Arno Schmidt war mit seinem Roman Das Steinerne Herz noch vor Uwe Johnson der erste Schriftsteller überhaupt, der das gespaltene Deutschland literarisch zum Thema gemacht hat. Obwohl die Geschichte um die Machenschaften eines Büchersammlers bereits in einer sexuell, politisch und religiös entschärften Fassung publiziert wurde, rief die deutsche Literaturkritik voller Entsetzten aus: »Gott schütze die deutsche Literatur!« Im Rahmen der Bargfelder Ausgabe liegt einer der unterhaltsamsten und sprachmächtigsten Romane der Nachkriegsliteratur erstmals in der unzensierten Fassung vor.
Die beiden Capriccios Tina (1956) und Goethe (1957) - hinreißende Stücke, in denen man durch eine Litfaßsäule in Darmstadt direkt in ein unterirdisches Elysium keineswegs toter Dichter gelangt oder von einem nächtlichen Besuch Goethes beim Kollegen Schmidt erfährt - nannte Arno Schmidt »Satyrstücke leerer Stunden, wenn mich der ganze Betrieb (...), ob hiesiges Literatengewäsch, ob Großstadtgetue, wieder einmal so sehr anstinken, dass ich mir nicht anders zu helfen weiß.«
Im Spiel mit Elementen des Science-Fiction-Romans, gibt Schmidt in Die Gelehrtenrepublik (1957), einer düsteren Utopie, das Bild einer atomar verseuchten Erde, die von liebeshungrigen Zentaurenweibchen und Mörderspinnen bevölkert wird.
Die beiden Capriccios Tina (1956) und Goethe (1957) - hinreißende Stücke, in denen man durch eine Litfaßsäule in Darmstadt direkt in ein unterirdisches Elysium keineswegs toter Dichter gelangt oder von einem nächtlichen Besuch Goethes beim Kollegen Schmidt erfährt - nannte Arno Schmidt »Satyrstücke leerer Stunden, wenn mich der ganze Betrieb (...), ob hiesiges Literatengewäsch, ob Großstadtgetue, wieder einmal so sehr anstinken, dass ich mir nicht anders zu helfen weiß.«
Im Spiel mit Elementen des Science-Fiction-Romans, gibt Schmidt in Die Gelehrtenrepublik (1957), einer düsteren Utopie, das Bild einer atomar verseuchten Erde, die von liebeshungrigen Zentaurenweibchen und Mörderspinnen bevölkert wird.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.07.2002Herz, noch immer nicht versteinert
In den fünfziger Jahren wurden nicht nur Nierentische produziert: Rückblick auf Arno Schmidts „Das steinerne Herz”, das jetzt in einer Neuausgabe vorliegt / Von Hans Wollschläger
Was eigentlich bedeutet „historisch”? Heißt es wirklich nur das, was die Tages- und Minutenpolitiker meinen, wenn sie das Wort für ihre paar knallenden Augenblicke in Anspruch nehmen? Ist es mehr, ist es weniger? Das wahrhaft Unvergess- und Unvergängliche? Oder, weit darunter, bloß das Gediegene, Klassische? Oder der gepeitschte Quark von gestern, Marke Wegdamit? Dem Epochenbestimmenden, Endgültigen scheint, je länger man „Geschichte” betrachtet, als Hohlbild doch immer das abgehakt Erledigte gefährlich nah zur Seite zu stehen, das Nicht-mehr-wahr und Widerwirklich –: wenn das für die Events schon meistens gilt, droht’s nicht auch den Ereignissen dann manchmal?
Wenn ein Buch nach langer Zeit wieder vorgelegt wird, heißt das ja gar nicht unbedingt, dass es Geschick zur Neu-Erscheinung hätte, leider –: wie Menschen kommen auch die altgewordenen Letternwesen oft schrecklich grau aus den verstrichenen Jahren wieder auf uns zu, und im Gedächtnis waren sie günstiger aufgehoben als im Gegenüber. Es dürfte nicht wenige Leser geben, die Bücher gerade aus den 50er Jahren nur beklommen wiederkehren sähen: sie haben, diese Jahre, diese Bücher Epochenstaub und Veraltung angesetzt wie kaum andere, und es gab immer merkwürdig viele, wie auch verschiedene, Gründe, sie auf sich beruhen zu lassen. Ja, es stünde ganz schlecht um sie – wenn es nicht dieses eine Werk gäbe, das einst so grell aus ihrer Reihe tanzte und deren Ruhe-Standpunkte störte: den Unruhe-Stifter par excellence, der noch heute das Zeitgenössische aufrührt wie eh und je.
Und der dabei – das gehört dazu und muss gleich eingeschaltet werden – auch wieder zu erinnern gibt, wie ganz seltsam hochgemut und aufbruchs-agil die Jahre im Grunde waren, die ihn nur unter Anderen führten. Nie wurde, kurz gesagt, seither so waghalsig wieder Neue Musik gemacht, nie literarisch wieder so unternehmend nach Auswegen aus der Nullstunde gesucht. Auch wenn man heute viele der damaligen Formversuche in der bloßen Kapriole gelandet und verendet sehen muss, in Krampf und modernistischem Kitsch, der Sinn für Form war fraglos höher entwickelt als in allem, was heute zu Papier kommt, und die Erinnerung daran, dass damals nicht nur Nierentische produziert wurden, sollte gelegentlich riskiert werden. Man kann auch durchaus in vielen der halsbrecherisch sich versteigenden Kletterakte die Fluchtbewegung erkennen, das dynamische Äquivalent der Tatenverdrängung, und trotzdem ihre kreativen Ermöglichungen würdigen –: sie waren, jene Jahre, eben nicht nur in der Wirtschafterei eine Wunderzeit, und ihre Selbst-Kritik bleibt doppelt wichtig zu betrachten.
Arno Schmidt, ihr fraglos kräftigster Selbstkritiker, ist nun längst ein Klassiker des vorigen Jahrhunderts geworden und provoziert seinerseits bei der Kritik keine Façon-Katastrophen mehr wie ehedem; sein Rang steht einigermaßen fest, auch wenn der wirkliche Abstand zu seinen Zeitgenossen noch nicht ausdefiniert ist. Er ist auch werk-präsent wie kaum von ihnen einer: Nach zwanzig Jahren bei Haffmans kommen die Editionen der Arno-Schmidt- Stiftung nun bei Suhrkamp, und ihr Pilot ist, als Band der „Bibliothek”, der provokanteste der frühen Romane: „Das steinerne Herz”. Wie nimmt er sich da aus? Provoziert er noch immer auch im klassischen Gewand? Haben die Vielen, die seinerzeit versäumten, aus dem Staunen nicht herauszukommen, noch einmal wieder eine Chance? Nicht ganz, aber doch fast ein Halbjahrhundert sind Entstehung und Ersterscheinen mittlerweile her: ein historisch gewordener Roman also, dieser „historische Roman aus dem Jahre 1954”: – das „nach Christi” riskierte der Erstverleger Krawehl damals nicht, weil er der Versteinerung, die der Titel fast programmatisch berief, etwas anheimfallen fühlte, was eben seit fünf erfolgreichen Jahren als Platzgarant der Gemütsruhe etabliert war –: wie nimmt er sich aus?
Es wäre bodenlos zu behaupten, dass ein Halbjahrhundert einem Buch nichts anhaben könnte. Vor allem jene Darstellungsmittel, die selbst damals als „avantgardistisch” auffallen mussten, die noch einmal aufgegriffenen des Expressionismus, sind am ehesten vorübergegangen, wie sie es im Grunde auch damals schon waren, – es sei denn, man wollte im manieristisch gewaltsamen Griff nach dem Ausdruck den Unterdruck des Verdrängten selber erkennen, das Wahrzeichen der Epoche, das darin zur stilistischen Figur wird. Aber ganz merkwürdig unveraltet wirkt gerade das, was von der Epoche der Zeitfortgang am ehesten getroffen haben müsste, nämlich das Tagesfaktische, ,Aktuelle‘: man erblickt es als jene Wiederkehr des Gleichen, die der Inbegriff des „Historischen” selber ist und ihm ein Stück seiner Dauer-Bedeutung verschafft hat, und man erschrickt nachträglich so, wie man damals zu erschrecken versäumte.
Ein Zeit-Roman, ein realistischer wahrhaftig, und sieht man heute genau hin, so hat man’s nicht mehr weit zu dem Urteil, dass es eigentlich einen präziseren, genaueren für die Epoche überhaupt nicht gegeben hat: Wer denn neben ihm hätte „die Nessel Wirklichkeit” mit auch nur ähnlich rücksichtsloser, um eigene Schmerzen unbesorgter Hand gepackt? Man kann die einfache Probe aufs Exempel machen und sich ankreuzen, was alles für heutige Leser – und für Jung-Leser mit ihrem zerpoppten Geschichtsbewusstsein allemal – ein Stellenkommentar bereits zu erläutern hätte: er wäre in Gefahr, zur Karikatur des Begriffs überhaupt zu werden. Goethes großartige Redensart vom „Bedeutend-Allgemeinen”, die Schmidt abstoßend war wie faszinierend zugleich, hat hier keine Chance: das bedeutend Besondere, ganz Spezielle ist’s, was die Zeit abzeichnet und in der Gegenwärtigkeit festhält. Warenmarken, Reklamekram, Schlager, die Ladenpreise, die Abfahrzeiten von Zügen –: der im Detail wohnende Teufel wird wahrlich machtvoll beschworen und steht dem Protagonisten zu Diensten für sein kunstvolles Raisonnement.
„Ein Eckchen Leben” sei die Kunst, sagte der Realist Zola, „gesehen durch ein Naturell – vu au travers d’un tempérament”; hier heißt es Walter Eggers. Einer, der den Krieg erlebt und überlebt hat und der grad eben Restauration und Wiederbewaffnung wiedererlebt: ein beschädigter, insuffizient gewordener Charakter –: heißt er auch Arno Schmidt? Nie zuvor jedenfalls hat sein Autor sich derart der Gefahr ausgesetzt, als Ich mit einer entworfenen Ich-Figur verwechselt zu werden. Das ist er ja tatsächlich, der eingefleischte Positivist, der Liebhaber der Statistik und der Staatshandbücher, der Verehrer Jansens, Ringklibs: – ließe sich eine bessere Verkörperung der Herzerstarrung denken als diese aberwitzige Figur? Die gepriesene „Sein=setzende Kraft von Namen, Zahlen, Daten”... später, nach der praktischen Erprobung in der Fouqué-Biographie und im Rückblick auf sie, glaubte Schmidt selber an diese These nicht mehr mit der einstigen Ausschließlichkeit. Aber irgendwann hat er die Staatshandbücher tatsächlich wohl in die Hand genommen wie seine Antipoden das Evangelium; als Namensquelle dienten sie ihm bis zuletzt. Der Zahlenfetischist Eggers ist eine Menschenkarikatur, ja, doch nie ohne die Erbmerkmale dessen, der ihn gezeugt und nach seinem Bilde geschaffen hatte: als Selbstbildnis der ruinierten Menschlichkeit selber; nur als Defekt und Rest noch war deren Darstellung möglich.
