Die Beschleunigung des Lebens
Vom mittelalterlichen Prinzip der Langsamkeit bis zur heutigen Jagd nach der Nanosekunde schildert Das Tempo-Virus, wie die Beschleunigung Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Alltag der Menschen verändert hat.
Tempo und Beschleunigung waren der Welt bis zum Spätmittelalter völlig fremd. Mit dem Aufstieg des Fernhandels jedoch setzte seit dem 15. Jahrhundert eine Entwicklung ein, bei der sich das Prinzip Geschwindigkeit zunächst im Transport-, Militär- und Produktionssektor, mit der Industrialisierung auch in den meisten Arbeits- und Lebensbereichen durchsetzte. In dieser spannend zu lesenden Kulturgeschichte der Beschleunigung analysiert Peter Borscheid das Werden der Non-Stop-Gesellschaft mit ihren Licht- und Schattenseiten. Er porträtiert tempobegeisterte Rennfahrer ebenso wie Soldaten im rasenden Maschinengewehrfeuer des 1. Weltkriegs und schildert, wie selbst Künstler der Geschwindigkeit huldigten. Wohin eine weitere Steigerung des Tempos führen mag, erkannte bereits Michael Endes Momo: "Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen. Und je mehr die Menschen daran sparten, umso weniger hatten sie."
Vom mittelalterlichen Prinzip der Langsamkeit bis zur heutigen Jagd nach der Nanosekunde schildert Das Tempo-Virus, wie die Beschleunigung Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Alltag der Menschen verändert hat.
Tempo und Beschleunigung waren der Welt bis zum Spätmittelalter völlig fremd. Mit dem Aufstieg des Fernhandels jedoch setzte seit dem 15. Jahrhundert eine Entwicklung ein, bei der sich das Prinzip Geschwindigkeit zunächst im Transport-, Militär- und Produktionssektor, mit der Industrialisierung auch in den meisten Arbeits- und Lebensbereichen durchsetzte. In dieser spannend zu lesenden Kulturgeschichte der Beschleunigung analysiert Peter Borscheid das Werden der Non-Stop-Gesellschaft mit ihren Licht- und Schattenseiten. Er porträtiert tempobegeisterte Rennfahrer ebenso wie Soldaten im rasenden Maschinengewehrfeuer des 1. Weltkriegs und schildert, wie selbst Künstler der Geschwindigkeit huldigten. Wohin eine weitere Steigerung des Tempos führen mag, erkannte bereits Michael Endes Momo: "Zeit ist Leben. Und das Leben wohnt im Herzen. Und je mehr die Menschen daran sparten, umso weniger hatten sie."
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.04.2004Alles geht so schnell vorbei
Mach mal Pause: Bei Peter Borscheid jagt ein Tempo das nächste
"Jeden Morgen wachen in Afrika Gazellen auf. Sie wissen, sie müssen schneller laufen als die schnellsten Löwen, um nicht gefressen zu werden. Jeden Morgen wachen in Afrika Löwen auf. Sie wissen, sie müssen schneller laufen als die langsamsten Gazellen, ansonsten würden sie verhungern. Letztlich ist es egal, ob du Gazelle oder Löwe bist. Wenn die Sonne aufgeht - mußt du rennen." Mit dieser Analogie beschreibt Peter Borscheid einmal den Zustand der Welt. In seinem Buch "Das Tempo-Virus" geht es um die ständige Beschleunigung fast aller Aspekte unseres Lebens, um den Wettlauf vom Hasen und vom Igel, um das immer eiligere Streben nach dem Glück.
Wie sagt doch die Rote Königin im zweiten Alice-Buch: "Hierzulande mußt du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst. Um anderswohin zu kommen, muß man noch mindestens doppelt so schnell laufen!" Auch das vorliegende Buch bleibt immer am gleichen Fleck. Es erzählt hundertmal dieselbe Geschichte. Im sechzehnten Jahrhundert wurde die Postlaufzeit von Brüssel nach Paris von 44 auf 36 Stunden verkürzt. Mit Henkels Universal-Waschmittel sparte man 1876 die Hälfte der Arbeitszeit ein. Die Leistungsfähigkeit unserer Mikrochips verdoppelt sich alle zwei Jahre.
