Sie ist erst 33 Jahre alt und wird ein Jahr später sterben, als sie im April und Mai 1942 ihren wichtigsten spirituellen Text verfasst. Das Unglück und die Gottesliebe erschien posthum mit einem Vowort von T.S. Eliot. Das Unglück - in Form von physischem oder seelischem Schmerz, aber auch sozialer Erniedrigung - enwurzelt den Menschen so sehr, dass der von ihm Betroffene das Ganze seines Leben nicht mehr einzuordnen vermag und es als sinnlos empfindet. Um nicht vollständig vom Unglück zerrissen zu werden, muss der Mensch das, was ihm auferlegt ist, annehmen und ihm zustimmen. Dies gelingt ihm jedoch nur dann, wenn er sich etwas Größerem unterordnet. Das kann nur Gott sein, bzw. übernatürliche Liebe. So ist das Mysterium des Unglücks das Erleben einer religiösen Erfahrung und ein mystischer Weg in die Gottesliebe, die ihm verwehrt bliebe, wenn er von sich aus danach strebte, denn das Tor zu Gott ist unmöglich zu öffnen - es sei denn, es wird von innen geöffnet. So braucht es Geduld, um die Erfahrung der Liebe Gottes zu machen, die einem geschenkt oder vorenthalten wird, aber auf keinen Fall zu erwerben ist. Voraussetzung ist das Aufmerken, aufmerksam sein, anderen gegenüber, der Natur, den Armen, den Verstoßenen gegenüber. Aufmerksamkeit ist ein Kraftfeld, in dem das Ich kleiner wird und das Du immer größer. Aufmerksamkeit ist der Weg zu Gott.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Die französische Mystikerin Simone Weil sah sich Zeit ihres kurzen Lebens zwischen irdischer Schwerkraft und göttlicher Gnade gefangen. Gehorsamkeit gegenüber Gott erschien ihr zwingend, erklärt Rezensent Thomas Palzer, man könne sich nur entscheiden, ob man freiwillig gehorchen wolle oder unfreiwillig. Denn Gott existiere in einem Raum, der dem Menschen nicht zugänglich sei. Palzer ist beeindruckt, wie überhaupt von der ganzen Reihe "Theologische Brocken", in der dieses schmale Büchlein erschienen ist. Über Religion nachzudenken, erscheint ihm nur klug, denn sie "gehört zum Erbe der Menschheit" und öffnet ihm den Blick für die Begrenztheiten der Gegenwart.
© Perlentaucher Medien GmbH
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