Dieses Buch hält Träume aus fünfundzwanzig Jahren fest, geträumt und aufgeschrieben von Martin Walser, zu Bildern gemacht, auf Bildern inszeniert von Cornelia Schleime.
Und es ist wie so oft: Der Träumer kann fliegen, im Handumdrehn kommt er von einem Ort zum nächsten, er macht sich lächerlich und muss erkennen, dass er, während er sich lächerlich macht, gerade auf einer Bühne steht, vor Zuschauern ... Und so berichtet der Schriftsteller von Witz und Schrecken, Peinlichkeit und Rettung in seinen Träumen, und die Malerin folgt ihm kongenial.
Natürlich taucht Unbekanntes auf, der Selbstkostenpreis Gottes zum Beispiel. Oder gefiederte Hunde. Oder Wörter wie branghementique, die es nicht gibt, oder Kinder, die mit Krawatten auf die Welt kommen. Aber auch Bekanntes und Bekannte haben ihren Auftritt, die Stadt Wasserburg vor allem, dann auch Thomas Mann und Rudolf Augstein und Pete Sampras. Oder Maria Stuart, Edgar Selge und Jürgen Habermas. Und die bekannte unbekannte Schönheit, naheliegenderweise. Immer wieder.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Und es ist wie so oft: Der Träumer kann fliegen, im Handumdrehn kommt er von einem Ort zum nächsten, er macht sich lächerlich und muss erkennen, dass er, während er sich lächerlich macht, gerade auf einer Bühne steht, vor Zuschauern ... Und so berichtet der Schriftsteller von Witz und Schrecken, Peinlichkeit und Rettung in seinen Träumen, und die Malerin folgt ihm kongenial.
Natürlich taucht Unbekanntes auf, der Selbstkostenpreis Gottes zum Beispiel. Oder gefiederte Hunde. Oder Wörter wie branghementique, die es nicht gibt, oder Kinder, die mit Krawatten auf die Welt kommen. Aber auch Bekanntes und Bekannte haben ihren Auftritt, die Stadt Wasserburg vor allem, dann auch Thomas Mann und Rudolf Augstein und Pete Sampras. Oder Maria Stuart, Edgar Selge und Jürgen Habermas. Und die bekannte unbekannte Schönheit, naheliegenderweise. Immer wieder.
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Rezensent Christoph Schröder scheint gerührt angesichts von Martin Walsers Träumen, die er als "Brückenschlag" zwischen Bewusstseins- und Zeitebenen deutet. Einerseits erscheinen ihm Walsers Traum-Miniaturen über das Alter, die eigene Karriere, den Bodensee für den Leser vorausssetzungslos zu sein, andererseits ahnt Schröder, dass es die Lektüre erleichtert, ist man mit Walsers Interventionen, Weggefährten und Feinden vertraut, etwa wenn MRR in einem Traum seinen Auftritt hat und mit dem Autor eine Fechterei (mit Holzstöcken) austrägt. So ausgerüstet erwartet den Leser eine altersmilde, humorvolle, durchaus originelle Lektüre, die durch Cornelia Schleimes Postkartenverfremdungen noch gewinnt, wie der Rezensent versichert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Rezensent Christoph Schröder scheint gerührt angesichts von Martin Walsers Träumen, die er als "Brückenschlag" zwischen Bewusstseins- und Zeitebenen deutet. Einerseits erscheinen ihm Walsers Traum-Miniaturen über das Alter, die eigene Karriere, den Bodensee für den Leser vorausssetzungslos zu sein, andererseits ahnt Schröder, dass es die Lektüre erleichtert, ist man mit Walsers Interventionen, Weggefährten und Feinden vertraut, etwa wenn MRR in einem Traum seinen Auftritt hat und mit dem Autor eine Fechterei (mit Holzstöcken) austrägt. So ausgerüstet erwartet den Leser eine altersmilde, humorvolle, durchaus originelle Lektüre, die durch Cornelia Schleimes Postkartenverfremdungen noch gewinnt, wie der Rezensent versichert.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.03.2022„Habermas hat mehr Angst als ich“
An seinem 95. Geburtstag: Martin Walser träumt und sendet „Postkarten aus dem Schlaf“
Absolut souverän, eigentlich unangreifbar ist ein Dichter, der über seine Träume schreibt. Sie sind das Persönlichste, unkritisiertbar, ihre Logik erklärt sich nur aus sich selbst. Wie die der Kunst, wenn man sie ernst und heilig betrachtet. Martin Walser, für den ja mit das Wort „Großschriftsteller“ zusammengesetzt wurde, hat sein Lebenswerk immer aus dem Eigenen, aus dem Ich geschöpft und seine Bücher an nichts messen lassen wollen als an der Erfahrungsqualität, die man darin findet.