Borscheid schildert das alles nach der Art eines Musikvideos. Eine Aufregung jagt die andere. Keine Einstellung dauert länger als drei Sekunden. Fakten, Fakten, Fakten. Leser über 23 sollten für den Fall, daß sie das Tempo nicht verkraften, die Hoffmannstropfen bereithalten. Das Buch ist eine Kulturgeschichte, und mehr will es nicht sein. Es beschreibt Ereignisse, Entwicklungen und Artefakte aus dem letzten halben Jahrtausend mit einer beeindruckenden Fülle von Einzelheiten. Das Interpretieren überläßt es größtenteils uns. Die beschriebene Welt - ein Zerrbild der unseren - erinnert an die Mandelbrotmenge mit ihrer fraktalen Struktur. Gleiche Formen tauchen immer wieder abgewandelt und in unterschiedlichen Größen auf. Das ist vielleicht die Hauptbotschaft: Ein Jumbo-Jet ist auch nur eine Postkutsche. Den Käufern des Werks sei geraten, sich mit der Lektüre Zeit zu lassen. Ansonsten wird dieses Déjà-vu-Erlebnis schnell zum schalen Genuß.
Die Darstellung beginnt kurz vor dem Ende des Mittelalters, etwa mit dem Jahr 1450. Das ist ein wenig willkürlich. Eine Exponentialkurve hat keinen kanonischen Anfang, aber irgendwann wundert man sich, wie steil es plötzlich bergauf geht. Unversehens überschlagen sich die Ereignisse. Natürlich war alles miteinander verknüpft. Schnellere Webstühle brauchten mehr Garn. Also erfand man Maschinen für das Spinnen. Sofort verlagerten sich die Engpässe auf die dem Spinnen vorgelagerten Arbeitsprozesse, und man benötigte zusätzlich Kardiermaschinen. Um die Mengen von Baumwolle zu bleichen, verwendete man statt der traditionellen Sauermilchmethode Schwefelsäure, Chlorkalk und Soda. Dafür waren weitere Erfindungen und Fabriken erforderlich. Zwischen 1750 und 1900 sank so der Arbeitsaufwand beim Spinnen und Weben auf ein Hundertstel.
Nicht alles wuchs in der gleichen Relation. Im Jahr 1614 kostete ein Brief von Frankfurt am Main nach Berlin soviel wie ein schlachtreifes Schwein. Heute ist die Post vergleichsweise billiger, aber nicht mehr so zuverlässig. An diesem Beispiel sieht man auch gleich, daß es nicht immer leicht ist, sinnvolle quantitative Aussagen zu machen. Jetzt gibt es Alternativen zum Versenden eines Briefs: Telefon, Fax, E-Mail oder einfach gleich persönlich hinfliegen. Man kann 1614 und 2004 nicht so recht vergleichen, aber der Informationsfluß von Frankfurt nach Berlin ist auf jeden Fall gewaltig gewachsen.
Die Themen, die Borscheid abhandelt, sind so zahlreich, daß wir sie hier kaum auflisten können. Folgen wir deshalb Graf Alfred von Schlieffen, dem preußischen Generalfeldmarschall und Schöpfer des Schlieffenplans von 1905, der in den Akten seiner Untergebenen alle überflüssigen Wörter mit dem Rotstift durchgestrichen hat, und verwenden wir den zeitsparenden Telegrammstil. Das Buch berichtet von den mechanischen Uhren, dem Bevölkerungswachstum, den Fortschritten im Fernhandel, im Schiffbau und in der Nachrichtenübermittlung. Es beschreibt die Beschleunigung in der Kriegstechnik, in der Industrie, im Verkehr und im Sport. Umfassend widmet es sich auch den Künsten: Impressionismus, Futurismus, Neue Sachlichkeit, Fotografie, Film, Werbung, Literatur, Theater, Musik, Architektur.