Eggers, ein zum totalen Charakter isolierter Charakterzug Schmidts, pflanzt ein Erzittern fort, das außerhalb seiner Isolation stattfindet, in einer unsichtbar bleibenden Vorgeschichte: für sie steht das historische „Sein”, das er von den endlosen Zeichen- und Ziffernkolonnen gesetzt sieht, auch wenn es keine Gestalten mehr annimmt wie im „Faun”. Kommen Gefühle zum Ausdruck, sprechen sie Defizite aus, beschädigt wie das Aussprechen selber im Dialekt. Erst jenseits der Hier-und-Jetzt-Momente, wo das bisschen „Leben”, coin de la vie, auf einen Namen und zwei Eckdaten abbreviiert ankommt, entfaltet sich’s dem Mit-Gefühl zur Fülle. Für Eggers sind die Staatshandbücher so „das Lebenswerteste” – und das einzig Liebenswerte ohnehin; wenn er eine Menschin wirklich „liebt”, dann eher noch die Prinzessin von Ahlden als seine Frieda, mag die auch immer vom Gott der Zahlen abstammen. Die Enkelin Jansens macht Jansen selbst lebendig; das Staatshandbuch ist der Extrakt nicht nur des vergangenen Lebens, sondern auch der vergangenen Literatur: das Buch der Bücher schlechthin (als das ein anderes Ich des Autors sonst nur die Encyclopaedia Britannica gelten ließ).
Ist „Das steinerne Herz” ein Staatshandbuch selbst, so alles, was darin geschieht, bereits erstarrte Geschichte, betrachtet auf dem Weg ins Futurum exactum. Das belädt alle Figurationen mit einer Symbolik, die aus dem Realismus die Vergänglichkeit wiederum streicht: Wenn Eggers Ahlden betritt, das Kaff an der Aller, zieht sich ganz Deutschland zum Dorf zusammen, und er selber tritt sein eigentliches Amt an als Vikar des Beschädigten Lebens. So groß ist der ästhetische Widerstand, den er dieser Beladenheit entgegenstemmt, dass er ihrer manchmal nur gewachsen ist, indem er sie durch Gesten des bloßen Nörgelns oder der Selbstparodie entkräftet: bei der geodätischen Unverlässlichkeit der Kirchtürme als Atheismus-Begründung etwa oder der Ärmlichkeit des Ostens, der sich aus Menschenmangel nicht einmal Straßenverkehrsopfer leisten kann. Man erträgt die Tragfähigkeit alias Omnipotenz dieses „Ich” nur, wenn man sich bedingungslos mit ihm identifiziert: ein alter Prozess aus der Ödipus-Ära. Es ist in diesem Buch schwieriger als bei seinen Vorgängern; aber wenn es gelingt, erkennt man auf einmal auch: das steinerne Herz mit seinen Zahlen ist nur eine Camouflage des anderen aus Fleisch und Blut, das außerhalb des Textes immer mitgeredet hat und weiter mitredet in den Längeren Gedankenspielen seiner – so ein paar Jahre zuvor in „Brand’s Haide” benannt – „kurzen Erzählungen; früher süß, jetzt rabiat”.
Zu rabiat, fand Ernst Krawehl, der immerhin tapfere, immerhin aber auch durch die Gotteslästerungsanzeige vorsichtig gestimmte erste Verleger, und kultivierte Rezensenten wie Karl Korn und Max Rychner brachte der Text derart aus aller Fassung, dass ihnen die ganze kritische Kinderstube abhanden kam. Man muss sich noch einmal vorstellen, was ein Autor – auch ohne das senkrechte Bewusstsein, ein erhebliches Buch geschrieben zu haben – zu fühlen bekommt, wenn er seinem Ich darin „anarchische Verwilderung” und „die feixend triumphierende Haltung eines Halbstarken” attestiert sieht, seine Sprache als „Jargon mit frech erfundenen neuen Worten, vulgär bis zum Exzess” und sein erhebliches Buch als „schmierige Piefkewelt” bezeichnet findet: „Er schwimmt im trübsten Schmutzwasser, beständig rührt er sexuellen Schlamm auf.” Und dabei war er doch noch sacht gewesen, oder? Krawehl, der sich nicht nur vor dem bisschen Schamhaar und Schamlippe fürchtete und vor dem Wörtchen „nackt” ganz generell, scheute auch die nackten Tatsachen der Politik und die dagegen geballten Wörterfäuste seines Autors; er zwang ihn zu weiteren Streichungen. Es ging dabei lediglich um „unseren herrlichen eisernen Bundeskanzler” und seine Konsorten und um die dauerhafte Wiederkehr des Gleichen, und wer lernen will, wie albern alle Geschichte zuletzt ist, der sehe sich an, worum da einmal gelitten wurde in dem Streit zwischen Autor und Verleger, wofür ein Herz blutete, wessentwegen ein Nervensystem zu zappeln und ein Kopf zu schmerzen begann –: es ist alles sehr eitel.
Muss man sich nicht fast Mühe geben, um die Empörungen von ehemals überhaupt in sich wiederzufinden –: sind sie nicht wiederum „historisch” längst? Braucht man die geschichtliche Voraussetzung, selber noch ein Eckchen vom Krieg miterlebt zu haben, um das Wiederanstimmen des Alten Lieds so ekelhaft schrill zu finden, wie es war, um den Calton Creek noch einmal an der Quelle zu erblicken und auf den Grund des Wunsches nach dem steinernen Herzen zu kommen: das Semper-idem der Geschichte? Aber nicht die damals eingefädelten Va-banque-Spiele verschaffen ihrem Spiegelbildner den Rang des Historiographen. Und dass man in Ahlden sich nicht nur das Schicksal der Prinzessin (der die immer mitfühlende Liebe des Autors galt) vergegenwärtigen, sondern – wie’s Leser (deren immer mitfühlende Liebe dem Autor gilt) auch nach wie vor begierig tun – dem halben Roman nachgehen kann, bis hin zum Thumann-Haus Nr. 31, macht ihn noch nicht realistisch. Das Wirkliche darin, die eigentliche Lebens-Geschichte, ist das, was er mit all diesen Materien verbirgt. Sie verweisen, die teuflischen Details, mit sonderbar zentrifugaler Kraft über sich hinaus, und selbst der Betrachter Eggers, der sie mit seiner totalitären Subjektivität überflutet, will in seiner eigentlichen Gestalt außerhalb gefunden sein. Ihr Glanz ist es, die den rabiaten Text immer wieder fadenscheinig werden lässt; von ihr, einer geradezu metaphysischen Ebenbildlichkeit, kommt die Stimme, die ihn so oft befremdend umschlagen lässt in Bußpredigt und Appell.
Arno Schmidt hat seinen Zeitgenossen die Möglichkeit, vielstimmig im Chor mit seiner Frau zu bezeugen, dass er „der feinfühligste und überanständigste Mensch war, den man sich nur denken konnte”, durch seine steinern durchgehaltene Lebens-Isolation vereitelt. Leser sind, waren immer, auf die von ihm handelnden Bücher angewiesen, um die Bi-Zonen seines Ichs zu erkennen und im auftrumpfend Rabiaten die Expression von Schmerz. In diesem Buch besonders, das explizit die Versteinerung des leidenden Sensoriums betreibt. Es geht um das Herz, das schon auf der zweiten Seite „erweitert” ist, krank –: „’n steinernes müßte man haben – wie beim Hauff”, stellt Eggers fest und gibt zu begreifen, dass das fait accompli des Titels aus einem Optativ kommt, nicht dem Indikativ; es ist noch nicht erreicht, wird darin angezeigt, und es wird auch am Schluss nicht erreicht sein. Das ganze Buch ist der Versuch, sein Feinfühligstes-Allzufeinfühligstes zu petrifizieren, nachdem ihm, eingesperrt ins Semper-idem des Historischen, die Flucht vereitelt ist und versagt. Dass sich das rabiate Buch mit seinem erklärten Zweck selber betrügt, dass es eine Tragödie ist im kältesten Moment wie im komödiantischen Akimbo, das zu erkennen wird der Leser unablässig beschworen: Selbstbetrug war das Gegenbild der vielen betrügerischen Details, die dem Kritiker Rychner auffielen.
Wird das tragische Ich sichtbar, so bekommt auch das Zerstörerische seiner Aufführung ein anderes Gesicht: ihr Gegenbild ist die Selbstzerstörung. Das bleibt nun ein offenes Generalthema dieses Autors, der mit Alkohol, Kaffee und Schlaftabletten im Verein gegen seine Leiblichkeit wütete – als gegen das, was ihn festhielt in der Gemeinschaft mit der historischen Welt. Die offene Aggressivität richtet sich gegen deren Ganzes als den Feind; sie richtet sich so, aus den komponierten Eigenschaften des Protagonisten ausfahrend, auch gegen die Komposition selbst. Es geht schließlich, immer stellvertretend, gegen die Literatur schlechthin, deren metaphysischer Glanz im Hier-und-Jetzt um seinen Ort gekommen ist. Die erzählte Geschichte demoliert Form und Geschichte des Erzählens und setzt zugleich ein neues Paradigma von Form, durch das den Trümmern endgültig die Wiederaufbaufähigkeit genommen wird –: die Ablehnung der Kritik reagierte auf den eben darin angetretenen Beweis, dass die Literatur nicht unbeschädigt aus dem Krieg hervorgegangen war. Sie hätte, die erzählte Geschichte, wohl jeder erfinden können; sie so schreiben können, wie sie jetzt geschrieben steht, hätte wahrlich nicht jeder. Langsam und systematisch wird sie in die Kolportage getrieben, und alle ihre Elemente folgen ihr in diese Bestimmung, die ihre Historizität besiegelt: ins Banale, Verbrauchte, Abgetane.
Und je mehr der Roman obenhin zu reden scheint, desto schichtenreicher, intrikater doppelbödig zeigt sich seine Struktur. Sie fängt mit ihrer Tiefen- Organisation auf, was sie an der Oberfläche dem Zerfall überantwortet. Die Destruktivität des Textes ist Mittelpunkt der Konstruktion und steht, gerade wo sie die überkommene Ästhetik selber anzutasten scheint, in deren Dienst. Ihr gelingen dann Zugriffe aufs Geschichtliche, wie sie „packender” nicht sein könnten. Der Kunstgehalt des Buches ist, gerade wo er sich auf den Schienen schlüpfrig salopper Alltags-Aleatorik davon zu entfernen, ja ihn aufzukündigen scheint, enorm – und dabei im scheinbar frechlings Destruktiven von fast penibler Traditionsgebundenheit: Das lebenslang wiederholte ruppige Verdikt gegen Goethes Prosa („gravitätische Stümperei... keine Kunstform, sondern eine Rumpelkiste”) wird geradezu an einem Gegenstück demonstriert – wie denn Schmidts Bücher allesamt ihre Korrespondenzpartner in der Literaturgeschichte haben; sie halten sich am Historischen fest wie Joyce an Homer. Hier ist es die Chemie der „Wahlverwandtschaften”, auf deren thematische Konstellationen die Elemente der Erzählung paraphrastisch wie parodistisch reagieren; sie bestimmt den Alltag von 1954 wie diejenige Homers den von 1904. Dass dieser Prozess gleichsam dauernd im Fluss bleibt, seine Bezüglichkeiten wechselt, schafft nicht nur das Klima des Experimentellen –: nichts ist mehr gesetzmäßig sicher, die ästhetische Ordnung erschüttert wie die sittliche. Der Hitlersche Krieg hat – wie im Vor-Bild der napoleonische – die Reihen auch der Werte gelichtet: nur noch Spielgeld des Autors und Demiurgen, werden sie selber ins bloß Materielle umgetauscht wie das Medaillen- Altgold in die Deutsche Mark.
Man kann noch heute völlig außer sich geraten beim Anblick all der Kunststücke, obwohl sie doch längst so alt sind wie Adenauer –: liegt’s daran, dass auch von ihnen so gar keiner gelernt hat? Sie sind das Eigentliche, die bleibend aktuelle Widerrede gegen das Historische, und der Prosa-Theoretiker Schmidt, der immer von den Stoffen auf die „größere Wahrheit” hinwies, hat selber darauf bestanden, „daß das Problem der heutigen und künftigen Prosa nicht der ,feinsinnige‘ Inhalt ist – der psychologischen Pünktchenmuster und anderen intim-kleinen textilen Varianten werden wir immer genug besitzen – sondern die längst fällige systematische Entwicklung der äußeren Form.” Die seine führt immer noch die Garde an. Sein Formsinn war tatsächlich ohnegleichen: kein Schreibwerk der so formsinnigen Nachkriegszeit war derart durchdeterminiert in allen seinen Elementen. In Joyce begegnete er seinem Ideal: – er wehrte sich zuerst gegen dessen Suprematie, unterwarf sich ihr dann – und gewann später, kein geringes Kunststück, der Wake-Technik noch den Platz für eine bedeutende Variante ab, um selber mit in die Trinität der obersten Moderne zu kommen, in die Joyce den verspätet entdeckten Carroll aufgenommen hatte: Dodgefather, Dodgeson & Coo...
