Was ist ein Unternehmen? Die Antwort auf diese Frage bestimmt darüber, wie Unternehmer und Manager ihre Unternehmen führen. Und sie bestimmt über die Ausrichtung der Betriebswirtschaftslehre, denn mit dieser Antwort steht und fällt das Verständnis der Wissenschaft, deren Kerngegenstand Unternehmen sind. Man meint, die Antwort sei klar. Doch dem ist nicht so.
Die Beantwortung der Frage, was ein Unternehmen ist, startet mit dem Problem des unternehmerischen Praktikers. Er muss sichere Ausgaben tätigen, um unsichere Einnahmen zu generieren. Sein Problem ist die individuelle Unsicherheit, unter der er handelt.
Die individuelle Unsicherheit des unternehmerischen Entscheiders macht das Wesen des Unternehmens zum Versuch. Um den Versuch Unternehmen zu gestalten, bedient er sich institutioneller Gestaltungselemente, die das Unternehmen als Institution erscheinen lassen.
Alles Zukünftige ist unsicher.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Die Beantwortung der Frage, was ein Unternehmen ist, startet mit dem Problem des unternehmerischen Praktikers. Er muss sichere Ausgaben tätigen, um unsichere Einnahmen zu generieren. Sein Problem ist die individuelle Unsicherheit, unter der er handelt.
Die individuelle Unsicherheit des unternehmerischen Entscheiders macht das Wesen des Unternehmens zum Versuch. Um den Versuch Unternehmen zu gestalten, bedient er sich institutioneller Gestaltungselemente, die das Unternehmen als Institution erscheinen lassen.
Alles Zukünftige ist unsicher.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.11.2021Ein Versuch ohne Erfolgsgarantie
Neues zur alten Frage: Was ist ein Unternehmen?
Die Betriebswirtschaftslehre ist das größte Studienfach an deutschen Universitäten, drei Millionen private Unternehmen sind der Kern unserer Volkswirtschaft. Bis heute gibt es aber keine allgemein anerkannte betriebswirtschaftliche Theorie darüber, was ein Unternehmen ist. In den klassischen Theorien bezieht ein Unternehmen seine Daseinsberechtigung aus der gegenüber der Konkurrenz größeren Effizienz (Erich Gutenberg) oder aus den gegenüber dem Markt niedrigeren Transaktionskosten (Ronald Coase). Die Ressourcentheorien sehen im exklusiven Wissen die Grundlage eines Unternehmens und greifen damit Ideen auf, die dann in den sogenannten Entrepreneurship-Theorien ihre Fortsetzung finden, die die Andersartigkeit oder Einzigartigkeit gegenüber der Konkurrenz betonen. Allen Theorien geht es darum, eine verallgemeinerungsfähige Aussage über Unternehmen zu machen, um darauf aufbauend optimale Lösungen für erfolgreiche Unternehmensführung vorzuschlagen. Genau das ist nach Ansicht von Hutzschenreuter der Mangel, wenn nicht der Fehler.
Noch so ausgefeilte Prognosetechniken ändern nichts daran, dass sie die Zukunft nicht vorhersagen können und auch ganz unerwartete Zustände eintreten können. Es geht also nicht nur um Entscheidungen unter Risiko (bei dem man möglichen eintretenden Zuständen Wahrscheinlichkeiten zuordnen kann), sondern auch um Unsicherheit. Hier widerspricht Hutzschenreuter auch der beliebten Erwartungsnutzentheorie. Für ihn ist jede unternehmerische Entscheidung mangels Wissen über ihren Ausgang ein - möglichst datenbasiert gut begründeter - Versuch, mittels einer guten Idee das Kapital zu mehren.
Diesen Charakter des Versuchs verliert das Unternehmen in der Theorie von Hutzschenreuter nie. Auch ein noch so etabliertes Unternehmen mit großer Bedeutung kann nicht wissen, wie die Zukunft aussieht, ob nicht morgen ein neuer und erfolgreicherer Mitbewerber auftaucht. Es ist daher vielleicht nicht nur Zufall, das Hutzschenreuter mit seiner Theorie gerade in Zeiten starker Umbrüche auf den Markt kommt. Er findet in der Praxis täglich Beispiele, die seine Theorie stützen. Selbst etablierteste Unternehmen geraten angesichts der Digitalisierung, der wegen Corona reißenden Lieferketten oder angesichts der Klimakrise ins Schwimmen und bestätigen seine Ansicht, dass Unternehmen immer der Versuchscharakter anhaftet.