In der Kunst gab es allerdings auch kleinere Rückzugsgefechte. Zum Beispiel schrieb Alfred Döblin: "Entsetzlich - und doch scheint es fast wahr zu sein. Wir sollen einzig das Meckern, Paffen, Rattern, Heulen, Näseln der irdischen Dinge imitieren, das Tempo der Realität zu erreichen suchen, und dies sollte nicht Phonographie, sondern Kunst, und nicht nur Kunst, sondern Futurismus heißen?" Borscheid endet mit der "Tempophase seit 1950", die für ihn "Zeit der Elektronik" ist.
Von den drei olympischen Dimensionen citius, altius, fortius - schneller, höher, weiter - beschreibt Borscheid hauptsächlich das citius, das aber so gründlich wie möglich. Die Darstellung ist deshalb notwendig einseitig und übertrieben. Das ist dem Verfasser durchaus bewußt. Nachdem er über Hunderte von Seiten über die Beschleunigung polemisiert hat, schreibt er dann plötzlich von der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Sätze wie "Tempo ist noch nicht demokratisiert, doch ist der Boden bereitet und der Start erfolgt".
Vielleicht wäre es besser gewesen, einen Teil des Textes wegzulassen und dafür mehr zu dokumentieren und zu illustrieren. Gerade weil Borscheid hauptsächlich beschreibt und nicht analysiert, wären noch mehr Bilder sehr willkommen gewesen. Und statt ein futuristisches Gedicht kurz zu erwähnen, in dem das Kolbenherz des Dieselmotors besungen wurde, hätte man es ja auch einmal exemplarisch in seiner ganzen Länge abdrucken können. Man sollte sich zusätzlich zum Buch noch einen Film von Jacques Tati anschauen.
Der Titel "Das Tempo-Virus" ist etwas mißverständlich. "Virus" klingt nach einer Episode; so als ob man sich zufällig etwas eingefangen hat, mit dem das Immunsystem vermutlich doch noch fertig wird. Geschildert wird aber eher eine zwangsläufige Entwicklung wie das exponentielle Anwachsen eines Heuschreckenschwarms, der alles auffrißt, was er vorfindet. Natürlich ist irgendwann Schluß damit, doch erst, wenn alle Ressourcen verbraucht sind. Das Buch beschäftigt sich fast nur mit der Beschleunigung und nicht mit ihrem vorhersehbaren Ende.
ERNST HORST
Peter Borscheid: "Das Tempo-Virus". Eine Kulturgeschichte der Beschleunigung. Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2004. 409 S., 24 Abb., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Mach mal Pause: Bei Peter Borscheid jagt ein Tempo das nächste
"Jeden Morgen wachen in Afrika Gazellen auf. Sie wissen, sie müssen schneller laufen als die schnellsten Löwen, um nicht gefressen zu werden. Jeden Morgen wachen in Afrika Löwen auf. Sie wissen, sie müssen schneller laufen als die langsamsten Gazellen, ansonsten würden sie verhungern. Letztlich ist es egal, ob du Gazelle oder Löwe bist. Wenn die Sonne aufgeht - mußt du rennen." Mit dieser Analogie beschreibt Peter Borscheid einmal den Zustand der Welt. In seinem Buch "Das Tempo-Virus" geht es um die ständige Beschleunigung fast aller Aspekte unseres Lebens, um den Wettlauf vom Hasen und vom Igel, um das immer eiligere Streben nach dem Glück.