„Was kommt danach?” Die banale Geschichte am Ende, die jeder so hätte erfinden können und keiner so schreiben, – wie geht sie nun aus? Als Gegenstück zur „Geheimratsprosa” untragisch, mit lieto fine „wie beim Hauff”. Das ist der ingrimmige Tribut an die Kolportage noch einmal und als letzter artistischer Trick, diesmal versöhnend, noch einmal der Selbstbetrug: das vom Autor düpierte Ich nimmt den Leser bei der Hand, um ihn behutsam vollends hinter das Licht zu führen. Aber in dem nun koordinierten Figurenquartett liegt der emotionale Sprengstoff schon zündfertig, und die nächstfällige Verwandtschaftswahl zeichnet sich ab. Um seine zarte Line bei ihrem Karl-Kerl zu lassen, müsste der Autor sein Ego Eggers wirklich in Stein verwandeln; es kann ihm so wenig gelingen wie dies. Schmidt hat die sehr feine Person, die sein wirkliches Herz besaß, denn auch nicht in seinem rabiaten Roman stehen lassen, sondern an der Hand durch fast alle seine weiteren Bücher geführt; spät heißt sie „Nipperchen”. Spät heißt sie dann auch direkt in einem Wort, was sie ist und immer war: „Meine Herzbestimmte”, und in jener nicht mehr geschriebenen Szene, in der alle Figuren seiner Bücher zum Stelldichein zusammentreten sollten, hätten die beiden Mädchen nebeneinander gestanden, ebenbildliche Zeugen gegen die Maske des Steinernen Herzens.
Von der zweiten deutschen Jahrhunderthälfte wird wenig Literatur „übrig” bleiben, von Arno Schmidt das Meiste und sicher dieser historische Roman. Vielleicht heißt sie insgesamt nach ihm – so wie die erste nach Thomas Mann heißt, dessen Souveränität er als der „deutsche Frechdachs” noch beunruhigte: seine, des Autors, Geschichte wäre dann zuletzt das eigentlich Historische im Text vom versteinernden Herzen, das zu Stein nicht wurde. Er hielt selber viel von dem Buch, mehr als von dessen Vorgängern, an denen ihm das verdächtig wurde, was er „Feinsinn” nannte; er hielt’s in aller Ruhe für epochemachend, ein Ereignis. Diese Ansicht, die richtige, teilten nur wenige. Aber sie dürfte noch unabsehbar lange von den Wenigen geteilt werden.
ARNO SCHMIDT: Das steinerne Herz. Historischer Roman aus dem Jahre 1954 nach Christi. Mit einem Nachwort von Georg Klein. Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002. 256 Seiten, 15,80 Euro.
Hans Wollschläger ist Schriftsteller, Übersetzer und Musikwissenschaftler. Im Wallstein Verlag wurde jetzt „Tiere sehen dich an” neu aufgelegt.
Arno und Alice Schmidt am Bahnsteig in Ahlden, dem Schauplatz des „Steinernen Herzens”
Foto: Arno Schmidt Stiftung
Arno Schmidt mit drei Katzen
Foto: Arno Schmidt
Stiftung
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In den fünfziger Jahren wurden nicht nur Nierentische produziert: Rückblick auf Arno Schmidts „Das steinerne Herz”, das jetzt in einer Neuausgabe vorliegt / Von Hans Wollschläger
Was eigentlich bedeutet „historisch”? Heißt es wirklich nur das, was die Tages- und Minutenpolitiker meinen, wenn sie das Wort für ihre paar knallenden Augenblicke in Anspruch nehmen? Ist es mehr, ist es weniger? Das wahrhaft Unvergess- und Unvergängliche? Oder, weit darunter, bloß das Gediegene, Klassische? Oder der gepeitschte Quark von gestern, Marke Wegdamit? Dem Epochenbestimmenden, Endgültigen scheint, je länger man „Geschichte” betrachtet, als Hohlbild doch immer das abgehakt Erledigte gefährlich nah zur Seite zu stehen, das Nicht-mehr-wahr und Widerwirklich –: wenn das für die Events schon meistens gilt, droht’s nicht auch den Ereignissen dann manchmal?
Wenn ein Buch nach langer Zeit wieder vorgelegt wird, heißt das ja gar nicht unbedingt, dass es Geschick zur Neu-Erscheinung hätte, leider –: wie Menschen kommen auch die altgewordenen Letternwesen oft schrecklich grau aus den verstrichenen Jahren wieder auf uns zu, und im Gedächtnis waren sie günstiger aufgehoben als im Gegenüber. Es dürfte nicht wenige Leser geben, die Bücher gerade aus den 50er Jahren nur beklommen wiederkehren sähen: sie haben, diese Jahre, diese Bücher Epochenstaub und Veraltung angesetzt wie kaum andere, und es gab immer merkwürdig viele, wie auch verschiedene, Gründe, sie auf sich beruhen zu lassen. Ja, es stünde ganz schlecht um sie – wenn es nicht dieses eine Werk gäbe, das einst so grell aus ihrer Reihe tanzte und deren Ruhe-Standpunkte störte: den Unruhe-Stifter par excellence, der noch heute das Zeitgenössische aufrührt wie eh und je.
Und der dabei – das gehört dazu und muss gleich eingeschaltet werden – auch wieder zu erinnern gibt, wie ganz seltsam hochgemut und aufbruchs-agil die Jahre im Grunde waren, die ihn nur unter Anderen führten. Nie wurde, kurz gesagt, seither so waghalsig wieder Neue Musik gemacht, nie literarisch wieder so unternehmend nach Auswegen aus der Nullstunde gesucht. Auch wenn man heute viele der damaligen Formversuche in der bloßen Kapriole gelandet und verendet sehen muss, in Krampf und modernistischem Kitsch, der Sinn für Form war fraglos höher entwickelt als in allem, was heute zu Papier kommt, und die Erinnerung daran, dass damals nicht nur Nierentische produziert wurden, sollte gelegentlich riskiert werden. Man kann auch durchaus in vielen der halsbrecherisch sich versteigenden Kletterakte die Fluchtbewegung erkennen, das dynamische Äquivalent der Tatenverdrängung, und trotzdem ihre kreativen Ermöglichungen würdigen –: sie waren, jene Jahre, eben nicht nur in der Wirtschafterei eine Wunderzeit, und ihre Selbst-Kritik bleibt doppelt wichtig zu betrachten.
Arno Schmidt, ihr fraglos kräftigster Selbstkritiker, ist nun längst ein Klassiker des vorigen Jahrhunderts geworden und provoziert seinerseits bei der Kritik keine Façon-Katastrophen mehr wie ehedem; sein Rang steht einigermaßen fest, auch wenn der wirkliche Abstand zu seinen Zeitgenossen noch nicht ausdefiniert ist. Er ist auch werk-präsent wie kaum von ihnen einer: Nach zwanzig Jahren bei Haffmans kommen die Editionen der Arno-Schmidt- Stiftung nun bei Suhrkamp, und ihr Pilot ist, als Band der „Bibliothek”, der provokanteste der frühen Romane: „Das steinerne Herz”. Wie nimmt er sich da aus? Provoziert er noch immer auch im klassischen Gewand? Haben die Vielen, die seinerzeit versäumten, aus dem Staunen nicht herauszukommen, noch einmal wieder eine Chance? Nicht ganz, aber doch fast ein Halbjahrhundert sind Entstehung und Ersterscheinen mittlerweile her: ein historisch gewordener Roman also, dieser „historische Roman aus dem Jahre 1954”: – das „nach Christi” riskierte der Erstverleger Krawehl damals nicht, weil er der Versteinerung, die der Titel fast programmatisch berief, etwas anheimfallen fühlte, was eben seit fünf erfolgreichen Jahren als Platzgarant der Gemütsruhe etabliert war –: wie nimmt er sich aus?
Es wäre bodenlos zu behaupten, dass ein Halbjahrhundert einem Buch nichts anhaben könnte. Vor allem jene Darstellungsmittel, die selbst damals als „avantgardistisch” auffallen mussten, die noch einmal aufgegriffenen des Expressionismus, sind am ehesten vorübergegangen, wie sie es im Grunde auch damals schon waren, – es sei denn, man wollte im manieristisch gewaltsamen Griff nach dem Ausdruck den Unterdruck des Verdrängten selber erkennen, das Wahrzeichen der Epoche, das darin zur stilistischen Figur wird. Aber ganz merkwürdig unveraltet wirkt gerade das, was von der Epoche der Zeitfortgang am ehesten getroffen haben müsste, nämlich das Tagesfaktische, ,Aktuelle‘: man erblickt es als jene Wiederkehr des Gleichen, die der Inbegriff des „Historischen” selber ist und ihm ein Stück seiner Dauer-Bedeutung verschafft hat, und man erschrickt nachträglich so, wie man damals zu erschrecken versäumte.
Ein Zeit-Roman, ein realistischer wahrhaftig, und sieht man heute genau hin, so hat man’s nicht mehr weit zu dem Urteil, dass es eigentlich einen präziseren, genaueren für die Epoche überhaupt nicht gegeben hat: Wer denn neben ihm hätte „die Nessel Wirklichkeit” mit auch nur ähnlich rücksichtsloser, um eigene Schmerzen unbesorgter Hand gepackt? Man kann die einfache Probe aufs Exempel machen und sich ankreuzen, was alles für heutige Leser – und für Jung-Leser mit ihrem zerpoppten Geschichtsbewusstsein allemal – ein Stellenkommentar bereits zu erläutern hätte: er wäre in Gefahr, zur Karikatur des Begriffs überhaupt zu werden. Goethes großartige Redensart vom „Bedeutend-Allgemeinen”, die Schmidt abstoßend war wie faszinierend zugleich, hat hier keine Chance: das bedeutend Besondere, ganz Spezielle ist’s, was die Zeit abzeichnet und in der Gegenwärtigkeit festhält. Warenmarken, Reklamekram, Schlager, die Ladenpreise, die Abfahrzeiten von Zügen –: der im Detail wohnende Teufel wird wahrlich machtvoll beschworen und steht dem Protagonisten zu Diensten für sein kunstvolles Raisonnement.
„Ein Eckchen Leben” sei die Kunst, sagte der Realist Zola, „gesehen durch ein Naturell – vu au travers d’un tempérament”; hier heißt es Walter Eggers. Einer, der den Krieg erlebt und überlebt hat und der grad eben Restauration und Wiederbewaffnung wiedererlebt: ein beschädigter, insuffizient gewordener Charakter –: heißt er auch Arno Schmidt? Nie zuvor jedenfalls hat sein Autor sich derart der Gefahr ausgesetzt, als Ich mit einer entworfenen Ich-Figur verwechselt zu werden. Das ist er ja tatsächlich, der eingefleischte Positivist, der Liebhaber der Statistik und der Staatshandbücher, der Verehrer Jansens, Ringklibs: – ließe sich eine bessere Verkörperung der Herzerstarrung denken als diese aberwitzige Figur? Die gepriesene „Sein=setzende Kraft von Namen, Zahlen, Daten”... später, nach der praktischen Erprobung in der Fouqué-Biographie und im Rückblick auf sie, glaubte Schmidt selber an diese These nicht mehr mit der einstigen Ausschließlichkeit. Aber irgendwann hat er die Staatshandbücher tatsächlich wohl in die Hand genommen wie seine Antipoden das Evangelium; als Namensquelle dienten sie ihm bis zuletzt. Der Zahlenfetischist Eggers ist eine Menschenkarikatur, ja, doch nie ohne die Erbmerkmale dessen, der ihn gezeugt und nach seinem Bilde geschaffen hatte: als Selbstbildnis der ruinierten Menschlichkeit selber; nur als Defekt und Rest noch war deren Darstellung möglich.