Über Jahrzehnte war er allerdings auch eine unüberhörbare Stimme des öffentlichen Lebens, in den schon ohne soziale Netzwerke gut schrillen Debatten. Inzwischen ist es stiller um ihn geworden. Er wird nicht mehr so oft von Journalisten in seinem Haus am Bodensee besucht, aber die Leute vom Literaturarchiv Marbach waren neulich da und haben schon mal Teile des Vorlasses mitgenommen: 75 Tagebücher unter anderem, seine Privatbibliothek.
Jetzt wird Walser 95 Jahre alt und schickt zu seinem Geburtstag „Postkarten aus dem Schlaf“: Traumprotokolle, ähnlich den unvergesslichen, in denen Theodor W. Adorno eine „Schwanz-Waschmaschine“ vorgeschlagen bekam, worauf er lachend erwacht sein will. Träume sind eben das Intimste, Eigenste, aber wenn man in den Träumen von Anderen lesen darf, sucht man doch etwas Gemeinsames, das anthropologisch Wiedererkennbare.
Zerfallende Körperteile könnten so ein Element sein: „Das Geschlechtsteil zur Hälfte weg“, notiert Walser: „Ich muss es in einer Schachtel verbergen. Schaue an mir nach. Zum Glück ist es nachgewachsen!“ Oder die Vorstellung, im falschen Moment alles zu vergessen: „Ich spiele mit in einem Stück von mir“, aber es ertönt kein Wort, das Publikum geht: „und es stellt sich heraus, dass ich meinen Text nicht gesagt habe. Sie haben alle auf mich gewartet!“
In sexuellen Träumen tauchen in diesem „Traumbuch“ ganz schön oft finstere Randfiguren auf: „Es fängt an, will anfangen, da sitzen auf der Bettkante zwei dunkel, aber phantastisch gekleidete Frauen, junge, strenge, und beobachten genau, was wir tun.“ Ein anderes Mal: „Mit einer jungen Frau im Bett“, gibt es wieder so eine Ahnung: „Plötzlich stehe ich auf, gehe um das Doppelbett herum, am Fußende des Bettes sitzt etwas unter einem dunklen Tuch, als schwarze Silhouette. Mama. Sie muss alles gehört haben.“
Die geträumte Mutter lauscht auch an den Türen des Gasthofes, in dem Martin Walsers Elternhaus in Wasserburg wiederzuerkennen ist. Da spielen überhaupt viele seiner Träume, und die Künstlerin Cornelia Schleime hat das Buch mit übermalten historischen Postkarten von dort und vom Bodensee illustriert.
Auffallend stark konturiert tritt nebenbei das Personal der Bundesrepublik, andere große Männer, in Walsers Träumen auf. Eine Explosion reißt ihn und Jürgen Habermas in die Luft: „Wir klammern uns aneinander, umarmen einander. Habermas hat mehr Angst als ich“. Thomas Mann kommt vor, Hitler, Rudolf Augstein auf einem Motorrad, Pete Sampras („Ich sage, dass ich diese Meisterhand ein bisschen pressen möchte.“).
