ist. "Spannend und bunt und vielfältig" solle es werden, schreibt sie einem Korrespondenzpartner. Das ist sie dann auch geworden, die Geschichte des Häftlings, der 1937 aus einem Konzentrationslager bei Worms flieht und alte Freunde in Mainz und Frankfurt um Hilfe bittet, ehe er den Rhein hinab nach Holland entkommt. Ein Buch, von dem Carl Zuckmayer, wie Seghers ins Exil gezwungen und Mainz, der Heimatstadt der Schriftstellerin, ebenso fest verbunden wie sie, später sagte, es sei das einzige Werk der Exilliteratur, in dem aus der Ferne ein "menschlich glaubhaftes Bild des verfinsterten Deutschland" gelungen sei.
Während sie "Das siebte Kreuz" verfasst, lebt Seghers in Frankreich, versucht, aus Europa zu entkommen, hat kaum Geld, weiß nicht, wie sie ihre Kinder ernähren soll und macht sich Sorgen um die Familie in Deutschland - ihre Mutter wird später deportiert und ermordet. Aber 1942 erscheint "Das siebte Kreuz" überaus erfolgreich auf Englisch in den Vereinigten Staaten und in einem kleinen Exilverlag in Mexiko auch auf Deutsch. Um viele biographische und literarische Details dieser Art wird es gehen, wenn der Roman vom 16. bis 29. April im Mittelpunkt von "Frankfurt liest ein Buch" steht, dem erfolgreichen Lesefest, das in diesem Jahr zum neunten Mal stattfindet. Höchst, Bockenheim, Niederrad, die Riederwaldsiedlung - überall dort, wo Georg Heisler im Roman vorbeikommt, wird gelesen. Die genaue Verortbarkeit der Ereignisse rücke dem Leser das Grauen des Geschehens nahe, sagte Frankfurts Kulturdezernentin Ina Hartwig (SPD) bei der Vorstellung des Programms: "Umso wichtiger ist es, dass Frankfurt nicht alleine liest."
Erstmals dehnt das Festival sich in die Region aus. Mainz liest mit, aber auch an anderen Orten der von Seghers geliebten Landschaft rund um Rhein und Vordertaunus gibt es Veranstaltungen. Rund 120 Termine verzeichnet das Programm, von der Eröffnung in der Deutschen Nationalbibliothek, zu der Pierre Radványi erwartet wird, der 92 Jahre alte Sohn der Autorin, bis zur Abschlusslesung mit Gudrun Landgrebe. Dazwischen gibt es Auftritte von Robert Stadlober und Martin Wuttke, Ausstellungen, Exkursionen und die Verfilmung mit Spencer Tracy. Dass es sich um eine Art Heimkehr handelt, führte Constanze Neumann aus, Verlagsleiterin Literatur bei Aufbau, wo das Buch nach dem Krieg erschien und bis heute geführt wird. Sie berichtete von einem Gespräch Radványis mit seiner in Ost-Berlin lebenden Mutter kurz vor ihrem Tod. Um Lachse ging es, von denen man sagt, sie kehrten zum Sterben in den Fluss ihrer Geburt zurück. "Ich würde so gerne ein Lachs sein", sagte Seghers. Nun kommt zumindest das Buch zu Besuch.
FLORIAN BALKE
Das Programm des Festivals findet sich im Internet unter www.frankfurt-liest-ein-buch.de.
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» "Das siebte Kreuz" ist insofern ein typischer Anna-Seghers-Roman, als er die Geschichte von Alltagsmenschen in extremen politischen Situationen erzählt. « Frankfurter Rundschau 20180414