Eggers, ein zum totalen Charakter isolierter Charakterzug Schmidts, pflanzt ein Erzittern fort, das außerhalb seiner Isolation stattfindet, in einer unsichtbar bleibenden Vorgeschichte: für sie steht das historische „Sein”, das er von den endlosen Zeichen- und Ziffernkolonnen gesetzt sieht, auch wenn es keine Gestalten mehr annimmt wie im „Faun”. Kommen Gefühle zum Ausdruck, sprechen sie Defizite aus, beschädigt wie das Aussprechen selber im Dialekt. Erst jenseits der Hier-und-Jetzt-Momente, wo das bisschen „Leben”, coin de la vie, auf einen Namen und zwei Eckdaten abbreviiert ankommt, entfaltet sich’s dem Mit-Gefühl zur Fülle. Für Eggers sind die Staatshandbücher so „das Lebenswerteste” – und das einzig Liebenswerte ohnehin; wenn er eine Menschin wirklich „liebt”, dann eher noch die Prinzessin von Ahlden als seine Frieda, mag die auch immer vom Gott der Zahlen abstammen. Die Enkelin Jansens macht Jansen selbst lebendig; das Staatshandbuch ist der Extrakt nicht nur des vergangenen Lebens, sondern auch der vergangenen Literatur: das Buch der Bücher schlechthin (als das ein anderes Ich des Autors sonst nur die Encyclopaedia Britannica gelten ließ).
Ist „Das steinerne Herz” ein Staatshandbuch selbst, so alles, was darin geschieht, bereits erstarrte Geschichte, betrachtet auf dem Weg ins Futurum exactum. Das belädt alle Figurationen mit einer Symbolik, die aus dem Realismus die Vergänglichkeit wiederum streicht: Wenn Eggers Ahlden betritt, das Kaff an der Aller, zieht sich ganz Deutschland zum Dorf zusammen, und er selber tritt sein eigentliches Amt an als Vikar des Beschädigten Lebens. So groß ist der ästhetische Widerstand, den er dieser Beladenheit entgegenstemmt, dass er ihrer manchmal nur gewachsen ist, indem er sie durch Gesten des bloßen Nörgelns oder der Selbstparodie entkräftet: bei der geodätischen Unverlässlichkeit der Kirchtürme als Atheismus-Begründung etwa oder der Ärmlichkeit des Ostens, der sich aus Menschenmangel nicht einmal Straßenverkehrsopfer leisten kann. Man erträgt die Tragfähigkeit alias Omnipotenz dieses „Ich” nur, wenn man sich bedingungslos mit ihm identifiziert: ein alter Prozess aus der Ödipus-Ära. Es ist in diesem Buch schwieriger als bei seinen Vorgängern; aber wenn es gelingt, erkennt man auf einmal auch: das steinerne Herz mit seinen Zahlen ist nur eine Camouflage des anderen aus Fleisch und Blut, das außerhalb des Textes immer mitgeredet hat und weiter mitredet in den Längeren Gedankenspielen seiner – so ein paar Jahre zuvor in „Brand’s Haide” benannt – „kurzen Erzählungen; früher süß, jetzt rabiat”.
Zu rabiat, fand Ernst Krawehl, der immerhin tapfere, immerhin aber auch durch die Gotteslästerungsanzeige vorsichtig gestimmte erste Verleger, und kultivierte Rezensenten wie Karl Korn und Max Rychner brachte der Text derart aus aller Fassung, dass ihnen die ganze kritische Kinderstube abhanden kam. Man muss sich noch einmal vorstellen, was ein Autor – auch ohne das senkrechte Bewusstsein, ein erhebliches Buch geschrieben zu haben – zu fühlen bekommt, wenn er seinem Ich darin „anarchische Verwilderung” und „die feixend triumphierende Haltung eines Halbstarken” attestiert sieht, seine Sprache als „Jargon mit frech erfundenen neuen Worten, vulgär bis zum Exzess” und sein erhebliches Buch als „schmierige Piefkewelt” bezeichnet findet: „Er schwimmt im trübsten Schmutzwasser, beständig rührt er sexuellen Schlamm auf.” Und dabei war er doch noch sacht gewesen, oder? Krawehl, der sich nicht nur vor dem bisschen Schamhaar und Schamlippe fürchtete und vor dem Wörtchen „nackt” ganz generell, scheute auch die nackten Tatsachen der Politik und die dagegen geballten Wörterfäuste seines Autors; er zwang ihn zu weiteren Streichungen. Es ging dabei lediglich um „unseren herrlichen eisernen Bundeskanzler” und seine Konsorten und um die dauerhafte Wiederkehr des Gleichen, und wer lernen will, wie albern alle Geschichte zuletzt ist, der sehe sich an, worum da einmal gelitten wurde in dem Streit zwischen Autor und Verleger, wofür ein Herz blutete, wessentwegen ein Nervensystem zu zappeln und ein Kopf zu schmerzen begann –: es ist alles sehr eitel.
Muss man sich nicht fast Mühe geben, um die Empörungen von ehemals überhaupt in sich wiederzufinden –: sind sie nicht wiederum „historisch” längst? Braucht man die geschichtliche Voraussetzung, selber noch ein Eckchen vom Krieg miterlebt zu haben, um das Wiederanstimmen des Alten Lieds so ekelhaft schrill zu finden, wie es war, um den Calton Creek noch einmal an der Quelle zu erblicken und auf den Grund des Wunsches nach dem steinernen Herzen zu kommen: das Semper-idem der Geschichte? Aber nicht die damals eingefädelten Va-banque-Spiele verschaffen ihrem Spiegelbildner den Rang des Historiographen. Und dass man in Ahlden sich nicht nur das Schicksal der Prinzessin (der die immer mitfühlende Liebe des Autors galt) vergegenwärtigen, sondern – wie’s Leser (deren immer mitfühlende Liebe dem Autor gilt) auch nach wie vor begierig tun – dem halben Roman nachgehen kann, bis hin zum Thumann-Haus Nr. 31, macht ihn noch nicht realistisch. Das Wirkliche darin, die eigentliche Lebens-Geschichte, ist das, was er mit all diesen Materien verbirgt. Sie verweisen, die teuflischen Details, mit sonderbar zentrifugaler Kraft über sich hinaus, und selbst der Betrachter Eggers, der sie mit seiner totalitären Subjektivität überflutet, will in seiner eigentlichen Gestalt außerhalb gefunden sein. Ihr Glanz ist es, die den rabiaten Text immer wieder fadenscheinig werden lässt; von ihr, einer geradezu metaphysischen Ebenbildlichkeit, kommt die Stimme, die ihn so oft befremdend umschlagen lässt in Bußpredigt und Appell.
Arno Schmidt hat seinen Zeitgenossen die Möglichkeit, vielstimmig im Chor mit seiner Frau zu bezeugen, dass er „der feinfühligste und überanständigste Mensch war, den man sich nur denken konnte”, durch seine steinern durchgehaltene Lebens-Isolation vereitelt. Leser sind, waren immer, auf die von ihm handelnden Bücher angewiesen, um die Bi-Zonen seines Ichs zu erkennen und im auftrumpfend Rabiaten die Expression von Schmerz. In diesem Buch besonders, das explizit die Versteinerung des leidenden Sensoriums betreibt. Es geht um das Herz, das schon auf der zweiten Seite „erweitert” ist, krank –: „’n steinernes müßte man haben – wie beim Hauff”, stellt Eggers fest und gibt zu begreifen, dass das fait accompli des Titels aus einem Optativ kommt, nicht dem Indikativ; es ist noch nicht erreicht, wird darin angezeigt, und es wird auch am Schluss nicht erreicht sein. Das ganze Buch ist der Versuch, sein Feinfühligstes-Allzufeinfühligstes zu petrifizieren, nachdem ihm, eingesperrt ins Semper-idem des Historischen, die Flucht vereitelt ist und versagt. Dass sich das rabiate Buch mit seinem erklärten Zweck selber betrügt, dass es eine Tragödie ist im kältesten Moment wie im komödiantischen Akimbo, das zu erkennen wird der Leser unablässig beschworen: Selbstbetrug war das Gegenbild der vielen betrügerischen Details, die dem Kritiker Rychner auffielen.
Wird das tragische Ich sichtbar, so bekommt auch das Zerstörerische seiner Aufführung ein anderes Gesicht: ihr Gegenbild ist die Selbstzerstörung. Das bleibt nun ein offenes Generalthema dieses Autors, der mit Alkohol, Kaffee und Schlaftabletten im Verein gegen seine Leiblichkeit wütete – als gegen das, was ihn festhielt in der Gemeinschaft mit der historischen Welt. Die offene Aggressivität richtet sich gegen deren Ganzes als den Feind; sie richtet sich so, aus den komponierten Eigenschaften des Protagonisten ausfahrend, auch gegen die Komposition selbst. Es geht schließlich, immer stellvertretend, gegen die Literatur schlechthin, deren metaphysischer Glanz im Hier-und-Jetzt um seinen Ort gekommen ist. Die erzählte Geschichte demoliert Form und Geschichte des Erzählens und setzt zugleich ein neues Paradigma von Form, durch das den Trümmern endgültig die Wiederaufbaufähigkeit genommen wird –: die Ablehnung der Kritik reagierte auf den eben darin angetretenen Beweis, dass die Literatur nicht unbeschädigt aus dem Krieg hervorgegangen war. Sie hätte, die erzählte Geschichte, wohl jeder erfinden können; sie so schreiben können, wie sie jetzt geschrieben steht, hätte wahrlich nicht jeder. Langsam und systematisch wird sie in die Kolportage getrieben, und alle ihre Elemente folgen ihr in diese Bestimmung, die ihre Historizität besiegelt: ins Banale, Verbrauchte, Abgetane.
Und je mehr der Roman obenhin zu reden scheint, desto schichtenreicher, intrikater doppelbödig zeigt sich seine Struktur. Sie fängt mit ihrer Tiefen- Organisation auf, was sie an der Oberfläche dem Zerfall überantwortet. Die Destruktivität des Textes ist Mittelpunkt der Konstruktion und steht, gerade wo sie die überkommene Ästhetik selber anzutasten scheint, in deren Dienst. Ihr gelingen dann Zugriffe aufs Geschichtliche, wie sie „packender” nicht sein könnten. Der Kunstgehalt des Buches ist, gerade wo er sich auf den Schienen schlüpfrig salopper Alltags-Aleatorik davon zu entfernen, ja ihn aufzukündigen scheint, enorm – und dabei im scheinbar frechlings Destruktiven von fast penibler Traditionsgebundenheit: Das lebenslang wiederholte ruppige Verdikt gegen Goethes Prosa („gravitätische Stümperei... keine Kunstform, sondern eine Rumpelkiste”) wird geradezu an einem Gegenstück demonstriert – wie denn Schmidts Bücher allesamt ihre Korrespondenzpartner in der Literaturgeschichte haben; sie halten sich am Historischen fest wie Joyce an Homer. Hier ist es die Chemie der „Wahlverwandtschaften”, auf deren thematische Konstellationen die Elemente der Erzählung paraphrastisch wie parodistisch reagieren; sie bestimmt den Alltag von 1954 wie diejenige Homers den von 1904. Dass dieser Prozess gleichsam dauernd im Fluss bleibt, seine Bezüglichkeiten wechselt, schafft nicht nur das Klima des Experimentellen –: nichts ist mehr gesetzmäßig sicher, die ästhetische Ordnung erschüttert wie die sittliche. Der Hitlersche Krieg hat – wie im Vor-Bild der napoleonische – die Reihen auch der Werte gelichtet: nur noch Spielgeld des Autors und Demiurgen, werden sie selber ins bloß Materielle umgetauscht wie das Medaillen- Altgold in die Deutsche Mark.