Wie sagt doch die Rote Königin im zweiten Alice-Buch: "Hierzulande mußt du so schnell rennen, wie du kannst, wenn du am gleichen Fleck bleiben willst. Um anderswohin zu kommen, muß man noch mindestens doppelt so schnell laufen!" Auch das vorliegende Buch bleibt immer am gleichen Fleck. Es erzählt hundertmal dieselbe Geschichte. Im sechzehnten Jahrhundert wurde die Postlaufzeit von Brüssel nach Paris von 44 auf 36 Stunden verkürzt. Mit Henkels Universal-Waschmittel sparte man 1876 die Hälfte der Arbeitszeit ein. Die Leistungsfähigkeit unserer Mikrochips verdoppelt sich alle zwei Jahre.
Borscheid schildert das alles nach der Art eines Musikvideos. Eine Aufregung jagt die andere. Keine Einstellung dauert länger als drei Sekunden. Fakten, Fakten, Fakten. Leser über 23 sollten für den Fall, daß sie das Tempo nicht verkraften, die Hoffmannstropfen bereithalten. Das Buch ist eine Kulturgeschichte, und mehr will es nicht sein. Es beschreibt Ereignisse, Entwicklungen und Artefakte aus dem letzten halben Jahrtausend mit einer beeindruckenden Fülle von Einzelheiten. Das Interpretieren überläßt es größtenteils uns. Die beschriebene Welt - ein Zerrbild der unseren - erinnert an die Mandelbrotmenge mit ihrer fraktalen Struktur. Gleiche Formen tauchen immer wieder abgewandelt und in unterschiedlichen Größen auf. Das ist vielleicht die Hauptbotschaft: Ein Jumbo-Jet ist auch nur eine Postkutsche. Den Käufern des Werks sei geraten, sich mit der Lektüre Zeit zu lassen. Ansonsten wird dieses Déjà-vu-Erlebnis schnell zum schalen Genuß.
Die Darstellung beginnt kurz vor dem Ende des Mittelalters, etwa mit dem Jahr 1450. Das ist ein wenig willkürlich. Eine Exponentialkurve hat keinen kanonischen Anfang, aber irgendwann wundert man sich, wie steil es plötzlich bergauf geht. Unversehens überschlagen sich die Ereignisse. Natürlich war alles miteinander verknüpft. Schnellere Webstühle brauchten mehr Garn. Also erfand man Maschinen für das Spinnen. Sofort verlagerten sich die Engpässe auf die dem Spinnen vorgelagerten Arbeitsprozesse, und man benötigte zusätzlich Kardiermaschinen. Um die Mengen von Baumwolle zu bleichen, verwendete man statt der traditionellen Sauermilchmethode Schwefelsäure, Chlorkalk und Soda. Dafür waren weitere Erfindungen und Fabriken erforderlich. Zwischen 1750 und 1900 sank so der Arbeitsaufwand beim Spinnen und Weben auf ein Hundertstel.
Nicht alles wuchs in der gleichen Relation. Im Jahr 1614 kostete ein Brief von Frankfurt am Main nach Berlin soviel wie ein schlachtreifes Schwein. Heute ist die Post vergleichsweise billiger, aber nicht mehr so zuverlässig. An diesem Beispiel sieht man auch gleich, daß es nicht immer leicht ist, sinnvolle quantitative Aussagen zu machen. Jetzt gibt es Alternativen zum Versenden eines Briefs: Telefon, Fax, E-Mail oder einfach gleich persönlich hinfliegen. Man kann 1614 und 2004 nicht so recht vergleichen, aber der Informationsfluß von Frankfurt nach Berlin ist auf jeden Fall gewaltig gewachsen.
Die Themen, die Borscheid abhandelt, sind so zahlreich, daß wir sie hier kaum auflisten können. Folgen wir deshalb Graf Alfred von Schlieffen, dem preußischen Generalfeldmarschall und Schöpfer des Schlieffenplans von 1905, der in den Akten seiner Untergebenen alle überflüssigen Wörter mit dem Rotstift durchgestrichen hat, und verwenden wir den zeitsparenden Telegrammstil. Das Buch berichtet von den mechanischen Uhren, dem Bevölkerungswachstum, den Fortschritten im Fernhandel, im Schiffbau und in der Nachrichtenübermittlung. Es beschreibt die Beschleunigung in der Kriegstechnik, in der Industrie, im Verkehr und im Sport. Umfassend widmet es sich auch den Künsten: Impressionismus, Futurismus, Neue Sachlichkeit, Fotografie, Film, Werbung, Literatur, Theater, Musik, Architektur.