Mit Literaturkritikern sieht man Martin Walser im Clinch, seit er in dem Roman „Tod eines Kritikers“ eine Schlüsselfigur von Marcel Reich-Ranicki auftreten ließ, in deren Karikatur wiederum Kritiker antisemitische Züge sahen. Im Traum trifft er Reich-Ranicki und „eine Art Michel Friedmann“. Alle drei sind leicht bewaffnet: „Ein kurzes Gefecht mit den Stöckchen“. Joachim Kaiser trägt in einer anderen Episode eine „Baumwollturnhose“, auf der die Kritik zur Walser-Novelle „Dorle und Wolf“ abgedruckt ist: „Er hat sexuelle Absichten.“
Einmal tritt Sigmund Freud in Walsers Träumen auf, ein bisschen bedrohlich vielleicht: „man konnte nichts sagen, weil er immer schon wusste, was man sagen würde.“ Von der psychoanalytischen Traumdeutung hält Walser nicht viel: „Es gibt kein Unterbewusstsein“, schreibt er und wappnet sich gegen die Interpreten: „Meine Träume müssen nicht gedeutet oder gar nach den billigsten Schlüsseln übersetzt werden“, heißt es. „Sie sind mir deutlich genug.“ Dabei bleiben zu dürfen ist das Vorrecht des Alters. Oder des Dichters.
MARIE SCHMIDT
Thomas Mann, Rudolf Augstein,
Hitler und Pete Sampras: Walser
trifft im Traum berühmte Männer
Martin Walser,
Cornelia Schleime: Das Traumbuch. Postkarten aus dem Schlaf.
Rowohlt, Hamburg 2022. 144 Seiten, 24 Euro.
Martin Walser vor seinem Haus in Überlingen-Nußdorf.
Foto: Seeger/pict. alliance/dpa
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An seinem 95. Geburtstag: Martin Walser träumt und sendet „Postkarten aus dem Schlaf“
Absolut souverän, eigentlich unangreifbar ist ein Dichter, der über seine Träume schreibt. Sie sind das Persönlichste, unkritisiertbar, ihre Logik erklärt sich nur aus sich selbst. Wie die der Kunst, wenn man sie ernst und heilig betrachtet. Martin Walser, für den ja mit das Wort „Großschriftsteller“ zusammengesetzt wurde, hat sein Lebenswerk immer aus dem Eigenen, aus dem Ich geschöpft und seine Bücher an nichts messen lassen wollen als an der Erfahrungsqualität, die man darin findet.
Über Jahrzehnte war er allerdings auch eine unüberhörbare Stimme des öffentlichen Lebens, in den schon ohne soziale Netzwerke gut schrillen Debatten. Inzwischen ist es stiller um ihn geworden. Er wird nicht mehr so oft von Journalisten in seinem Haus am Bodensee besucht, aber die Leute vom Literaturarchiv Marbach waren neulich da und haben schon mal Teile des Vorlasses mitgenommen: 75 Tagebücher unter anderem, seine Privatbibliothek.
Jetzt wird Walser 95 Jahre alt und schickt zu seinem Geburtstag „Postkarten aus dem Schlaf“: Traumprotokolle, ähnlich den unvergesslichen, in denen Theodor W. Adorno eine „Schwanz-Waschmaschine“ vorgeschlagen bekam, worauf er lachend erwacht sein will. Träume sind eben das Intimste, Eigenste, aber wenn man in den Träumen von Anderen lesen darf, sucht man doch etwas Gemeinsames, das anthropologisch Wiedererkennbare.