Man kann noch heute völlig außer sich geraten beim Anblick all der Kunststücke, obwohl sie doch längst so alt sind wie Adenauer –: liegt’s daran, dass auch von ihnen so gar keiner gelernt hat? Sie sind das Eigentliche, die bleibend aktuelle Widerrede gegen das Historische, und der Prosa-Theoretiker Schmidt, der immer von den Stoffen auf die „größere Wahrheit” hinwies, hat selber darauf bestanden, „daß das Problem der heutigen und künftigen Prosa nicht der ,feinsinnige‘ Inhalt ist – der psychologischen Pünktchenmuster und anderen intim-kleinen textilen Varianten werden wir immer genug besitzen – sondern die längst fällige systematische Entwicklung der äußeren Form.” Die seine führt immer noch die Garde an. Sein Formsinn war tatsächlich ohnegleichen: kein Schreibwerk der so formsinnigen Nachkriegszeit war derart durchdeterminiert in allen seinen Elementen. In Joyce begegnete er seinem Ideal: – er wehrte sich zuerst gegen dessen Suprematie, unterwarf sich ihr dann – und gewann später, kein geringes Kunststück, der Wake-Technik noch den Platz für eine bedeutende Variante ab, um selber mit in die Trinität der obersten Moderne zu kommen, in die Joyce den verspätet entdeckten Carroll aufgenommen hatte: Dodgefather, Dodgeson & Coo...
„Was kommt danach?” Die banale Geschichte am Ende, die jeder so hätte erfinden können und keiner so schreiben, – wie geht sie nun aus? Als Gegenstück zur „Geheimratsprosa” untragisch, mit lieto fine „wie beim Hauff”. Das ist der ingrimmige Tribut an die Kolportage noch einmal und als letzter artistischer Trick, diesmal versöhnend, noch einmal der Selbstbetrug: das vom Autor düpierte Ich nimmt den Leser bei der Hand, um ihn behutsam vollends hinter das Licht zu führen. Aber in dem nun koordinierten Figurenquartett liegt der emotionale Sprengstoff schon zündfertig, und die nächstfällige Verwandtschaftswahl zeichnet sich ab. Um seine zarte Line bei ihrem Karl-Kerl zu lassen, müsste der Autor sein Ego Eggers wirklich in Stein verwandeln; es kann ihm so wenig gelingen wie dies. Schmidt hat die sehr feine Person, die sein wirkliches Herz besaß, denn auch nicht in seinem rabiaten Roman stehen lassen, sondern an der Hand durch fast alle seine weiteren Bücher geführt; spät heißt sie „Nipperchen”. Spät heißt sie dann auch direkt in einem Wort, was sie ist und immer war: „Meine Herzbestimmte”, und in jener nicht mehr geschriebenen Szene, in der alle Figuren seiner Bücher zum Stelldichein zusammentreten sollten, hätten die beiden Mädchen nebeneinander gestanden, ebenbildliche Zeugen gegen die Maske des Steinernen Herzens.
Von der zweiten deutschen Jahrhunderthälfte wird wenig Literatur „übrig” bleiben, von Arno Schmidt das Meiste und sicher dieser historische Roman. Vielleicht heißt sie insgesamt nach ihm – so wie die erste nach Thomas Mann heißt, dessen Souveränität er als der „deutsche Frechdachs” noch beunruhigte: seine, des Autors, Geschichte wäre dann zuletzt das eigentlich Historische im Text vom versteinernden Herzen, das zu Stein nicht wurde. Er hielt selber viel von dem Buch, mehr als von dessen Vorgängern, an denen ihm das verdächtig wurde, was er „Feinsinn” nannte; er hielt’s in aller Ruhe für epochemachend, ein Ereignis. Diese Ansicht, die richtige, teilten nur wenige. Aber sie dürfte noch unabsehbar lange von den Wenigen geteilt werden.
ARNO SCHMIDT: Das steinerne Herz. Historischer Roman aus dem Jahre 1954 nach Christi. Mit einem Nachwort von Georg Klein. Bibliothek Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002. 256 Seiten, 15,80 Euro.
Hans Wollschläger ist Schriftsteller, Übersetzer und Musikwissenschaftler. Im Wallstein Verlag wurde jetzt „Tiere sehen dich an” neu aufgelegt.
Arno und Alice Schmidt am Bahnsteig in Ahlden, dem Schauplatz des „Steinernen Herzens”
Foto: Arno Schmidt Stiftung
Arno Schmidt mit drei Katzen
Foto: Arno Schmidt
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.03.2002Ich habe die Tränen im Auge des Sprach-Riesen gesehen
Glasglühende Leidenschaften des Geistes: Arno Schmidts Roman "Das steinerne Herz" zeigt Gefühle hinter fest zusammengepreßten Zähnen / Von Georg Klein
Im Lauf eines Leserlebens findet man nicht oft einen Schriftsteller, dessen Bücher sich zugleich innig lieben und herzlich verabscheuen lassen. Arno Schmidt ist einer dieser raren Autoren, die es schaffen, nicht nur die Gemeinschaft der Lesenden, sondern auch noch das Gemüt des einzelnen Lesers zu spalten. Und "Das steinerne Herz" ist unter Schmidts großen Prosatexten vielleicht die trefflichste Attacke auf die Einheit unseres Empfindens. Bis heute kann die Lektüre dieses historischen Romans aus dem Jahre 1954 nach Christi wie ein Keil wirken, der das Herz, das sich ihm aussetzt, aufsprengt - als gelte es nachzuprüfen, ob dieses Organ aus Fleisch und Blut besteht, ob es, wie der Titel nahelegt, aus Stein ist oder ob es vielleicht gar aus purem Gold gegossen wurde.
Der Königsweg des Erzählers, sein sicherster Schleichpfad ins Gemüt des Lesenden, war in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und ist noch heute das Angebot, sich mit dem Helden zu identifizieren. Walter Eggers, der Protagonist "Des steinernen Herzens", wird allen, die schon etwas von Arno Schmidt gelesen haben, schnell bekannt vorkommen. Da ist er wieder, der hellhörige und sprachgewaltige Besserwisser, jener sechs Fuß große, stark kurzsichtige Intelligenz- und Sexprotz, dem die Zeitläufe es so ärgerlich schwermachen, an die drei Dinge zu kommen, die er zum Leben braucht: Geld zum Erwerb von immer neuen Büchern, Muße zum Studium derselben und ein unkompliziertes Weib für zwischendurch.
Das Räsonnement, das er gegen die anderen Romangestalten und als Kommentator seiner Wahrnehmungen auch fast unablässig gegen den Lesenden führt, tut eigentlich alles, um jenen Widerwillen anschwellen zu lassen, der vielleicht jede tiefe Identifikation wie eine Gegenströmung begleiten muß. Die gleitende Überwindung dieses Widerstands macht dann ja oft den besonderen Reiz des Hineinschwimmens in den Raum einer literarischen Figur aus. Aber in diesem Fall haben wir es über die Maßen schwer. Selbst wenn einer ebenfalls alternder Mann, Atheist, Antimilitarist und philosophisch wasserdichter Pessimist sein sollte, könnte ihm die gnadenlose Rechthaberei dieses Erzählers irgendwann zuviel werden. Da wir ja lesend die Scheuklappen des Textes tragen, gibt es kein Entkommen aus Eggers' Schwarzsicht, und eigentlich müßte sein sinistres Schimpfen den Wunsch, ihn mit dem Zuklappen der Buchdeckel zum Schweigen zu bringen, unwiderstehlich anwachsen lassen. Aber mir und anderen Geschlechtsgenossen - ja sogar Leserinnen! - widerfährt etwas anderes: Noch ehe wir ein Dutzend Mal umgeblättert haben, sind wir in der Erzählhöhle des grimmigen Hünen Walter Eggers gefangen.
Das hat wohl auch damit zu tun, daß uns diese Gestalt trotz ihrer Omnipräsenz und Omnipotenz zugleich auf eine merkwürdige Weise in Ruhe zu lassen versteht. Zwar müssen wir fast alles durch Eggers' starke Brille sehen, zwar malt er uns den Mond immer wieder so sprachgewaltig an den Himmel, als gelte es, alle zukünftigen Mondgucker zum Schweigen zu bringen, mondsüchtig jedoch, wie verliebte Jünglinge und in Liebeshändel verstrickte reifere Semester in Romanen gern zu sein pflegen, ist er nie. Und selbst wenn wir Eggers nachts aufs Außenklo begleiten, wenn unsere Phantasie dort, von kräftiger Hand gelenkt, an allen Verrichtungen und Wahrnehmungen des Helden Anteil nehmen muß, erspart uns der Autor genau das, was eine durchwachte Nacht in der bürgerlichen Literatur, wie der Lampenschein die Motte, herbeizuziehen pflegt: eine bestimmte Rede vom inneren Erleben, den sentimentalen Diskurs.
". . . scheiß aufs Herz!" meint Walter Eggers, als wir am dritten Tag der Handlung, frühmorgens um zwei, das erste Mal eingeladen sind, eine Nacht mit ihm zu verbringen. Bündiger ließe sich wohl kaum sagen, daß da einer keinen Funken Lust hat, über Gefühle zu reden. Aber Eggers spielt an dieser Stelle gar nicht auf sein Gemüt an. Nein, mit materialistischer Grobheit flucht er auf sein fleischliches Herz. Obwohl er weiß, daß mit diesem Organ etwas nicht stimmt, pflegt er ihm jede Rücksichtnahme zu verweigern. Obschon ihn regelmäßig Herzbeschwerden plagen, kocht er wieder einmal übermäßig starken Kaffee, um das Schlafbedürfnis des Körpers zu unterdrücken. Nicht auf dem romantisch metaphorischen Umweg eines gebrochenen Herzens, sondern am selbstverschuldeten Versagen seines leibeigenen Hohlmuskels könnte dieser Mann frühzeitig sterben.
Es folgt ein Exzeß in Büchern. Mit zitternder Hand arbeitet sich der Erzähler durch zwei Kisten voller Folianten, durch einen Stapel bürokratischer Handbücher des 19. Jahrhunderts. Kann es Druckwerke geben, die noch offensichtlicher obsolet sind als diese traurig unverwüstlichen Schwarten? Walter Eggers weiß wohl, daß seine momentanen Gastgeber, das Ehepaar Thumann, an diesen Büchern allein interessiert, ob sie sich an ähnlich Verrückte wie ihn verscherbeln lassen. Aber weiß Walters Einflüsterer, der Autor Arno Schmidt, welchen Anschlag er auf seine Leser unternimmt, wenn er viele kostbare Minuten ihrer Konzentration und Phantasie auf diese Wälzer, auf deren statistische Tabellen und Namensverzeichnisse lenkt?
Es ist wohl ein Verführungsversuch. Und einen völlig unbewußten Verführer kann es auch auf dem Gebiet der Literatur nicht geben. Von einer Kette köstlicher Köder werden wir, seinem lupenscharfen Blick, seinen bibliophilen Beschreibungen und seinen sich schnell ekstatisch aufschwingenden Erläuterungen folgend, kunstvoll zu einer Teilhabe verleitet. Nie könnten wir seine Leidenschaft für hannoversche Staatshandbücher aus eigenem Antrieb spüren, nie würde es uns in Wirklichkeit hin zu den obskuren Objekten von Eggers' Begierde ziehen, aber dem Glanz seines Begehrens, der schimmernden Schlangenhaut dieser Rede von den Büchern, erliegen wir doch. Und weil so verteufelt gut davon erzählt wird, sind wir schließlich sogar bereit, dem Glücksversprechen dieser bizarren Dinglust, ja sogar an deren Unschuld zu glauben.
