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Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2001

Beweise aus dem Untergrund
Ein neues Buch zur Stadtkernarchäologie widerlegt Mutmaßungen, dass München weit älter als 800 Jahre sei
Von Franz Freisleder
„Die Frage, wann die Stadt München ihren Anfang genommen und woher sie ihren Namen bekommen habe, ist nicht leicht aufzulösen”, schreibt Peter Paul Finauer in seiner 1769 erschienenen Abhandlung zu diesem Thema – der ersten, die uns überhaupt vorliegt. Durch Mutmaßungen könne man sich glücklicher Weise aus den vielen Schwierigkeiten loswickeln, „wenn hierin nur nicht zu viel gewaget wird”, resümiert der Historiker. Im Buchendorfer Verlag ist jetzt mit dem Titel „Das unterirdische München - Stadtkernarchäologie in der bayerischen Landeshauptstadt” (366 Seiten, viele Pläne, Skizzen und Fotos, 58 Mark) ein Band von Christian Behrer erschienen, der manche dieser bisher gehegten mehr oder weniger waghalsigen Mutmaßungen widerlegt.
Wichtigste Erkenntnis dabei: Das in schriftlichen Quellen genannte Datum 1158 als spätester Zeitpunkt der Stadtgründung kann auch archäologisch bestätigt werden. Ein rätselhaftes altes Gemäuer unter der Peterskirche zum Beispiel, das gern als Beleg dafür angeführt wird, dass hier schon die Römer siedelten, ist zwar der älteste Raum Münchens – aber römisch ist er nicht.
In seinen einführenden Worten zur Buchpremiere im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege stellte Hauptkonservator Stefan Winghart fest, dass man den Begriff Archäologie lange Zeit ausschließlich mit den hier ansässigen altertumskundlichen Museen in Verbindung gebracht habe. Doch sei heute „keine Wissenschaft allein in der Lage, nur mit ihren Mitteln ein gültiges Bild der Vergangenheit zu entwerfen.”
Ehe man auch in München realisiert habe, „welche Vielfalt an Erkenntnissen zu Bauhistorie und Kulturgeschichte in einer an Realien orientierten Archäologie steckt”, seien durch große Eingriffe in den Untergrund empfindliche Verluste entstanden. So hätten etwa dem Schacht des U- Bahn-Eingangs Marienhof die Reste des ersten jüdischen Bethauses der Stadt weichen müssen. Inzwischen habe auch bei den Planern „zumindest teilweise” ein Gesinnungswandel stattgefunden, demzufolge man Freilegung und Erhaltung baulicher Reste sogar als Chance erkenne, historische Substanz mit moderner Formensprache zu verbinden.Vor diesem Hintergrund sei das ursprünglich als Dissertation geschriebene Buch von Christian Behrer, in dem er die stadtarchäologischen Bemühungen erstmals komplett zusammenfasse, besonders verdienstvoll.
Dass sich die einzelnen Abschnitte streckenweise wie ein Krimi lesen, die Abbildungen das mittelalterliche München vielfach in neuem Licht zeigen - davon gab der Autor selbst eindrucksvolle Kostproben.
Fazit: Restlos beantwortet ist die schon anno 1769 von Finauer gestellte Frage nach den Anfängen Münchens auch heute noch nicht. Doch Behrer „waget” wohl nicht zuviel, wenn er aus dem bisherigen Ergebnis der Bodendenkmalsforschung im Stadtkern den Schluß zieht: Jegliche Vermutung einer Besiedelung, die weit vor das 12. Jahrhundert reicht, kann ad acta gelegt werden.
Archäologische Grabung des Landesamts für Denkmalpflege 1986 im Hofgarten.
Foto: Buchendorfer Verlag
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