Produktdetails
- Verlag: Das Neue Berlin / edition ost
- Seitenzahl: 259
- Abmessung: 210mm
- Gewicht: 330g
- ISBN-13: 9783360010216
- ISBN-10: 3360010213
- Artikelnr.: 09011728
- Herstellerkennzeichnung Die Herstellerinformationen sind derzeit nicht verfügbar.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2001Vertrauen ist gut . . .
MFS-ARCHIV. Wenn einstige hauptamtliche oder inoffizielle MfS-Mitarbeiter vom "Stasi-Syndrom" sprechen, meinen sie nicht etwa den krankhaft aufgeblähten Überwachungs- und Repressionsapparat ihrer "Firma" im SED-Staat, sondern ihre Behandlung im wiedervereinigten Deutschland. So sieht das auch der 1997 enttarnte, aus dem Bundesarchiv ausgeschiedene Archivar Matthias Wagner alias IMS (Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit) "Aljechin". Über seine Spitzeltätigkeit im Potsdamer Staatlichen Zentralarchiv der DDR - MfS-Offiziere bezeichnen es als "wissenschaftliches Dach" der Hauptverwaltung Aufklärung - bemerkt Wagner lakonisch, er hätte seine Auskünfte über Dritte "damals auch jedem ins Gesicht sagen können". Er gibt an, seine Akte schon seit 1990 zu kennen. Das leuchtet ein, denn als Parteilosen und vermeintlich Unbelasteten beauftragte man ihn im Februar 1990, Stasi-Akten im MfS-Zentralarchiv zusammenzuführen. Bis Oktober 1990 war Wagner dort amtierender Leiter. Anschließend half er als Grundsatzreferatsleiter beim Aufbau der Gauck-Behörde. Das Angebot, Archivleiter dieser Behörde zu werden, schlug er wohlweislich aus. Im Plauderton, der zwischen Häme, Sarkasmus und Zynismus variiert, schildert Wagner die dienstliche Zusammenarbeit mit Bürgerrechtlern, Archivaren und ehemaligen MfS-Angehörigen. Genüßlich beschreibt er die von ihm mitbeaufsichtigten Stasi-Überprüfungen von Politikern. Peter-Michael Diestel beurteilt er wohlwollend, während er gegen Joachim Gauck in Diestelscher Manier zu Felde zieht. Wagners eigentlicher Groll richtet sich indes gegen die vermeintliche Diskriminierung der MfS-Mitarbeiter, die doch nur Erfüllungsgehilfen der SED gewesen seien. Die einstigen Parteimitglieder hätten sich hingegen opportunistisch anpassen und sogar Karriere im Staatsdienst machen können. Wer vor Wagners Geltungssucht bei der abfälligen Charakterisierung vieler seiner Bezugspersonen nicht zurückschreckt, kann durchaus von seinen Detailkenntnissen profitieren. Man erfährt bisher Unbekanntes über die Wirren des Umbruchs in der DDR-Archivlandschaft, besonders im MfS-Archiv. (Matthias Wagner: Das Stasi-Syndrom. edition ost im Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2001. 198 Seiten, 24,90 Mark.)
GUNTER HOLZWEISSIG
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
MFS-ARCHIV. Wenn einstige hauptamtliche oder inoffizielle MfS-Mitarbeiter vom "Stasi-Syndrom" sprechen, meinen sie nicht etwa den krankhaft aufgeblähten Überwachungs- und Repressionsapparat ihrer "Firma" im SED-Staat, sondern ihre Behandlung im wiedervereinigten Deutschland. So sieht das auch der 1997 enttarnte, aus dem Bundesarchiv ausgeschiedene Archivar Matthias Wagner alias IMS (Inoffizieller Mitarbeiter Sicherheit) "Aljechin". Über seine Spitzeltätigkeit im Potsdamer Staatlichen Zentralarchiv der DDR - MfS-Offiziere bezeichnen es als "wissenschaftliches Dach" der Hauptverwaltung Aufklärung - bemerkt Wagner lakonisch, er hätte seine Auskünfte über Dritte "damals auch jedem ins Gesicht sagen können". Er gibt an, seine Akte schon seit 1990 zu kennen. Das leuchtet ein, denn als Parteilosen und vermeintlich Unbelasteten beauftragte man ihn im Februar 1990, Stasi-Akten im MfS-Zentralarchiv zusammenzuführen. Bis Oktober 1990 war Wagner dort amtierender Leiter. Anschließend half er als Grundsatzreferatsleiter beim Aufbau der Gauck-Behörde. Das Angebot, Archivleiter dieser Behörde zu werden, schlug er wohlweislich aus. Im Plauderton, der zwischen Häme, Sarkasmus und Zynismus variiert, schildert Wagner die dienstliche Zusammenarbeit mit Bürgerrechtlern, Archivaren und ehemaligen MfS-Angehörigen. Genüßlich beschreibt er die von ihm mitbeaufsichtigten Stasi-Überprüfungen von Politikern. Peter-Michael Diestel beurteilt er wohlwollend, während er gegen Joachim Gauck in Diestelscher Manier zu Felde zieht. Wagners eigentlicher Groll richtet sich indes gegen die vermeintliche Diskriminierung der MfS-Mitarbeiter, die doch nur Erfüllungsgehilfen der SED gewesen seien. Die einstigen Parteimitglieder hätten sich hingegen opportunistisch anpassen und sogar Karriere im Staatsdienst machen können. Wer vor Wagners Geltungssucht bei der abfälligen Charakterisierung vieler seiner Bezugspersonen nicht zurückschreckt, kann durchaus von seinen Detailkenntnissen profitieren. Man erfährt bisher Unbekanntes über die Wirren des Umbruchs in der DDR-Archivlandschaft, besonders im MfS-Archiv. (Matthias Wagner: Das Stasi-Syndrom. edition ost im Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2001. 198 Seiten, 24,90 Mark.)
GUNTER HOLZWEISSIG
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Gunter Holzweißig stellt zunächst einmal klar, dass der Autor unter dem 'Stasi-Syndrom' keineswegs den Überwachungsapparat der DDR versteht, sondern den Umgang mit der Stasi im wiedervereinigten Deutschland. Der Rezensent erinnert daran, dass der Autor 1997 als Stasi-Mitarbeiter enttarnt worden ist, bis 1990 im MfS-Zentralarchiv als amtierender Leiter beschäftigt und später beim Aufbau der Gauck-Behörde beteiligt war. Die daraus resultierenden Detailkenntnisse seien - zumindest für dieses Buch - ein Vorteil, da der Leser dadurch "bisher Unbekanntes" über die DDR-Archive bzw. das MfS-Archiv erfahre. Über den "Plauderton, der zwischen Häme, Sarkasmus und Zynismus variiert", müsse der Leser dabei allerdings hinwegsehen. Ebenso über die "Geltungssucht" sowie den "Groll" des Autors, der MfS-Mitarbeiter zu Unrecht diskriminiert sieht.
© Perlentaucher Medien GmbH
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