Zerfallende Körperteile könnten so ein Element sein: „Das Geschlechtsteil zur Hälfte weg“, notiert Walser: „Ich muss es in einer Schachtel verbergen. Schaue an mir nach. Zum Glück ist es nachgewachsen!“ Oder die Vorstellung, im falschen Moment alles zu vergessen: „Ich spiele mit in einem Stück von mir“, aber es ertönt kein Wort, das Publikum geht: „und es stellt sich heraus, dass ich meinen Text nicht gesagt habe. Sie haben alle auf mich gewartet!“
In sexuellen Träumen tauchen in diesem „Traumbuch“ ganz schön oft finstere Randfiguren auf: „Es fängt an, will anfangen, da sitzen auf der Bettkante zwei dunkel, aber phantastisch gekleidete Frauen, junge, strenge, und beobachten genau, was wir tun.“ Ein anderes Mal: „Mit einer jungen Frau im Bett“, gibt es wieder so eine Ahnung: „Plötzlich stehe ich auf, gehe um das Doppelbett herum, am Fußende des Bettes sitzt etwas unter einem dunklen Tuch, als schwarze Silhouette. Mama. Sie muss alles gehört haben.“
Die geträumte Mutter lauscht auch an den Türen des Gasthofes, in dem Martin Walsers Elternhaus in Wasserburg wiederzuerkennen ist. Da spielen überhaupt viele seiner Träume, und die Künstlerin Cornelia Schleime hat das Buch mit übermalten historischen Postkarten von dort und vom Bodensee illustriert.
Auffallend stark konturiert tritt nebenbei das Personal der Bundesrepublik, andere große Männer, in Walsers Träumen auf. Eine Explosion reißt ihn und Jürgen Habermas in die Luft: „Wir klammern uns aneinander, umarmen einander. Habermas hat mehr Angst als ich“. Thomas Mann kommt vor, Hitler, Rudolf Augstein auf einem Motorrad, Pete Sampras („Ich sage, dass ich diese Meisterhand ein bisschen pressen möchte.“).
Mit Literaturkritikern sieht man Martin Walser im Clinch, seit er in dem Roman „Tod eines Kritikers“ eine Schlüsselfigur von Marcel Reich-Ranicki auftreten ließ, in deren Karikatur wiederum Kritiker antisemitische Züge sahen. Im Traum trifft er Reich-Ranicki und „eine Art Michel Friedmann“. Alle drei sind leicht bewaffnet: „Ein kurzes Gefecht mit den Stöckchen“. Joachim Kaiser trägt in einer anderen Episode eine „Baumwollturnhose“, auf der die Kritik zur Walser-Novelle „Dorle und Wolf“ abgedruckt ist: „Er hat sexuelle Absichten.“
Einmal tritt Sigmund Freud in Walsers Träumen auf, ein bisschen bedrohlich vielleicht: „man konnte nichts sagen, weil er immer schon wusste, was man sagen würde.“ Von der psychoanalytischen Traumdeutung hält Walser nicht viel: „Es gibt kein Unterbewusstsein“, schreibt er und wappnet sich gegen die Interpreten: „Meine Träume müssen nicht gedeutet oder gar nach den billigsten Schlüsseln übersetzt werden“, heißt es. „Sie sind mir deutlich genug.“ Dabei bleiben zu dürfen ist das Vorrecht des Alters. Oder des Dichters.
MARIE SCHMIDT
Thomas Mann, Rudolf Augstein,
Hitler und Pete Sampras: Walser
trifft im Traum berühmte Männer
Martin Walser,
Cornelia Schleime: Das Traumbuch. Postkarten aus dem Schlaf.
Rowohlt, Hamburg 2022. 144 Seiten, 24 Euro.
Martin Walser vor seinem Haus in Überlingen-Nußdorf.
Foto: Seeger/pict. alliance/dpa
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Stil, Blick und subtiler Witz: Kristallklare Essays über Autorendasein und Fotografie, Wahrnehmung und die beste Form - wie macht er das nur? Alexander ; Ulrich ; Iris ; Elke Camman ; Greiner ; Radisch ; Schmitter Die Zeit 20221117