Auferstehung eines Erfundenen
Die Rückkehr des von Lissabon 1919 nach Brasilien ausgewanderten Protagonisten Ricardo Reis in seine Heimat ist an sich nichts Außergewöhnliches. Und doch merkt man schnell, dass der in die Fremde gezogene nun im vermeintlich sicheren Heimathafen erst recht fremd zu
sein scheint.
So findet der Arzt und Heimkehrer 1935 keinen Ankerplatz, als in einem kleinen…mehrAuferstehung eines Erfundenen
Die Rückkehr des von Lissabon 1919 nach Brasilien ausgewanderten Protagonisten Ricardo Reis in seine Heimat ist an sich nichts Außergewöhnliches. Und doch merkt man schnell, dass der in die Fremde gezogene nun im vermeintlich sicheren Heimathafen erst recht fremd zu sein scheint.
So findet der Arzt und Heimkehrer 1935 keinen Ankerplatz, als in einem kleinen Hotel und lässt sich von den Abläufen eines tristen Alltags zunächst treiben, ohne Freude und Lust, ohne wirkliche Beziehungen. Lediglich das Zimmermädchen Lídia ist ein gewisser Lichtblick für den von Trugbildern heimgesuchten Mann. Später entsteht eine platonische Sehnsucht und Liebelei zu Marcenda, die mit ihrem Vater im gleichen Hotel logiert, einen bewegungslosen linken Arm hat und lediglich dem Wunsch des Vaters nach medizinischer Hilfe nach Lissabon folgte.
Immerhin wird er skurriler Weise kurz nachdem er dessen Grab aufgesucht hatte von dem kürzlich verstorbenen Fernando Pessao aufgesucht, der mit ihm über das Leben und sein Handeln, insbesondere herablassend über die in Pessaos Augen wohl eher kindischen Liebeleien des Arztes mittleren Alters philosophiert.
Eine plötzliche Vorladung zur Polizei führt ihm die Wirklichkeit politischer Unzulänglichkeiten und gesellschaftlicher Realitäten zur Zeit des Salazar-Regimes erkennen. Er nimmt sich eine Wohnung und versucht auch trotz finanzieller Unabhängigkeit eine Arbeitsstelle zu finden, was in einer nahegelegenen Klinik auch gelingt. Seine Sehnsucht nach einem normalen Leben bleibt bestehen, findet jedoch keine rechte Erfüllung, zu wankelmütig und unentschieden tändelt Ricardo Reis durch den Alltag. Auch die Mitteilung über Lídias Schwangerschaft lässt den werdenden Vater keineswegs seine Verantwortung erkennen und wahrnehmen, vielmehr distanziert er sich von ihr und versteift sich fast noch mehr auf die unerfüllte Sehnsucht nach Marcenda.
Das Ende der Geschichte könnte auch das Ende des Protagonisten sein, die Melancholie, die unerfüllten Hoffnungen auf ein besseres Jetzt und ein noch besseres Morgen zerfallen geradezu zwischen den Zeilen, als ein Aufstand gegen die Herrschenden schon vor dem richtigen Ausbruch niedergeschlagen wird.
Auch hier fehlt Reis die nötige Empathie Lídia gegenüber, deren Bruder, wie er von ihr wusste, als Aktivist und Oportonist sicher mit bei dem Putschversuch beteiligt war und augenfällig zu Tode kam.
In der Sogwirkung der Saramagotypischen Erzählweise unendlicher Satzkonstruktionen trägt einen der Roman dahin und es ist schwer, einen Spannungsbogen auszumachen. Alles spielt sich gewissermaßen auf einer Wellenlänge ab, was sich schnell als Durchschnitt auswirkt. So ist das Buch gut, aber nicht sehr gut und erst recht nicht so hervorragend, wie man es von dem Autor erwartet hätte. Motiv und Vorhaben, dem spanischen Dichter ein Denkmal zu setzen, lassen sich eben noch aus dem Kladdentext entnehmen, die Geschichte selbst gibt es meiner Ansicht nach her.
(c) 5/2014, Redaktionsbüro Geißler, Uli Geißler, Freier Journalist, Fürth/Bay.