»Ein warmherziger Roman über die Schönheit und den Schmerz der ersten Liebe, über Freundschaft und über die Grenze dazwischen. Stephan Lohse findet dafür eine zarte Sprache mit umso eindrücklicheren Bildern.« Isabel Bogdan
Hamburg, 1977. Julle ist vierzehn Jahre alt. Kurz vor den Sommerferien bekommt er einen neuen Mitschüler, Axel. Sofort ist Julle verliebt. Dass er schwul ist, weiß keiner. Bis auf seine Schwester und seine Mutter vielleicht, Mütter sollen so etwas ahnen. Julle zählt die Stunden, die er Axel kennt, und freundet sich mit ihm an. Zusammen gehen sie ins Freibad, füttern Axels Kaninchen und entdecken eine versteckte, halb abgebrannte Hütte im Wald. Als sie deren Geheimnis beinahe gelüftet haben, ist Axel plötzlich verschwunden - und Julle ahnt, dass nach diesem Sommer nichts mehr so sein wird wie davor.
Mit viel Fantasie, Einfühlungsvermögen und Witz erzählt Stephan Lohse von zwei Jungen und den Dingen im Leben, die alles bedeuten. Das Summen unterder Haut ist ein Roman über Liebe und Freundschaft, über das Aufwachsen in den siebziger Jahren - einer Vergangenheit, wie sie vielleicht nie war, aber hätte sein sollen. Und über einen aufregenden Sommer, der alles verändert.
Hamburg, 1977. Julle ist vierzehn Jahre alt. Kurz vor den Sommerferien bekommt er einen neuen Mitschüler, Axel. Sofort ist Julle verliebt. Dass er schwul ist, weiß keiner. Bis auf seine Schwester und seine Mutter vielleicht, Mütter sollen so etwas ahnen. Julle zählt die Stunden, die er Axel kennt, und freundet sich mit ihm an. Zusammen gehen sie ins Freibad, füttern Axels Kaninchen und entdecken eine versteckte, halb abgebrannte Hütte im Wald. Als sie deren Geheimnis beinahe gelüftet haben, ist Axel plötzlich verschwunden - und Julle ahnt, dass nach diesem Sommer nichts mehr so sein wird wie davor.
Mit viel Fantasie, Einfühlungsvermögen und Witz erzählt Stephan Lohse von zwei Jungen und den Dingen im Leben, die alles bedeuten. Das Summen unterder Haut ist ein Roman über Liebe und Freundschaft, über das Aufwachsen in den siebziger Jahren - einer Vergangenheit, wie sie vielleicht nie war, aber hätte sein sollen. Und über einen aufregenden Sommer, der alles verändert.
»Lohse erzählt in Das Summen unter der Haut wundervoll von erster Liebe.« Gustav Seibt Süddeutsche Zeitung 20231025
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Am liebsten würde Rezensent Gustav Seibt kaum Worte verlieren, so perfekt ist Stephan Lohses Roman in seinen Augen. Das Thema ist altbekannt: die erste Liebe. In diesem Fall erlebt sie der 14-jährige Julle, der sich in seinen Mitschüler Axel verliebt, was ihn regelrecht elektrisiert und einen neuen Blick auf die Welt mit sich bringt, so Seibt. Wir schreiben das Jahr 1977, RAF und Wirtschaftsgeschichte spielen eine Rolle, aber im Kern bleibt das Buch ein Roman über eine unglücklich verlaufende Liebe, wunderbar "einfach und zart" erzählt, lobt der beglückte Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.10.2023Alles wie elektrisiert
Der Schauspieler und Autor Stephan Lohse erzählt in „Das Summen unter der Haut“ wundervoll von erster Liebe
Es gibt Bücher, die man am liebsten nur kurz loben würde, ohne langes kritisches Vorbeten. Aber damit daraus am Ende auch eine Rezension wird, müssen eben doch ein paar Worte verloren werden. Worte verloren, ungewohnt passend in so einem Fall. Also: Stephan Lohses kleiner Roman „Das Summen unter der Haut“ ist in seiner Art perfekt. Er kann genau das, was er will. Er ist kein gewaltig anspruchsvolles, sprachsprengendes Meisterwerk, sondern erzählt eine einfache Geschichte auf einfache Weise. In seiner Art dann doch meisterlich. Das große Können des Autors ahnt man, wenn man überlegt, was er zu seinem Zweck alles weggelassen hat, wie schön er durch seine Knappheit erzählt und schreibt.
