Die gängigen Prognosen, nach denen die Religionen im Kontext der Moderne oder im Zuge der Globalisierung an Bedeutung verlieren würden, haben sich nicht bestätigt. Das Gegenteil ist der Fall: Jenseits von nihilistischen Entwürfen und virtuellen Konstruktionen öffneten sich auch und gerade in der Literatur Räume für die Belebung religiöser Weltsicht. Ausgehend von Heinrich Böll und seiner Anfang der 1960er Jahre eingeleiteten Distanzierung von der Institution Kirche, wird am Beispiel von Botho Strauß und Peter Handke, die seit den 1970er und 1980er Jahren eine ins Metaphysische zielende Subjektivität repräsentieren, eine Renaissance des Religiösen konstatiert, die sich in den Werken des jüngeren Autors Ralf Rothmann seit den 1990er Jahren mit selbstbewusster Deutlichkeit fortschreibt. Anhand der geistesgeschichtlichen Trias Gnostizismus, Philosophie und Mystik nimmt die Verfasserin eine Fokussierung vor, die die ästhetischen Konzeptionen der Autoren deutlich werden lässt und sie zueinander in Beziehung setzt.