Wenn aber nicht die bessere Optimierung den Erfolg ausmacht, muss es etwas anderes sein. Für Hutzschenreuter ist es die bessere Imagination, also eine realisierbare Vorstellung von der Zukunft. Hier trifft er sich mit einer ebenfalls aus Kritik an den klassischen Theorien entstandenen Entrepreneurship-BWL, wie sie vor allem durch Franz Schencking mehrfach in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorgetragen wurde ("Die Schwierigkeit der rationalen Wahl", F.A.Z. vom 25. Februar 2019). Auch Schencking beklagt, dass die traditionelle BWL die unternehmerische Entscheidung zu einer rationalen Abwägung degradiert, die im Zweifel von einem Computer besser vorgenommen werden könnte. Für Schencking wie für Hutzschenreuter wird das niemals gehen, weil selbst die beste Planung nichts daran ändert, dass der Entscheider die Zukunft nicht kennen kann. Hier sind die Vorstellungs- und Gestaltungskraft des Unternehmers gefragt, der sich - basiert auf Fakten und Erfahrungen - eine Zukunft (ein bestimmtes Produkt, einen Marktanteil, einen Umsatz oder Gewinn) vorstellt. Wenn es ihm gelingt, Mitstreiter (Mitarbeiter, Kreditgeber, Lieferanten) von der Sinnhaftigkeit dieser Zukunft zu überzeugen, dann kann er loslegen und die Zukunft in seinem Sinn zu gestalten versuchen. Elon Musk hat viele Milliarden Dollar für die Realisierung seiner Vision vom Elektroauto oder der Weltraumfahrt bekommen. Hat ein Unternehmen eine gewisse Position im Markt gefunden, erfolgt eine "stabilisierende Institutionalisierung", in der es nicht zuletzt darum geht, immer wieder neue "imaginative Ideen" zu entwickeln.
Hutzschenreuter hat vier Jahre daran gearbeitet, eine in sich schlüssige Theorie der Unternehmung vorzustellen. Die Form des Essays lässt den Leser an vielen Stellen teilhaben an der Entwicklung seiner Gedanken, die sich manchmal in Schleifen wiederholen oder rückversichern. Das Modell ist nicht abgeschlossen, bietet aber schon in seiner jetzigen Form viele Denkanstöße für Theorie und Praxis, die hoffentlich aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Das Buch reiht sich ein in einen neuen Aufbruch der Disziplin BWL, wie er nicht nur in der Entrepreneurship-BWL zum Ausdruck kommt, sondern auch in dem im gleichen Verlag vorhergegangenen Band "Erfolgsfaktor Betriebswirtschaftslehre" (F.A.Z. vom 21. Dezember 2020), der mit der zuversichtlichen Äußerung endet, dass die BWL in der Lage ist, "diffuse Zusammenhänge konsequent zu durchleuchten". Hutzschenreuter tut genau das. Seine Theorie wird das Weltbild nicht gleich erschüttern. Aber der Leser wird nach der Lektüre einen anderen Blick auf sein Unternehmen, auf Entscheidungen und Prozesse werfen und vielleicht besser verstehen, warum manche Unternehmen straucheln und andere unerklärliche Erfolge feiern. In einer weiteren Auflage wären ein Schlagwortverzeichnis wünschenswert, vor allem aber die Vermeidung einiger unnötiger Fremdwörter von Rigor (auf Deutsch: Strenge) über trade-off (Widerspruch) bis zu Primat (Vorrang) und Idiosynkrasie für Einzigartigkeit. Alles in allem ein anregendes Buch, dem viele Leser zu wünschen sind. GEORG GIERSBERG
Thomas Hutzschenreuter: Das Unternehmen als Versuch und Institution. Verlag Franz Vahlen, München 2021, 198 Seiten, 30 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Neues zur alten Frage: Was ist ein Unternehmen?
Die Betriebswirtschaftslehre ist das größte Studienfach an deutschen Universitäten, drei Millionen private Unternehmen sind der Kern unserer Volkswirtschaft. Bis heute gibt es aber keine allgemein anerkannte betriebswirtschaftliche Theorie darüber, was ein Unternehmen ist. In den klassischen Theorien bezieht ein Unternehmen seine Daseinsberechtigung aus der gegenüber der Konkurrenz größeren Effizienz (Erich Gutenberg) oder aus den gegenüber dem Markt niedrigeren Transaktionskosten (Ronald Coase). Die Ressourcentheorien sehen im exklusiven Wissen die Grundlage eines Unternehmens und greifen damit Ideen auf, die dann in den sogenannten Entrepreneurship-Theorien ihre Fortsetzung finden, die die Andersartigkeit oder Einzigartigkeit gegenüber der Konkurrenz betonen. Allen Theorien geht es darum, eine verallgemeinerungsfähige Aussage über Unternehmen zu machen, um darauf aufbauend optimale Lösungen für erfolgreiche Unternehmensführung vorzuschlagen. Genau das ist nach Ansicht von Hutzschenreuter der Mangel, wenn nicht der Fehler.
Noch so ausgefeilte Prognosetechniken ändern nichts daran, dass sie die Zukunft nicht vorhersagen können und auch ganz unerwartete Zustände eintreten können. Es geht also nicht nur um Entscheidungen unter Risiko (bei dem man möglichen eintretenden Zuständen Wahrscheinlichkeiten zuordnen kann), sondern auch um Unsicherheit. Hier widerspricht Hutzschenreuter auch der beliebten Erwartungsnutzentheorie. Für ihn ist jede unternehmerische Entscheidung mangels Wissen über ihren Ausgang ein - möglichst datenbasiert gut begründeter - Versuch, mittels einer guten Idee das Kapital zu mehren.
