Für die deutsche Arbeiterbewegung stellte das "Reichsgesetz gegen die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" von 1878 den größten Einschnitt in ihrer noch jungen Geschichte dar. Im gesamten Deutschen Reich war es nun möglich, mit Hilfe dieses "Sozialistengesetzes" gegen die politischen und gewerkschaftlichen Organisationen der Arbeiterbewegung vorzugehen, ihre Presse zu verbieten und ihre Anhänger mit Prozessen zu überziehen. Aber nicht nur Sozialdemokratie und Gewerkschaften wurden zum Ziel der Maßnahmen: auch unpolitische Geselligkeits- und Bildungsvereine, Hilfskassen, letztendlich das gesamte Arbeitervereinswesen, konnten ins Visier staatlicher Organe geraten.Bayern stand in der Forschung zum Sozialistengesetz meist im Abseits des Interesses - zu Unrecht: Der nach Preußen zweitgrößte Bundesstaat besaß ausgeprägte industrielle Schwerpunkte, in deren Umfeld sozialdemokratische und gewerkschaftliche Organisationen etabliert waren. Die staatliche Sozialistenverfolgung hinterließ auch hier ihre Spuren und bedeutete eine wichtige Wegmarke in der Geschichte der bayerischen Sozialdemokratie. Dem trägt die vorliegende Studie zur Anwendung des Sozialistengesetzes in Bayern unter Berücksichtigung der föderalen Strukturen des Kaiserreichs Rechnung. Der Fokus liegt dabei auf der geographisch wie temporär unterschiedlichen Ausführung des Ausnahmegesetzes in der Wittelsbacher Monarchie. Die sozialdemokratische Organisationsgeschichte und die Einordnung in den politischen, ökonomischen und institutionellen Rahmen bilden den Hintergrund. Letztendlich stellt sich auch am Beispiel Bayerns die Frage nach den Gründen des Scheiterns des Sozialistengesetzes, denn gerade in diesen Jahren wuchs die bayerische Sozialdemokratie von einer unbedeutenden Splitterpartei zu einer ernstzunehmenden politischen Größe heran, die ihre ersten Abgeordneten in den deutschen Reichstag entsandte.
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