In der Kunst gab es allerdings auch kleinere Rückzugsgefechte. Zum Beispiel schrieb Alfred Döblin: "Entsetzlich - und doch scheint es fast wahr zu sein. Wir sollen einzig das Meckern, Paffen, Rattern, Heulen, Näseln der irdischen Dinge imitieren, das Tempo der Realität zu erreichen suchen, und dies sollte nicht Phonographie, sondern Kunst, und nicht nur Kunst, sondern Futurismus heißen?" Borscheid endet mit der "Tempophase seit 1950", die für ihn "Zeit der Elektronik" ist.
Von den drei olympischen Dimensionen citius, altius, fortius - schneller, höher, weiter - beschreibt Borscheid hauptsächlich das citius, das aber so gründlich wie möglich. Die Darstellung ist deshalb notwendig einseitig und übertrieben. Das ist dem Verfasser durchaus bewußt. Nachdem er über Hunderte von Seiten über die Beschleunigung polemisiert hat, schreibt er dann plötzlich von der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg Sätze wie "Tempo ist noch nicht demokratisiert, doch ist der Boden bereitet und der Start erfolgt".
Vielleicht wäre es besser gewesen, einen Teil des Textes wegzulassen und dafür mehr zu dokumentieren und zu illustrieren. Gerade weil Borscheid hauptsächlich beschreibt und nicht analysiert, wären noch mehr Bilder sehr willkommen gewesen. Und statt ein futuristisches Gedicht kurz zu erwähnen, in dem das Kolbenherz des Dieselmotors besungen wurde, hätte man es ja auch einmal exemplarisch in seiner ganzen Länge abdrucken können. Man sollte sich zusätzlich zum Buch noch einen Film von Jacques Tati anschauen.
Der Titel "Das Tempo-Virus" ist etwas mißverständlich. "Virus" klingt nach einer Episode; so als ob man sich zufällig etwas eingefangen hat, mit dem das Immunsystem vermutlich doch noch fertig wird. Geschildert wird aber eher eine zwangsläufige Entwicklung wie das exponentielle Anwachsen eines Heuschreckenschwarms, der alles auffrißt, was er vorfindet. Natürlich ist irgendwann Schluß damit, doch erst, wenn alle Ressourcen verbraucht sind. Das Buch beschäftigt sich fast nur mit der Beschleunigung und nicht mit ihrem vorhersehbaren Ende.
ERNST HORST
Peter Borscheid: "Das Tempo-Virus". Eine Kulturgeschichte der Beschleunigung. Campus Verlag, Frankfurt am Main, 2004. 409 S., 24 Abb., geb., 24,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Ach, dieses Tempo, seufzt der Rezensent Arndt Brendecke - aber wenigstens kann man sich hin und wieder mit einem guten Buch in eine stille "Nische der Langsamkeit" zurückziehen - zum Beispiel, um sich anhand einer "faszinierend dichten Beschreibung" vorführen zu lassen, wie es dazu kam, dass die Geschwindigkeit beim modernen Menschen eine solch enorme Wertschätzung erfährt. Brendecke ist nicht nur von der klaren Einteilung des Autors ("Startphase" 1450-1800, "Beschleunigungsphase" 1800-1950, "Tempophase" seit 1950), sondern auch von seinem "einfachen, aber reflektiert vorgetragenen Argumentationsgang" beeindruckt: Vor dem Hintergrund eines "Prinzips der Langsamkeit" wird die Beschleunigung sichtbar und die Entwicklung des Prinzips Tempo zum Imperativ erzählbar. Das tut Peter Borscheid anhand einer Vielzahl von Belegen aus allen Bereichen des Lebens, und er tut es dem Rezensenten zufolge mit großem Kenntnisreichtum, überaus unterhaltsam und