Diesen Charakter des Versuchs verliert das Unternehmen in der Theorie von Hutzschenreuter nie. Auch ein noch so etabliertes Unternehmen mit großer Bedeutung kann nicht wissen, wie die Zukunft aussieht, ob nicht morgen ein neuer und erfolgreicherer Mitbewerber auftaucht. Es ist daher vielleicht nicht nur Zufall, das Hutzschenreuter mit seiner Theorie gerade in Zeiten starker Umbrüche auf den Markt kommt. Er findet in der Praxis täglich Beispiele, die seine Theorie stützen. Selbst etablierteste Unternehmen geraten angesichts der Digitalisierung, der wegen Corona reißenden Lieferketten oder angesichts der Klimakrise ins Schwimmen und bestätigen seine Ansicht, dass Unternehmen immer der Versuchscharakter anhaftet.
Wenn aber nicht die bessere Optimierung den Erfolg ausmacht, muss es etwas anderes sein. Für Hutzschenreuter ist es die bessere Imagination, also eine realisierbare Vorstellung von der Zukunft. Hier trifft er sich mit einer ebenfalls aus Kritik an den klassischen Theorien entstandenen Entrepreneurship-BWL, wie sie vor allem durch Franz Schencking mehrfach in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorgetragen wurde ("Die Schwierigkeit der rationalen Wahl", F.A.Z. vom 25. Februar 2019). Auch Schencking beklagt, dass die traditionelle BWL die unternehmerische Entscheidung zu einer rationalen Abwägung degradiert, die im Zweifel von einem Computer besser vorgenommen werden könnte. Für Schencking wie für Hutzschenreuter wird das niemals gehen, weil selbst die beste Planung nichts daran ändert, dass der Entscheider die Zukunft nicht kennen kann. Hier sind die Vorstellungs- und Gestaltungskraft des Unternehmers gefragt, der sich - basiert auf Fakten und Erfahrungen - eine Zukunft (ein bestimmtes Produkt, einen Marktanteil, einen Umsatz oder Gewinn) vorstellt. Wenn es ihm gelingt, Mitstreiter (Mitarbeiter, Kreditgeber, Lieferanten) von der Sinnhaftigkeit dieser Zukunft zu überzeugen, dann kann er loslegen und die Zukunft in seinem Sinn zu gestalten versuchen. Elon Musk hat viele Milliarden Dollar für die Realisierung seiner Vision vom Elektroauto oder der Weltraumfahrt bekommen. Hat ein Unternehmen eine gewisse Position im Markt gefunden, erfolgt eine "stabilisierende Institutionalisierung", in der es nicht zuletzt darum geht, immer wieder neue "imaginative Ideen" zu entwickeln.
Hutzschenreuter hat vier Jahre daran gearbeitet, eine in sich schlüssige Theorie der Unternehmung vorzustellen. Die Form des Essays lässt den Leser an vielen Stellen teilhaben an der Entwicklung seiner Gedanken, die sich manchmal in Schleifen wiederholen oder rückversichern. Das Modell ist nicht abgeschlossen, bietet aber schon in seiner jetzigen Form viele Denkanstöße für Theorie und Praxis, die hoffentlich aufgegriffen und weiterentwickelt werden. Das Buch reiht sich ein in einen neuen Aufbruch der Disziplin BWL, wie er nicht nur in der Entrepreneurship-BWL zum Ausdruck kommt, sondern auch in dem im gleichen Verlag vorhergegangenen Band "Erfolgsfaktor Betriebswirtschaftslehre" (F.A.Z. vom 21. Dezember 2020), der mit der zuversichtlichen Äußerung endet, dass die BWL in der Lage ist, "diffuse Zusammenhänge konsequent zu durchleuchten". Hutzschenreuter tut genau das. Seine Theorie wird das Weltbild nicht gleich erschüttern. Aber der Leser wird nach der Lektüre einen anderen Blick auf sein Unternehmen, auf Entscheidungen und Prozesse werfen und vielleicht besser verstehen, warum manche Unternehmen straucheln und andere unerklärliche Erfolge feiern. In einer weiteren Auflage wären ein Schlagwortverzeichnis wünschenswert, vor allem aber die Vermeidung einiger unnötiger Fremdwörter von Rigor (auf Deutsch: Strenge) über trade-off (Widerspruch) bis zu Primat (Vorrang) und Idiosynkrasie für Einzigartigkeit. Alles in allem ein anregendes Buch, dem viele Leser zu wünschen sind. GEORG GIERSBERG
Thomas Hutzschenreuter: Das Unternehmen als Versuch und Institution. Verlag Franz Vahlen, München 2021, 198 Seiten, 30 Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main