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Es wird registriert, daß das individuelle Bewußtsein sich in verschiedenen Hinsichten nicht selbst beobachten kann, daß es zumindest zu Teilen für sich selbst intransparent ist. Die folgenreichste Formulierung dieser Entdeckung findet Freud mit seiner Konzeption des Unbewußten, das als das Nichtbeobachtbare schlechthin konzipiert ist und dessen Dann-doch-Beobachtung eine moderne soziale Mythologie ins Leben ruft. Auch Lacan reagiert auf das Ausgangsproblem der unterbrochenen Selbstreferenz des Bewußtseins. Beide Autoren werden im Blick auf die Ausgangsfrage diskutiert, und ihre Ergebnisse…mehr

Produktbeschreibung
Es wird registriert, daß das individuelle Bewußtsein sich in verschiedenen Hinsichten nicht selbst beobachten kann, daß es zumindest zu Teilen für sich selbst intransparent ist. Die folgenreichste Formulierung dieser Entdeckung findet Freud mit seiner Konzeption des Unbewußten, das als das Nichtbeobachtbare schlechthin konzipiert ist und dessen Dann-doch-Beobachtung eine moderne soziale Mythologie ins Leben ruft. Auch Lacan reagiert auf das Ausgangsproblem der unterbrochenen Selbstreferenz des Bewußtseins. Beide Autoren werden im Blick auf die Ausgangsfrage diskutiert, und ihre Ergebnisse werden dann konfrontiert mit dem, was die Systemtheorie in Luhmannscher Prägung zur Frage der Selbstbeobachtung des Bewußtseins und zur Frage der unterbrochenen Selbstreferenz beisteuern könnte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.1999

Das soll ich sein?
Fundstellen gesucht: Peter Fuchs erklärt das unglückliche Bewußtsein systemtheoretisch

Jacques Lacan und William James: Mit einer aus diesen beiden Scherblättern gebildeten Zange kann man die sperrige Systemtheorie des Unbewußten in den Griff bekommen, die Peter Fuchs vorlegt. Dreh- und Angelpunkt, der es ihr erlaubt, die Lacansche Psychoanalyse und die Luhmannsche Systemtheorie miteinander zu verbinden, ist die Kritik des Beobachterstandpunktes, den die Selbsterkenntnis voraussetzt: Während Lacan betont, daß das Subjekt sich im blinden Spiegel der Sprache nur unzulänglich selbst wahrnehmen kann, ohne doch in seiner narzißtischen Selbstverfallenheit von sich absehen zu können, überhöht Luhmann in Anlehnung an William James diese Einsicht zum "blinden Fleck" jeder Beobachtung. Eine Beobachtung kann die Unterscheidung, von der sie ausgeht, nicht selbst beobachten.

Sowohl für Lacan wie auch für Luhmann ist das Bewußtsein psychischer Systeme auf die Kommunikation sozialer Systeme verwiesen, will es zu sich selbst kommen; gleichzeitig ist es jedoch gerade durch die Kommunikation, die sich in einem anderen Medium bewegt, das heißt eine andere Unterscheidung trifft als das Bewußtsein, von sich selbst abgeschnitten. Das Verhältnis zwischen Bewußtsein und Kommunikation ist windschief: Es weiß von sich selbst nur durch die Kommunikation der Gesellschaft, ohne sich in seiner Unmittelbarkeit selbst vergegenwärtigen und dieser mitteilen zu können. Wie konstruiert man unter diesen Voraussetzungen, die Fuchs "das Unbewußte" nennt, ein soziales System? Ausführlich erläutert der Neubrandenburger Soziologe alle Probleme, die sich aus diesem windschiefen Verhältnis - vor allem bei der Sozialisation von Kleinkindern - ergeben, aus systemtheoretischer, durch die Psychoanalyse angeregter Sicht.

Gelegentlich amüsant, meist ärgerlich sind die Fußnoten. Gerne erfährt man das Leitmotiv von Niklas Luhmanns asketischer, mit Freud geteilter Lebensführung: Guter Geist ist trocken. Doch all die Anmerkungen, die sich im koketten Bekenntnis erschöpfen: "Ich habe das nicht weiter überprüft", "Ich hätte irgendwo nachschlagen sollen", "Und ohne daß ich ganz überblicke, was ich gerade tue", hätte der Autor dem Leser aus Höflichkeit erlassen müssen. Statt dessen bürdet er ihm die bibliographische Last auf, dem Autor den Fundort einer Anekdote mitzuteilen, an deren Herkunft er sich nicht mehr erinnert.

Die Stärke von Fuchs' Systemtheorie des Unbewußten liegt in der Sprachkritik ihrer metaphorischen Voraussetzungen. Fuchs' eigene Metaphern verschleiern den funktionalistischen Hang der Systemtheorie zur Logistik nicht, wenn ihr Ausgangsproblem als Unfähigkeit des Bewußtseins thematisiert wird, "sich selbst zu beobachten mit anderen Mitteln als mit sozial angelieferten Unterscheidungen". Hier wird das Unbewußte zum Entsorgungsproblem kommunikativer Störfälle. Mitentsorgt wird allerdings gleichzeitig dessen tragische Dimension. Doch kein Schutzbrief der Welt kann gegen die unheilvollen Verstrickungen schützen, die Sigmund Freud im Ödipus-Komplex, Jacques Lacan in der Sprachverfallenheit des Subjekts gesehen hat, auch nicht die systemtheoretische Zuversicht, daß gerade die Psychoanalyse dem "polykontexturalen Bewußtsein" in unserer funktional differenzierten Gesellschaft helfen soll, ansprechbar zu bleiben. MARTIN STINGELIN

Peter Fuchs: "Das Unbewußte in Psychoanalyse und Systemtheorie". Die Herrschaft der Verlautbarung und die Erreichbarkeit des Bewußtseins. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1998. 240 S., br., 18,80 DM.

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