Es geht um den gewöhnlichsten Gegenstand von Literatur, die erste Verliebtheit. Die erste Liebe, die aus überraschender, sofort einsetzender Bezauberung entsteht. Neben anderen hat Wolfgang Herrndorf, an den gerade viel erinnert wird, die Redewendung „den Stecker ziehen“ mit in die Welt gesetzt. Damit sollte ein Moment von beglückter Wehrlosigkeit, von überraschter Überwältigung benannt werden. Mit so einem Moment beginnt der Roman, und auf einmal fragt man sich, ob das Bild nicht andersherum lauten müsste: Ein Stecker wird nicht gezogen, er wird eingesteckt, und auf einmal steht die ganze Existenz unter Strom.
In der Schulklasse des vierzehnjährigen Julle taucht ein neuer Mitschüler auf, ein Axel. Für Julle wird in einem Augenblick alles anders, er beginnt Stunden, Minuten, Sekunden der Nähe von Axel zu zählen. Axel sitzt schräg hinten. „In diesen zweiundzwanzig Stunden habe ich, weil ich mich ja schlecht umdrehen konnte, versucht, Axel mit dem Rücken wahrzunehmen. Meine rechte, ihm zugewandte Seite wurde zu einer Art Antenne. Keine Antenne, wie man sie kennt, mit Stäben und Drähten, eher eine empfindliche Fläche, die summend warm wurde. Als würde sich mein Gehirn in dieser Fläche befinden und sie aufheizen.“ Eindeutig ein Fall von eingestecktem Stecker!
Julle ist ein kluger Ich-Erzähler, der in den kommenden Wochen lernt, sich über sich selbst klar zu werden. Es ist das Jahr 1977 – die Anschläge der RAF sind ein Zeitmarker –, die Welt lebt noch ohne Mobiltelefon, alles ist noch ein wenig gemächlicher. Verabredungen, Treffen müssen mit Worten, mit Zetteln oder am Telefon angebahnt werden. Kinder können noch auf Stunden in Brachen und Ruinen verschwinden, ohne dass besorgte Eltern sie tracken und überwachen. Axel hat gerade sein Mutter verloren – Leukämie –, der Vater, Vertreter für mechanische Rechenmaschinen, ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil die feinmechanischen teuren Geräte aus deutscher Produktion von kleinen japanischen Elektrorechnern aus dem Markt gedrängt werden. Ein Zeitenbruch im Nebenbei. Wegen dieses doppelten Familienelends ist Axels Vater an den neuen Ort gezogen, wo sein junger Sohn dem neuen Klassenkameraden den Stecker einsetzt.
Es folgt ein langer Sommer, zusammengesetzt aus schönen jugendlichen Beiläufigkeiten, Schule, Baden, Party, Schlägereien, ein bisschen Flirten. Am Hang wohnt eine alte Frau, die versorgt werden muss, und man erfährt, sie ist lesbisch, sie hat eine Lebensgeschichte im noch laufenden 20. Jahrhundert, die vom Kampf um Emanzipation geprägt ist.
Eine Motivparallele zum lebensgeschichtlichen Moment bei Julle, den seine unvermittelte Verliebtheit zu einer Entscheidung drängt. Er weiß ja schon, dass er schwul ist, aber sonst weiß es nur seine Schwester.
