Der Mythos der "Mutter Polin", der in der Epoche der polnischen Romantik im 18. und 19. Jahrhundert, also in einer Zeit der intensiven Entwicklung des nationalen Gedankens entstand, ist ein Schlüsselbegriff der polnischen Kultur und bildet einen wichtigen Bestandteil des traditionellen Frauenbildes. Die Retraditionalisierung der Geschlechterrollen in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, die von den Frauen die völlige Hingabe an die Kinder und Familie verlangte und den Fokus auf Heim und Familie legte, hatte in dem Mythos "Mutter Polin" eine Vorlage. Dies war besonders zur Zeit des Systemumbruchs sichtbar, wo die neu erlangte Freiheit und Demokratie für Frauen mit dem Verlust oder der massiven Einschränkung ihrer Rechte und der Relegierung zurück in den Haushalt verbunden war. Die historisch bedingten Verstrickungen zwischen Nation, Religion und Politik, sowie die hegemoniale Stellung der katholischen Kirche in Polen haben nach 1989 mit der Rückkehr zu "der natürlichen Ordnung" zur ideologischen Wiederbelebung des Mythos der Mutter Polin geführt. In der vorliegenden Arbeit wurde die Bedeutung des traditionellen Mythos der Mutter Polin für polnische Migrantinnen in Wien untersucht.