Die beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts prägten über 56 Jahre hinweg die Schicksale der Menschen in der Osthälfte des Landes. Doch wie groß war der Einfluss der Machthaber wirklich? Konnten die regionalen und lokalen Herrschaftsinstanzen bis in den letzten Winkel des Daseins der Deutschen vordringen?Der Arbeitsplatz war der zentrale Ort im Leben der meisten Menschen. Hier versuchten Betriebs- und Parteileitungen mit Hilfe von pseudogewerkschaftlichen Organisationen nicht nur den Arbeitsprozess, sondern auch Lebensweise und Weltanschauung der Beschäftigten zu beeinflussen.Im Stahl- und Walzwerk Riesa war das nicht anders. Als zentralem Betrieb der Rüstungsmaschinerie des Flick-Konzerns bis 1945 und später als größtem Röhrenproduzenten der DDR kam dem Werk in beiden Diktaturen eine Sonderstellung zu. Mehrere Tausend Arbeiter sollten unter Kontrolle gehalten werden und Leistung bringen.Sebastian Finks Recherchen zeigen jedoch, dass sich die Riesaer Stahlwerker nicht uneingeschränkt von den Machthabern im Betrieb einschüchtern ließen. Sie suchten sich Nischen der Selbstbestimmung und erweiterten angesichts einsetzender Vollbeschäftigung ihren Handlungsspielraum gegenüber beiden Systemen. Dabei wurde aus dem Großbetrieb eine Verhandlungs-Arena, die sich teilweise den übergeordneten Machtinstanzen entziehen konnte. Denn eines stand im Vordergrund: Der Stahl musste fließen.