Mit klugem Takt entwickelt Stephan Lohse hier kein Doppeldrama, zusammengesetzt aus Coming-out und unglücklicher Liebe. Es bleibt bei der unglücklichen Liebe. Axel ist viel klüger und reifer als Julle, auch wegen seiner Familientragödie. Er erkennt Julles Problem, aber er kann dessen stumm flehend angetragene Liebe nicht erwidern. Das Coming-out, vor dem sich auch Leser und Leserin ein wenig gefürchtet hatten, fällt dann beiläufig und glimpflich aus. It’s 1977. Aber leicht ist es doch nicht.
Alles ist sehr einfach und zart erzählt, meist in kurzen Sätzen. Einmal, wenn ein Satz lang wird, ist seelischer Aufruhr. Und einmal gibt es eine schöne Reminiszenz an Wolfgang Herrndorfs anders gelagerte Freundschaftsgeschichte „Tschick“: Die beiden Jungen überlegen sich, nachts ein Auto zu klauen, und unterhalten sich über den Kosmos, über die Dauer, die das Licht von Sonne und Mond zur Erde braucht. Würde die Sonne explodieren, erführe man es erst nach acht Minuten. „Axel zählt die Sekunden, und es klingt, als würde er dem Himmel einen Vorschlag machen. Ich zähle lautlos mit, ein Echo aus Luft.“ Dann Axel: „Alles in Ordnung. Es gibt sie noch. Wäre sie explodiert, wären wir schlagartig erfroren.“
GUSTAV SEIBT
Es ist Sommer 1977: Schule,
Baden, Party, Schlägereien,
ein bisschen Flirten
Stephan Lohse:
Das Summen
unter der Haut.
Roman. Insel Verlag,
Berlin 2023.
176 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
Der Schauspieler und Autor Stephan Lohse erzählt in „Das Summen unter der Haut“ wundervoll von erster Liebe
Es gibt Bücher, die man am liebsten nur kurz loben würde, ohne langes kritisches Vorbeten. Aber damit daraus am Ende auch eine Rezension wird, müssen eben doch ein paar Worte verloren werden. Worte verloren, ungewohnt passend in so einem Fall. Also: Stephan Lohses kleiner Roman „Das Summen unter der Haut“ ist in seiner Art perfekt. Er kann genau das, was er will. Er ist kein gewaltig anspruchsvolles, sprachsprengendes Meisterwerk, sondern erzählt eine einfache Geschichte auf einfache Weise. In seiner Art dann doch meisterlich. Das große Können des Autors ahnt man, wenn man überlegt, was er zu seinem Zweck alles weggelassen hat, wie schön er durch seine Knappheit erzählt und schreibt.
Es geht um den gewöhnlichsten Gegenstand von Literatur, die erste Verliebtheit. Die erste Liebe, die aus überraschender, sofort einsetzender Bezauberung entsteht. Neben anderen hat Wolfgang Herrndorf, an den gerade viel erinnert wird, die Redewendung „den Stecker ziehen“ mit in die Welt gesetzt. Damit sollte ein Moment von beglückter Wehrlosigkeit, von überraschter Überwältigung benannt werden. Mit so einem Moment beginnt der Roman, und auf einmal fragt man sich, ob das Bild nicht andersherum lauten müsste: Ein Stecker wird nicht gezogen, er wird eingesteckt, und auf einmal steht die ganze Existenz unter Strom.
In der Schulklasse des vierzehnjährigen Julle taucht ein neuer Mitschüler auf, ein Axel. Für Julle wird in einem Augenblick alles anders, er beginnt Stunden, Minuten, Sekunden der Nähe von Axel zu zählen. Axel sitzt schräg hinten. „In diesen zweiundzwanzig Stunden habe ich, weil ich mich ja schlecht umdrehen konnte, versucht, Axel mit dem Rücken wahrzunehmen. Meine rechte, ihm zugewandte Seite wurde zu einer Art Antenne. Keine Antenne, wie man sie kennt, mit Stäben und Drähten, eher eine empfindliche Fläche, die summend warm wurde. Als würde sich mein Gehirn in dieser Fläche befinden und sie aufheizen.“ Eindeutig ein Fall von eingestecktem Stecker!