Dabei wissen wir doch längst, daß unser nobler Verführer-zum-Buche als handelnde Romanfigur ein übler Herumkrieger ist, daß er keinen schäbigen Trick scheut, um seine Vermieterin Frieda Thumann aufs Kreuz zu legen. Es handelt sich gewissermaßen um eine Parallelaktion: Während der Lesende zur Identifikation mit Walter Eggers und dessen fetischistischen Begierden verleitet wird, geht es im Jahre 1954 darum, eine Ahldener Hausfrau, eine gestandene Vierzigerin, in ihrem Gemüt zu erschüttern. Schon beim ersten Zusammentreffen von Walter und Frieda auf der Schwelle des Thumannschen Häuschens sind feine Tücke und Geld im Spiel.
Wie Zahnräder scheinen zwei Ökonomien des Mangels ineinanderzugreifen. Frieda Thumann lebt in unglücklicher Ehe, sie hat längst keine Freude mehr an ihrem Mann, der seinerseits alles, was er an Kräften und Säften aufbieten kann, bei seiner jungen Geliebten Line in Berlin läßt. Nie läßt der Erzähler, aus dessen Perspektive wir Friedas Verführung miterleben, einen Zweifel daran, daß er taktisch vorgeht, daß er die emotionalen Mittel, die er einsetzt, intellektuell kontrolliert und nicht zuletzt wegen dieser Beherrschbarkeit geringschätzt.
Aber nicht nur Frieda rutscht über das steile Gefälle des Mangels ins ehebrecherische Bett. Walter Eggers, der scheinbar souverän über seinen männlichen Charme und seine sonstigen affektiven Ressourcen gebietet, ist selbst arm dran. Ihm fehlen, als die Handlung anhebt, ein paar Bände Staatshandbücher, und der Autor hat bereits seine ganze sprachliche Kunst aufgeboten, um den Leser davon zu überzeugen, daß dieses Manko nicht nur den läppischen Spleen eines Sonderlings, sondern ein respektables existentielles Defizit darstellt.
So könnte alles seinen Gang gehen, wären sich die beiden, die da so zweckgerichtet mit dem Mangel und mit den Ressourcen des anderen umgehen, wirklich restlos über das Maß der Größen, mit denen sie rechnen, im klaren. Aber das sind sie zu ihrer eigenen Überraschung und zur Verblüffung des Lesers nicht. Denn beide, Frieda Thumann und Walter Eggers, sollen, so will es der Autor, noch emotionale Gewichte ins Spiel bringen, die die Balance der anfänglich aufgemachten Gleichung stören. Als Eggers mit Karl Thumann aus Berlin zurückkehrt, empfängt ihn eine Frieda, die ganz entgegen ihrer bisherigen Resolutheit schwer mit der Fassung ringt. Diese emotionale Wende hatte sich schon bei Eggers' Abfahrt angedeutet. Frieda, die allein in Ahlden zurückbleiben muß, kommt der Gedanke, daß Eggers in der bedrohlichen Fremdheit der Ostzone etwas zustoßen könnte. Und die Angstphantasie, den frischgewonnenen Liebhaber schon wieder zu verlieren, ergreift so von ihrem Gemüt Besitz, daß dort alle bisherigen Regulierungen aufgehoben scheinen.
Aber auch für den kühlen Strategen, für seinen siamesischen Zwillingsbruder Eggers, hält der Autor eine Überraschung parat, die dessen steinernes Gemüt erschüttern soll. In gekonnt trivialer Manier, auf dem soliden, platten Boden des Plots, wird die emotionale Lage weiter verschärft. Eggers hat sich bei der Enkelin seines hochverehrten Forschungsobjekts Jansen scheinbar alles unter dem Nagel gerissen, was es zu ergattern galt, und bereitet eine Flucht bei Nacht und Nebel vor. Da stellt sich heraus, daß die zu verlassende Frieda nicht nur Erbin der erbeuteten Staatshandbücher, sondern auch eines Goldschatzes ist. Eine klatschende Backpfeife in das blasierte Gesicht dieses Feldherrn der Gefühle. Eine wunderbare Selbstzüchtigung und Selbstverblüffung, wenn man Autor und Figur als siamesisch verbunden sehen darf.
Eggers, der souveräne Stratege in Sachen Gefühl, der damit prahlt, den eigenen affektiven Output apparativ steuern zu können, hat Angst. Und der Leser kann im Gegensatz zu Frieda wissen, wovor sich dieser Mann fürchtet. Seine Geliebte und zukünftige Lebensgefährtin hat ihn als gutverdienenden Einkäufer von Immobilien kennengelernt, sie wird ihn bis ans Romanende, ja theoretisch über dessen Geschehen hinaus, für einen halten, der im gesellschaftlichen Leben seinen Mann steht. Wir aber wissen, daß Eggers auf unsicheren Beinen durch die Welt geht. Drei Jahre glaubt er zu Beginn der Handlung mit der gewohnten Sparsamkeit von den 5000 Mark, die er besitzt, noch leben zu können. Aber sein hochstaplerischer Auftritt in Ahlden zwingt ihn, doppelt soviel wie normal zu verbrauchen. Eggers zehrt von einer knappen Substanz. Wahrlich Grund genug, ins knausrige Eigenbrötlerdasein zurückzukehren, sobald er die ersehnten Bücher bei Frieda abgearbeitet hat.
Wäre dies alles, was sich über das Gemüt unseres Helden sagen ließe, er stünde im Zwielicht des Happy-End endgültig schäbig vor uns, er wäre die Empathie des Lesers kaum wert. Und Frieda Thumann, auf die Eggers im dritten Teil des Buches fast nur noch mit generöser Herablassung blickt, wüchse in unserer Achtung, allein schon, weil sie diesem Eggers durch die Empfindungsfähigkeit, die sie ihm gegenüber entfaltet, durch ihre Anteilnahme an seinem Tun und ihren naiven Stolz auf ihn unendlich überlegen scheint. Sollte der Angst Friedas, den Geliebten zu verlieren, der Mutter ihrer großen Gefühle, auf Eggers' Seite nichts weiter gegenüberstehen als der Horror vacui kommender Geldnöte? Ist kleinbürgerliche Zukunftsangst die stärkste Empfindung, die der Zwillingsbruder unseres Autors ins zwischenmenschliche, ins zwischengeschlechtliche Feld führen kann?
Zum Glück, zu unserem Leseglück, ist es nicht so. Aber Arno Schmidt muß den Ort, den Zeitraum und die Figurenkonstellation des Romans aufsprengen, um Eggers' Herz zu erweichen. Es braucht eine Reise dazu, eine magische ,sentimental journey', um uns vollends und dauerhaft für diesen widrigen Kerl zu erwärmen. Im zweiten, im mittleren Buch des Romans geht es nach Osten, in die Ostzone, in ein Reich, das für den heutigen Leser, vor allem für den jungen, noch erheblich an Fiktionalität und Magie gewonnen hat. Walter Eggers' Aufenthalt in Ostberlin ist das Herzstück des Buches. Dort stößt ihm vor unseren Augen das zu, was seiner Geliebten und zukünftigen Lebensgefährtin Frieda zeitgleich, quasi im Rücken der Handlung, allein zu Hause widerfährt: die tiefe Erschütterung des Gemüts.
"Eine sachte Stimme wohnte in ihr . . ." heißt es über Line Hübner, die Ostberliner Geliebte des Fernfahrers Karl Thumann, als der Erzähler sie an einem Autobahnabzweig vor Berlin kennenlernt. An den zwei folgenden Tagen berichtet Line ihrem Gast von ihren Erlebnissen bei Kriegsende. Sie war fünfzehn, als ihr schlesischer Heimatort im Frühjahr 1945 von der Roten Armee erobert und dann von zwangsumgesiedelten Polen in Besitz genommen wurde. Die Leidensgeschichte des fünfzehnjährigen Mädchens wird uns in der Ich-Form erzählt. Eggers, der als Schmidtscher Protagonist mit nie nachlassendem Sprachfuror ein wahrhaft wuchtiges Ich vor uns aufgefahren hat, tritt zum ersten und zum einzigen Mal in den Hintergrund, um "die feine zerschrammte Stimme" Lines sprechen zu lassen.
Die Greuel, die Line gesehen und am eigenen Leib erfahren hat, liegen zehn Jahre zurück. Ihr Bericht ist knapp und unspektakulär. Und obwohl der Held des Romans kaum etwas dazu sagt, steht er, als der fiktive Vermittler ihrer Geschichte an den Leser, doch wie eine dünne mitschwingende Membran zwischen dem Schrecken der Vergangenheit und jeder folgenden Gegenwart. ". . . ich überlegte, ob es jetzt noch Zweck hätte, die Faust als Zeichen der Anteilnahme auf den Tisch zu legen, daß sich die Ecke bog", denkt Eggers, als Line von einer besonders demütigenden Leibesvisitation durch polnische Milizionäre berichtet.
Hier ist es, das Gefühl, das den kleinbürgerlich feigen und schlau berechnenden Eggers vor uns groß macht, das ihn für eine Weile auch emotional auf Augenhöhe mit seiner Wahrnehmung und auf die Höhe der Sprache bringt, die ihm der Autor leiht. Angst um den Geliebten, das war die Mutter von Frieda Thumanns stärksten Gefühlen. Der Schrecken der Anteilnahme ist der Vater der stärksten Affekte, zu der ihr Geliebter Walter Eggers fähig ist. Das Mitleid mit Line ist nicht billig zu haben. Es bedeutet zugleich die Erfahrung unerträglicher Ohnmacht und tiefer geschlechtlicher Beschämung: ". . . ich war ja auch n Mann!" Die Tischplatte, auf der die Faust des anteilnehmenden Eggers liegt, sie wird sich nicht mitfühlend biegen, allenfalls brechen könnte sie. Und Eggers' Herz? Wie sieht es mit dessen Elastizität aus?
"Haben Sie's auch mit n Herzen?" fragt Line am Ende ihres ersten Schreckensberichts und meint damit, leiblich konkret, die Herzschmerzen, an denen sie leidet und die sie auch Eggers ansieht. Über diese Spontandiagnose hinaus ist sie wohl die einzige Figur des Romans, die den Helden ein Stück weit durchschaut. Seine Fähigkeit zur mitleidenden Zeitgenossenschaft treibt unseren Helden zu den hart gebundenen statistischen Jahrbüchern eines untergegangenen Staates. Aber das soll nach Möglichkeit keiner wissen. Frieda nicht und auch Line nicht. Ja, selbst vor den zeitgenössischen und den zukünftigen Lesern scheint es klüger, ein steinernes Herz vorzutäuschen, als ein goldenes preiszugeben.
Ganz sicher kann einer wie Eggers allerdings nicht einmal bei seinen Büchern sein. Auch in den sachlichsten Texten ist wie ein getrockneter Extrakt, wie jener Nescafé, der Eggers' Herz allmählich ruiniert, menschliches Dasein und damit erzähltes Leid zu finden. Wer groß im Lesen ist, liest den Schmerz der Menschen sogar aus einer Statistik, und Walter Eggers ist ein Riese unter den Lesern. Eine der vielen anrührenden Stellen der Ostzonen-Reise faßt Eggers' Gefühl für Line in ein Buch-Bild: "Lines broschierte Lieblichkeit . . ." Und der Autor? Wo ist der siamesische Zwilling des Helden hingekommen, als dieser mit Linie im seltsamen Zwischenreich der Ostzone ein paar Worte lang glücklich ist?