den Blick auch auf Abseitiges richtend. Dennoch hat Brendecke einen Einwand: "Beschleunigung ist nicht nur, wie der Autor vorauszusetzen scheint, ein objektiv messbarer Tatbestand", sondern auch, beispielsweise, "Teil des Hoffnungshorizontes jüdisch-christlicher Zeittraditionen und der offenbar immer gleichen Erfahrung der alternden Generationen". Der Einbezug solcher Bestandteile des "kollektiven Bewusstseins" hätte Borscheids "oftmals nur beschreibende Diagnostik" stärker fundieren können.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Der Hochmut des Blitzes "Borscheids Buch ist eine eindrucksvoll umfassende und detailreiche Darstellung, wie unsere Welt aus Techniken des Zeitmanagements emportauchte. Kaum ein Aspekt ist ausgelassen, und bei allen Einzelheiten bleibt die Darstellung kompetent auf der Höhe. Daher kann man das Buch als ein vorläufiges Standardwerk zum Thema nennen." (Frankfurter Rundschau, 24.03.2004) Das Handelsblatt empfiehlt "Borscheid zeigt, wie Beschleunigung die Menschen über Jahrhunderte verändert hat." (Handelsblatt, 23.04.2004) Warum die Eile? "Eine faszinierende Kultur- und Technikgeschichte. Wer selbst der Geschwindigkeitsdroge verfallen ist, sollte sie lesen. Wer das heutige Arbeits- und Lebenstempo als blinde Raserei empfindet, erst recht." (Die Märkische, 24.04.2004) Schneller, schneller! "Manager, die Freude an technischen und historischen Details haben, werden dieses kenntnisreiche Werk mit Interesse und Gewinn lesen." (Harvard Business Manager, 01.05.2004) Tempo! "Borscheids Buchist ein guter Grund, sich in eine der Nischen der Langsamkeit und der Kontemplation zurückzuziehen, die uns noch verblieben sind: die der Lektüre eines lesenswerten Buches." (Neue Zürcher Zeitung, 12.05.2004) Im Geschwindigkeitsrausch "Die breit angelegte, farbige Darstellung der unerhörten Beschleunigungseffekte, die Arbeits- wie Lebensbereiche erfassen, vermittelt ein eindrucksvolles Tableau der Licht- und Schattenseiten unserer Kultur und Zivilisation." (Die Zeit, 21.05.2004) Abgefahren: Die Kulturgeschichte des Tempos "Borscheid ist ein inspirierendes Buch gelungen, dessen Vorzug darin besteht, dass es die Entstehung und Entwicklung der Beschleunigung als gesellschaftliche Norm kundig, mit Blick fürs Detail und einer beeindruckenden Fülle unterschiedlicher Themen nachzeichnet." (Süddeutsche Zeitung, 29.06.2004) Beschleunigung "Peter Borscheid ist ein ungemein bildendes Buch über die Geschichte des Umgangs mit der Zeit gelungen." (Sächsische Zeitung, 03.08.2004) Wo bleibt die gesparte Zeit? "Borscheids Buch besticht durch originelle Begrifflichlichkeit, durch gute Lesbarkeit, durch den strukturgeschichtlichen Zugriff auf die Phänomene der Beschleunigung und deren Deutung, durch den Reichtum der Detailbeobachtungen. Ein anregender und unterhaltsamer Lesestoff für geruhsame Winterabende." (Die Rheinpfalz, 20.11.2004) Zwischen Tempolust und Tempolast "Borscheid zeigt äußerst kurzweilig, wie die entscheidenden Beschleunigungsphasen durch technische Neuerungen angestoßen wurden und wie sie das Leben von den Rhythmen der Natur abkoppelten." (Psychologie heute, 01.01.2005) Entdeckung der Geschwindigkeit "Eine beeindruckende Monografie." (Der Tagesspiegel, 22.05.2005)