Die Psychoanalyse begann mit Freuds Entdeckung, dass die Symptome seelisch leidender Menschen gegen allen Anschein einen Sinn haben. Folgt man seiner Definition von Sinn, dann ist die Psychoanalyse eine Hermeneutik des Subjekts. Nach der Entlarvung des modernen Mythos vom Subjekt in der Postmoderne ist heute der Einsicht in seine eigentümliche Unhintergehbarkeit aufzuhelfen. Seelisches Leiden wird nur verstehbar, wenn es mit Subjektivität verknüpft wird - allerdings mit der Befindlichkeit eines schwachen Subjekts, das an sich selbst leidet und sich deshalb zu entfliehen sucht. In ihrem neuen Buch begründet Alice Holzhey-Kunz, wie dieses Subjekt, das "nicht einmal Herr ist im eigenen Hause", begriffen werden muss, wenn der Trend, die psychoanalytische Praxis zu einem störungsorientierten technischen Verfahren unter anderen herabzusetzen, gebrochen werden soll. Orientierung dafür bieten einerseits Sartres Analysen des pour soi und der mauvaise foi, andererseits Heideggers Verständnis des Subjekts als Dasein, das in seiner Befindlichkeit unentrinnbar mit der Last des "Dass es ist und zu sein hat" konfrontiert ist.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Weder die Psychoanalyse noch das "Subjekt" haben in letzter Zeit etwas zu lachen gehabt, meint Ludger Lütkehaus und wundert sich über den Titel von Alice Holzhey-Kunz' Buch "Das Subjekt in der Kur", das seines Erachtens "Mut zu unzeitgemäßen Betrachtungen" beweist. Holzhey-Kunz, erfahren wir, ist Präsidentin der Schweizer Gesellschaft für Daseinsanalyse. Einerseits begibt sich die Autorin daran, wenn wir Lüdkehaus richtig verstehen, das eigenmächtige selbsttransparente Subjekt zu entmachten; andererseits versucht sie mit theoretischer Schützenhilfe von Sartre, Heidegger und Binswangers Daseinsanalyse bestimmte Persönlichkeitsstörungen als durchaus selbstverantwortet zu erklären, die bislang von der Psychiatrie als passiv erlittene behandelt wurden. Trotz des theoretischen Schwergeschützes, dem auch der Rezensent nicht entsagen mag, äußert er Zweifel an einer Rettungskur für das moderne Subjekt. Dabei beruft er sich auf Freud und kommt zu dem schönen, aber (in der Kürze seiner Rezension) unverständlichen Schluss: "Offenbar ist es konstitutiv für das unhintergehbare Subjekt, zum Renegaten seiner selbst zu werden."
© Perlentaucher Medien GmbH
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