Auf seinem Aventiurenweg lernt der Artusheld Erec, Mitgefühl mit dem Leiden anderer zu empfinden. Am Anfang dieses Weges steht allerdings für ihn das quälende Gefühl der Scham nach einer öffentlichen Demütigung. Beide Gefühle aber beruhen auf dem Vermögen, eine selbstreflexive Distanz einzunehmen. Ein Vergleich mit der französischen Vorlage Hartmanns, Chrétiens Erec et Enide, unter emotionstheoretischem Blickwinkel vermag hier zu zeigen, daß der deutsche Dichter mit dem Gewinn von Selbstherrschaft auch neue Räume von Selbstzweifeln, Schuld und Scham eröffnet. Insofern lassen sich an Hartmanns Erec Tendenzen eines Rationalisierungsprozesses ablesen, in dem die Verinnerlichung gesellschaftlicher Normen einhergeht mit der Errichtung negativer Innenwelten sowie einem wahrnehmbaren Verlust an Bindungsgefühlen.