Julle ist ein kluger Ich-Erzähler, der in den kommenden Wochen lernt, sich über sich selbst klar zu werden. Es ist das Jahr 1977 – die Anschläge der RAF sind ein Zeitmarker –, die Welt lebt noch ohne Mobiltelefon, alles ist noch ein wenig gemächlicher. Verabredungen, Treffen müssen mit Worten, mit Zetteln oder am Telefon angebahnt werden. Kinder können noch auf Stunden in Brachen und Ruinen verschwinden, ohne dass besorgte Eltern sie tracken und überwachen. Axel hat gerade sein Mutter verloren – Leukämie –, der Vater, Vertreter für mechanische Rechenmaschinen, ist in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, weil die feinmechanischen teuren Geräte aus deutscher Produktion von kleinen japanischen Elektrorechnern aus dem Markt gedrängt werden. Ein Zeitenbruch im Nebenbei. Wegen dieses doppelten Familienelends ist Axels Vater an den neuen Ort gezogen, wo sein junger Sohn dem neuen Klassenkameraden den Stecker einsetzt.
Es folgt ein langer Sommer, zusammengesetzt aus schönen jugendlichen Beiläufigkeiten, Schule, Baden, Party, Schlägereien, ein bisschen Flirten. Am Hang wohnt eine alte Frau, die versorgt werden muss, und man erfährt, sie ist lesbisch, sie hat eine Lebensgeschichte im noch laufenden 20. Jahrhundert, die vom Kampf um Emanzipation geprägt ist.
Eine Motivparallele zum lebensgeschichtlichen Moment bei Julle, den seine unvermittelte Verliebtheit zu einer Entscheidung drängt. Er weiß ja schon, dass er schwul ist, aber sonst weiß es nur seine Schwester.
Mit klugem Takt entwickelt Stephan Lohse hier kein Doppeldrama, zusammengesetzt aus Coming-out und unglücklicher Liebe. Es bleibt bei der unglücklichen Liebe. Axel ist viel klüger und reifer als Julle, auch wegen seiner Familientragödie. Er erkennt Julles Problem, aber er kann dessen stumm flehend angetragene Liebe nicht erwidern. Das Coming-out, vor dem sich auch Leser und Leserin ein wenig gefürchtet hatten, fällt dann beiläufig und glimpflich aus. It’s 1977. Aber leicht ist es doch nicht.
Alles ist sehr einfach und zart erzählt, meist in kurzen Sätzen. Einmal, wenn ein Satz lang wird, ist seelischer Aufruhr. Und einmal gibt es eine schöne Reminiszenz an Wolfgang Herrndorfs anders gelagerte Freundschaftsgeschichte „Tschick“: Die beiden Jungen überlegen sich, nachts ein Auto zu klauen, und unterhalten sich über den Kosmos, über die Dauer, die das Licht von Sonne und Mond zur Erde braucht. Würde die Sonne explodieren, erführe man es erst nach acht Minuten. „Axel zählt die Sekunden, und es klingt, als würde er dem Himmel einen Vorschlag machen. Ich zähle lautlos mit, ein Echo aus Luft.“ Dann Axel: „Alles in Ordnung. Es gibt sie noch. Wäre sie explodiert, wären wir schlagartig erfroren.“
GUSTAV SEIBT
Es ist Sommer 1977: Schule,
Baden, Party, Schlägereien,
ein bisschen Flirten
Stephan Lohse:
Das Summen
unter der Haut.
Roman. Insel Verlag,
Berlin 2023.
176 Seiten, 20 Euro.
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