Diesem Autor, dem sonst mit fast jedem Satz auftrumpfenden Wortspieler, gelingt hier das subtile Kunststück, sich mit Worten unsichtbar zu machen. Danach, im dritten Teil des Romans, wird er erneut riesenhaft sprachstark neben seinem Erzähler stehen. Ganz zuletzt, wieder in Ahlden, beim ersten gemeinsamen Spaziergang, den die nun endgültig neuformierten Paare Walter/Frieda und Karl/Line "in kalter Erotik" unternehmen, gibt Eggers im Tonfall blasierten Bescheidwissen einen Abriß des Lebens, das die Prinzessin von Ahlden als Staatsgefangene 32 Jahre lang im nahe gelegenen Schloß geführt hat. Auch dies ist eine Leidensgeschichte. Eggers schnurrt sie historisch versiert und kalt räsonierend herunter und wirft abschließend einen Blick auf Line, die ihm aufmerksam zugehört hat: ". . . das helle Mitleid rann ihr über die Backen herunter: war mirs so lacrymos geraten?"
Das ist mehr als zynisch, das ist hämisch gegen Line, grausam gegen den Leser und durch den Lesenden hindurch hartherzig gegen jenen Eggers, den wir in der Ostzone kennenlernen durften. Das sentimentale Attentat ist ja gelungen. Was uns als historischer Roman ans Herz gelegt wurde, hat uns als empfindsamer Roman erschüttert. Ausgerechnet über einem Buch aus dem Jahre 1954 sind wir gleich Line "gegenwartsdankbar" geworden.
"Achduliebergott! Kennen die Leute denn nicht die glasglühenden Leidenschaften des Geistes??: wenn ich dem Bruder Jansen, dem statistischen Zahlenriesen nachspüre? noch halte ich seine Arbeit von 1924 in der klapprigen Hand!" So hatte der Held eingangs gefragt. Nein, müssen wir ihm zuletzt leider Gottes antworten, nein, diese Leidenschaften kennen wir nicht. Und doch haben wir, wenn wir "Das Steinerne Herz" aus der Hand legen, über ein halbes Jahrhundert hinweg etwas Vergleichbares gespürt. Denn wir haben einen Riesen unserer Sprache - ach, ohne daß er unsere Anteilnahme hätte bemerken können! - weinen gesehen.
Georg Kleins Essay, der hier in gekürzter Form publiziert wird, erscheint Ende März in der Neuausgabe von "Das steinerne Herz" (Bibliothek Suhrkamp).
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Glasglühende Leidenschaften des Geistes: Arno Schmidts Roman "Das steinerne Herz" zeigt Gefühle hinter fest zusammengepreßten Zähnen / Von Georg Klein
Im Lauf eines Leserlebens findet man nicht oft einen Schriftsteller, dessen Bücher sich zugleich innig lieben und herzlich verabscheuen lassen. Arno Schmidt ist einer dieser raren Autoren, die es schaffen, nicht nur die Gemeinschaft der Lesenden, sondern auch noch das Gemüt des einzelnen Lesers zu spalten. Und "Das steinerne Herz" ist unter Schmidts großen Prosatexten vielleicht die trefflichste Attacke auf die Einheit unseres Empfindens. Bis heute kann die Lektüre dieses historischen Romans aus dem Jahre 1954 nach Christi wie ein Keil wirken, der das Herz, das sich ihm aussetzt, aufsprengt - als gelte es nachzuprüfen, ob dieses Organ aus Fleisch und Blut besteht, ob es, wie der Titel nahelegt, aus Stein ist oder ob es vielleicht gar aus purem Gold gegossen wurde.
Der Königsweg des Erzählers, sein sicherster Schleichpfad ins Gemüt des Lesenden, war in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts und ist noch heute das Angebot, sich mit dem Helden zu identifizieren. Walter Eggers, der Protagonist "Des steinernen Herzens", wird allen, die schon etwas von Arno Schmidt gelesen haben, schnell bekannt vorkommen. Da ist er wieder, der hellhörige und sprachgewaltige Besserwisser, jener sechs Fuß große, stark kurzsichtige Intelligenz- und Sexprotz, dem die Zeitläufe es so ärgerlich schwermachen, an die drei Dinge zu kommen, die er zum Leben braucht: Geld zum Erwerb von immer neuen Büchern, Muße zum Studium derselben und ein unkompliziertes Weib für zwischendurch.
Das Räsonnement, das er gegen die anderen Romangestalten und als Kommentator seiner Wahrnehmungen auch fast unablässig gegen den Lesenden führt, tut eigentlich alles, um jenen Widerwillen anschwellen zu lassen, der vielleicht jede tiefe Identifikation wie eine Gegenströmung begleiten muß. Die gleitende Überwindung dieses Widerstands macht dann ja oft den besonderen Reiz des Hineinschwimmens in den Raum einer literarischen Figur aus. Aber in diesem Fall haben wir es über die Maßen schwer. Selbst wenn einer ebenfalls alternder Mann, Atheist, Antimilitarist und philosophisch wasserdichter Pessimist sein sollte, könnte ihm die gnadenlose Rechthaberei dieses Erzählers irgendwann zuviel werden. Da wir ja lesend die Scheuklappen des Textes tragen, gibt es kein Entkommen aus Eggers' Schwarzsicht, und eigentlich müßte sein sinistres Schimpfen den Wunsch, ihn mit dem Zuklappen der Buchdeckel zum Schweigen zu bringen, unwiderstehlich anwachsen lassen. Aber mir und anderen Geschlechtsgenossen - ja sogar Leserinnen! - widerfährt etwas anderes: Noch ehe wir ein Dutzend Mal umgeblättert haben, sind wir in der Erzählhöhle des grimmigen Hünen Walter Eggers gefangen.
Das hat wohl auch damit zu tun, daß uns diese Gestalt trotz ihrer Omnipräsenz und Omnipotenz zugleich auf eine merkwürdige Weise in Ruhe zu lassen versteht. Zwar müssen wir fast alles durch Eggers' starke Brille sehen, zwar malt er uns den Mond immer wieder so sprachgewaltig an den Himmel, als gelte es, alle zukünftigen Mondgucker zum Schweigen zu bringen, mondsüchtig jedoch, wie verliebte Jünglinge und in Liebeshändel verstrickte reifere Semester in Romanen gern zu sein pflegen, ist er nie. Und selbst wenn wir Eggers nachts aufs Außenklo begleiten, wenn unsere Phantasie dort, von kräftiger Hand gelenkt, an allen Verrichtungen und Wahrnehmungen des Helden Anteil nehmen muß, erspart uns der Autor genau das, was eine durchwachte Nacht in der bürgerlichen Literatur, wie der Lampenschein die Motte, herbeizuziehen pflegt: eine bestimmte Rede vom inneren Erleben, den sentimentalen Diskurs.
". . . scheiß aufs Herz!" meint Walter Eggers, als wir am dritten Tag der Handlung, frühmorgens um zwei, das erste Mal eingeladen sind, eine Nacht mit ihm zu verbringen. Bündiger ließe sich wohl kaum sagen, daß da einer keinen Funken Lust hat, über Gefühle zu reden. Aber Eggers spielt an dieser Stelle gar nicht auf sein Gemüt an. Nein, mit materialistischer Grobheit flucht er auf sein fleischliches Herz. Obwohl er weiß, daß mit diesem Organ etwas nicht stimmt, pflegt er ihm jede Rücksichtnahme zu verweigern. Obschon ihn regelmäßig Herzbeschwerden plagen, kocht er wieder einmal übermäßig starken Kaffee, um das Schlafbedürfnis des Körpers zu unterdrücken. Nicht auf dem romantisch metaphorischen Umweg eines gebrochenen Herzens, sondern am selbstverschuldeten Versagen seines leibeigenen Hohlmuskels könnte dieser Mann frühzeitig sterben.
Es folgt ein Exzeß in Büchern. Mit zitternder Hand arbeitet sich der Erzähler durch zwei Kisten voller Folianten, durch einen Stapel bürokratischer Handbücher des 19. Jahrhunderts. Kann es Druckwerke geben, die noch offensichtlicher obsolet sind als diese traurig unverwüstlichen Schwarten? Walter Eggers weiß wohl, daß seine momentanen Gastgeber, das Ehepaar Thumann, an diesen Büchern allein interessiert, ob sie sich an ähnlich Verrückte wie ihn verscherbeln lassen. Aber weiß Walters Einflüsterer, der Autor Arno Schmidt, welchen Anschlag er auf seine Leser unternimmt, wenn er viele kostbare Minuten ihrer Konzentration und Phantasie auf diese Wälzer, auf deren statistische Tabellen und Namensverzeichnisse lenkt?
Es ist wohl ein Verführungsversuch. Und einen völlig unbewußten Verführer kann es auch auf dem Gebiet der Literatur nicht geben. Von einer Kette köstlicher Köder werden wir, seinem lupenscharfen Blick, seinen bibliophilen Beschreibungen und seinen sich schnell ekstatisch aufschwingenden Erläuterungen folgend, kunstvoll zu einer Teilhabe verleitet. Nie könnten wir seine Leidenschaft für hannoversche Staatshandbücher aus eigenem Antrieb spüren, nie würde es uns in Wirklichkeit hin zu den obskuren Objekten von Eggers' Begierde ziehen, aber dem Glanz seines Begehrens, der schimmernden Schlangenhaut dieser Rede von den Büchern, erliegen wir doch. Und weil so verteufelt gut davon erzählt wird, sind wir schließlich sogar bereit, dem Glücksversprechen dieser bizarren Dinglust, ja sogar an deren Unschuld zu glauben.
Dabei wissen wir doch längst, daß unser nobler Verführer-zum-Buche als handelnde Romanfigur ein übler Herumkrieger ist, daß er keinen schäbigen Trick scheut, um seine Vermieterin Frieda Thumann aufs Kreuz zu legen. Es handelt sich gewissermaßen um eine Parallelaktion: Während der Lesende zur Identifikation mit Walter Eggers und dessen fetischistischen Begierden verleitet wird, geht es im Jahre 1954 darum, eine Ahldener Hausfrau, eine gestandene Vierzigerin, in ihrem Gemüt zu erschüttern. Schon beim ersten Zusammentreffen von Walter und Frieda auf der Schwelle des Thumannschen Häuschens sind feine Tücke und Geld im Spiel.
Wie Zahnräder scheinen zwei Ökonomien des Mangels ineinanderzugreifen. Frieda Thumann lebt in unglücklicher Ehe, sie hat längst keine Freude mehr an ihrem Mann, der seinerseits alles, was er an Kräften und Säften aufbieten kann, bei seiner jungen Geliebten Line in Berlin läßt. Nie läßt der Erzähler, aus dessen Perspektive wir Friedas Verführung miterleben, einen Zweifel daran, daß er taktisch vorgeht, daß er die emotionalen Mittel, die er einsetzt, intellektuell kontrolliert und nicht zuletzt wegen dieser Beherrschbarkeit geringschätzt.
Aber nicht nur Frieda rutscht über das steile Gefälle des Mangels ins ehebrecherische Bett. Walter Eggers, der scheinbar souverän über seinen männlichen Charme und seine sonstigen affektiven Ressourcen gebietet, ist selbst arm dran. Ihm fehlen, als die Handlung anhebt, ein paar Bände Staatshandbücher, und der Autor hat bereits seine ganze sprachliche Kunst aufgeboten, um den Leser davon zu überzeugen, daß dieses Manko nicht nur den läppischen Spleen eines Sonderlings, sondern ein respektables existentielles Defizit darstellt.
So könnte alles seinen Gang gehen, wären sich die beiden, die da so zweckgerichtet mit dem Mangel und mit den Ressourcen des anderen umgehen, wirklich restlos über das Maß der Größen, mit denen sie rechnen, im klaren. Aber das sind sie zu ihrer eigenen Überraschung und zur Verblüffung des Lesers nicht. Denn beide, Frieda Thumann und Walter Eggers, sollen, so will es der Autor, noch emotionale Gewichte ins Spiel bringen, die die Balance der anfänglich aufgemachten Gleichung stören. Als Eggers mit Karl Thumann aus Berlin zurückkehrt, empfängt ihn eine Frieda, die ganz entgegen ihrer bisherigen Resolutheit schwer mit der Fassung ringt. Diese emotionale Wende hatte sich schon bei Eggers' Abfahrt angedeutet. Frieda, die allein in Ahlden zurückbleiben muß, kommt der Gedanke, daß Eggers in der bedrohlichen Fremdheit der Ostzone etwas zustoßen könnte. Und die Angstphantasie, den frischgewonnenen Liebhaber schon wieder zu verlieren, ergreift so von ihrem Gemüt Besitz, daß dort alle bisherigen Regulierungen aufgehoben scheinen.
Aber auch für den kühlen Strategen, für seinen siamesischen Zwillingsbruder Eggers, hält der Autor eine Überraschung parat, die dessen steinernes Gemüt erschüttern soll. In gekonnt trivialer Manier, auf dem soliden, platten Boden des Plots, wird die emotionale Lage weiter verschärft. Eggers hat sich bei der Enkelin seines hochverehrten Forschungsobjekts Jansen scheinbar alles unter dem Nagel gerissen, was es zu ergattern galt, und bereitet eine Flucht bei Nacht und Nebel vor. Da stellt sich heraus, daß die zu verlassende Frieda nicht nur Erbin der erbeuteten Staatshandbücher, sondern auch eines Goldschatzes ist. Eine klatschende Backpfeife in das blasierte Gesicht dieses Feldherrn der Gefühle. Eine wunderbare Selbstzüchtigung und Selbstverblüffung, wenn man Autor und Figur als siamesisch verbunden sehen darf.
Eggers, der souveräne Stratege in Sachen Gefühl, der damit prahlt, den eigenen affektiven Output apparativ steuern zu können, hat Angst. Und der Leser kann im Gegensatz zu Frieda wissen, wovor sich dieser Mann fürchtet. Seine Geliebte und zukünftige Lebensgefährtin hat ihn als gutverdienenden Einkäufer von Immobilien kennengelernt, sie wird ihn bis ans Romanende, ja theoretisch über dessen Geschehen hinaus, für einen halten, der im gesellschaftlichen Leben seinen Mann steht. Wir aber wissen, daß Eggers auf unsicheren Beinen durch die Welt geht. Drei Jahre glaubt er zu Beginn der Handlung mit der gewohnten Sparsamkeit von den 5000 Mark, die er besitzt, noch leben zu können. Aber sein hochstaplerischer Auftritt in Ahlden zwingt ihn, doppelt soviel wie normal zu verbrauchen. Eggers zehrt von einer knappen Substanz. Wahrlich Grund genug, ins knausrige Eigenbrötlerdasein zurückzukehren, sobald er die ersehnten Bücher bei Frieda abgearbeitet hat.
Wäre dies alles, was sich über das Gemüt unseres Helden sagen ließe, er stünde im Zwielicht des Happy-End endgültig schäbig vor uns, er wäre die Empathie des Lesers kaum wert. Und Frieda Thumann, auf die Eggers im dritten Teil des Buches fast nur noch mit generöser Herablassung blickt, wüchse in unserer Achtung, allein schon, weil sie diesem Eggers durch die Empfindungsfähigkeit, die sie ihm gegenüber entfaltet, durch ihre Anteilnahme an seinem Tun und ihren naiven Stolz auf ihn unendlich überlegen scheint. Sollte der Angst Friedas, den Geliebten zu verlieren, der Mutter ihrer großen Gefühle, auf Eggers' Seite nichts weiter gegenüberstehen als der Horror vacui kommender Geldnöte? Ist kleinbürgerliche Zukunftsangst die stärkste Empfindung, die der Zwillingsbruder unseres Autors ins zwischenmenschliche, ins zwischengeschlechtliche Feld führen kann?
Zum Glück, zu unserem Leseglück, ist es nicht so. Aber Arno Schmidt muß den Ort, den Zeitraum und die Figurenkonstellation des Romans aufsprengen, um Eggers' Herz zu erweichen. Es braucht eine Reise dazu, eine magische ,sentimental journey', um uns vollends und dauerhaft für diesen widrigen Kerl zu erwärmen. Im zweiten, im mittleren Buch des Romans geht es nach Osten, in die Ostzone, in ein Reich, das für den heutigen Leser, vor allem für den jungen, noch erheblich an Fiktionalität und Magie gewonnen hat. Walter Eggers' Aufenthalt in Ostberlin ist das Herzstück des Buches. Dort stößt ihm vor unseren Augen das zu, was seiner Geliebten und zukünftigen Lebensgefährtin Frieda zeitgleich, quasi im Rücken der Handlung, allein zu Hause widerfährt: die tiefe Erschütterung des Gemüts.
"Eine sachte Stimme wohnte in ihr . . ." heißt es über Line Hübner, die Ostberliner Geliebte des Fernfahrers Karl Thumann, als der Erzähler sie an einem Autobahnabzweig vor Berlin kennenlernt. An den zwei folgenden Tagen berichtet Line ihrem Gast von ihren Erlebnissen bei Kriegsende. Sie war fünfzehn, als ihr schlesischer Heimatort im Frühjahr 1945 von der Roten Armee erobert und dann von zwangsumgesiedelten Polen in Besitz genommen wurde. Die Leidensgeschichte des fünfzehnjährigen Mädchens wird uns in der Ich-Form erzählt. Eggers, der als Schmidtscher Protagonist mit nie nachlassendem Sprachfuror ein wahrhaft wuchtiges Ich vor uns aufgefahren hat, tritt zum ersten und zum einzigen Mal in den Hintergrund, um "die feine zerschrammte Stimme" Lines sprechen zu lassen.
Die Greuel, die Line gesehen und am eigenen Leib erfahren hat, liegen zehn Jahre zurück. Ihr Bericht ist knapp und unspektakulär. Und obwohl der Held des Romans kaum etwas dazu sagt, steht er, als der fiktive Vermittler ihrer Geschichte an den Leser, doch wie eine dünne mitschwingende Membran zwischen dem Schrecken der Vergangenheit und jeder folgenden Gegenwart. ". . . ich überlegte, ob es jetzt noch Zweck hätte, die Faust als Zeichen der Anteilnahme auf den Tisch zu legen, daß sich die Ecke bog", denkt Eggers, als Line von einer besonders demütigenden Leibesvisitation durch polnische Milizionäre berichtet.
Hier ist es, das Gefühl, das den kleinbürgerlich feigen und schlau berechnenden Eggers vor uns groß macht, das ihn für eine Weile auch emotional auf Augenhöhe mit seiner Wahrnehmung und auf die Höhe der Sprache bringt, die ihm der Autor leiht. Angst um den Geliebten, das war die Mutter von Frieda Thumanns stärksten Gefühlen. Der Schrecken der Anteilnahme ist der Vater der stärksten Affekte, zu der ihr Geliebter Walter Eggers fähig ist. Das Mitleid mit Line ist nicht billig zu haben. Es bedeutet zugleich die Erfahrung unerträglicher Ohnmacht und tiefer geschlechtlicher Beschämung: ". . . ich war ja auch n Mann!" Die Tischplatte, auf der die Faust des anteilnehmenden Eggers liegt, sie wird sich nicht mitfühlend biegen, allenfalls brechen könnte sie. Und Eggers' Herz? Wie sieht es mit dessen Elastizität aus?
"Haben Sie's auch mit n Herzen?" fragt Line am Ende ihres ersten Schreckensberichts und meint damit, leiblich konkret, die Herzschmerzen, an denen sie leidet und die sie auch Eggers ansieht. Über diese Spontandiagnose hinaus ist sie wohl die einzige Figur des Romans, die den Helden ein Stück weit durchschaut. Seine Fähigkeit zur mitleidenden Zeitgenossenschaft treibt unseren Helden zu den hart gebundenen statistischen Jahrbüchern eines untergegangenen Staates. Aber das soll nach Möglichkeit keiner wissen. Frieda nicht und auch Line nicht. Ja, selbst vor den zeitgenössischen und den zukünftigen Lesern scheint es klüger, ein steinernes Herz vorzutäuschen, als ein goldenes preiszugeben.
Ganz sicher kann einer wie Eggers allerdings nicht einmal bei seinen Büchern sein. Auch in den sachlichsten Texten ist wie ein getrockneter Extrakt, wie jener Nescafé, der Eggers' Herz allmählich ruiniert, menschliches Dasein und damit erzähltes Leid zu finden. Wer groß im Lesen ist, liest den Schmerz der Menschen sogar aus einer Statistik, und Walter Eggers ist ein Riese unter den Lesern. Eine der vielen anrührenden Stellen der Ostzonen-Reise faßt Eggers' Gefühl für Line in ein Buch-Bild: "Lines broschierte Lieblichkeit . . ." Und der Autor? Wo ist der siamesische Zwilling des Helden hingekommen, als dieser mit Linie im seltsamen Zwischenreich der Ostzone ein paar Worte lang glücklich ist?
Diesem Autor, dem sonst mit fast jedem Satz auftrumpfenden Wortspieler, gelingt hier das subtile Kunststück, sich mit Worten unsichtbar zu machen. Danach, im dritten Teil des Romans, wird er erneut riesenhaft sprachstark neben seinem Erzähler stehen. Ganz zuletzt, wieder in Ahlden, beim ersten gemeinsamen Spaziergang, den die nun endgültig neuformierten Paare Walter/Frieda und Karl/Line "in kalter Erotik" unternehmen, gibt Eggers im Tonfall blasierten Bescheidwissen einen Abriß des Lebens, das die Prinzessin von Ahlden als Staatsgefangene 32 Jahre lang im nahe gelegenen Schloß geführt hat. Auch dies ist eine Leidensgeschichte. Eggers schnurrt sie historisch versiert und kalt räsonierend herunter und wirft abschließend einen Blick auf Line, die ihm aufmerksam zugehört hat: ". . . das helle Mitleid rann ihr über die Backen herunter: war mirs so lacrymos geraten?"
Das ist mehr als zynisch, das ist hämisch gegen Line, grausam gegen den Leser und durch den Lesenden hindurch hartherzig gegen jenen Eggers, den wir in der Ostzone kennenlernen durften. Das sentimentale Attentat ist ja gelungen. Was uns als historischer Roman ans Herz gelegt wurde, hat uns als empfindsamer Roman erschüttert. Ausgerechnet über einem Buch aus dem Jahre 1954 sind wir gleich Line "gegenwartsdankbar" geworden.
"Achduliebergott! Kennen die Leute denn nicht die glasglühenden Leidenschaften des Geistes??: wenn ich dem Bruder Jansen, dem statistischen Zahlenriesen nachspüre? noch halte ich seine Arbeit von 1924 in der klapprigen Hand!" So hatte der Held eingangs gefragt. Nein, müssen wir ihm zuletzt leider Gottes antworten, nein, diese Leidenschaften kennen wir nicht. Und doch haben wir, wenn wir "Das Steinerne Herz" aus der Hand legen, über ein halbes Jahrhundert hinweg etwas Vergleichbares gespürt. Denn wir haben einen Riesen unserer Sprache - ach, ohne daß er unsere Anteilnahme hätte bemerken können! - weinen gesehen.
Georg Kleins Essay, der hier in gekürzter Form publiziert wird, erscheint Ende März in der Neuausgabe von "Das steinerne Herz" (Bibliothek Suhrkamp).
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»Ein Buch wie ein Rauschmittel.« DIE WELT 20221209