Produktdetails
  • Grusel & Co, Der Club
  • Verlag: Arena
  • Seitenzahl: 195
  • Abmessung: 205mm
  • Gewicht: 335g
  • ISBN-13: 9783401048871
  • Artikelnr.: 07636426
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.03.1999

Dracula spielt Femme fatale
Manchmal sind sie auch ein bißchen gruselig: Neue Vampirgeschichten für Kinder

Knoblauch, Pflock und Enthauptung zählen zu den ältesten Methoden wirksamer Vampirvernichtung. Vielen Horrorfans ist die Herkunft exorzistischer Praktiken egal. Heranwachsende aber fragen oft genauer nach, nicht selten in der Hoffnung, Existenzbeweise okkulter Erscheinungen zu erhalten. In dieser Hinsicht wird sie Hauke Kock enttäuschen: In seinen Nachforschungen werden die "Fürsten der Finsternis" ans ernüchternde Tageslicht historischer Relativierungen geholt. Doch auch Kock ist fasziniert, das verraten seine unheimlichen Zeichnungen und die eingeflochtenen kurzen Geschichten. So schwebt über den Schilderungen des Todes eines serbischen Bauernmädchens zunächst die Aura einer vielversprechenden Schauererzählung. Mit der Erwähnung des Regimentsarztes Johannes Fluchinger aber wechselt Kocks Erzählton ins Sachliche. Der Arzt protokollierte die merkwürdigen Umstände des Todes, immer schwankend zwischen medizinischen Spekulationen und der Ungewißheit, ob nicht doch einer zugebissen hat. Seine Aufzeichnungen entfachten zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts eine wahre Vampirhysterie. Doch die Fortschritte der Medizin vertrieben die Furcht vor dem Vampir - bis ihn die Schauerliteratur des 19. Jahrhunderts wiederentdeckte. Bram Stokers über hundert Jahre alter "Dracula" ist für Kock noch immer der "ultimative und berühmteste" Blutsauger.

Dennoch gibt es faszinierende Nachfahren: etwa bei Stephen King oder Anne Rice, und natürlich im Film, dem neuerdings prägenden Medium für Horror. Eine Idee aus den frühen Tagen des Films war es, den Vampir in einen schwarzen Umhang zu kleiden. Sonst weist der Filmvampir meist jene Erkennungsmerkmale auf, die ihm die Literatur des neunzehnten Jahrhunderts gab: blaß, groß und schlank, mit gebogener Nase und einer kühlen Aura.

Wer weiß aber schon, daß hinter diesem Erscheinungsbild der skandalumwitterte Lord Byron steckt, und daß die Geburtsstunde der ersten erfolgreichen Vampirnovelle "The Vampire" mit der von Mary Shelleys "Frankenstein" zusammenfällt? Kock schildert die spannende Episode: In jenen berüchtigten Sommernächten am Genfer See unterhielten sich die Shelleys, Lord Byron und andere Gäste mit Gespenstergeschichten. Die Gesprächsrunde inspirierte Mary Shelley zu ihrem Roman über einen künstlichen Menschen, Lord Byron schrieb an einer Vampirgeschichte, und auch der Leibarzt Byrons, John William Polidori, lieferte einen Schauerbeitrag. Der fiel allerdings etwas müde aus, was er selbst einsah. Statt dessen entwickelte er später aus Byrons Vampirfragment eine eigene Geschichte und verlieh seinem blutsaugenden Antihelden die Züge seines Patienten. Die Novelle "The Vampire", 1819 erschienen, war sofort sehr erfolgreich, auch weil Polidoris Geschichte zunächst unter dem Namen Byrons erschien. Der Lord war empört und distanzierte sich von dem Text. Polidori hat der Erfolg kein Glück gebracht; er soll sich später vergiftet haben.

Ebenso wie Kock sehen auch Paul van Loon und Jack Didden im Helden dieser Novelle den ersten Vertreter des Typus "adliger Wiedergänger". In ihrem Vampirsachbuch verläuft der Schicksalsweg von Autor und Werk jedoch anders: Polidori begeht nicht Selbstmord, sondern stirbt als erfolgloser Autor an den Folgen eines Kutschenunfalls. Auch sonst zeigen van Loon und Didden eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit historischen Details - stets zugunsten gruselig wirkender Effekte. Sie erzählen durchweg ironisch-heiter, so daß auch jüngere Leser manch unappetitliches Vampirdetail vertragen werden. Vor allem aber werden sie die Tips interessieren, etwa wie man sich als Vampirjäger behaupten kann, oder wie man, als kleiner Vampir verkleidet, die Eltern erschreckt.

Der Vampir als solidarischer Partner der Kinder - darin liegt der anhaltende Erfolg der Vampirserie von Angela Sommer-Bodenburg begründet: Anton kann mit Hilfe seines phantastischen Freundes Rüdiger den überbesorgten Eltern ausweichen und sich ein wenig in Freiheit üben. In der jüngsten Vampirgeschichte der Autorin scheint nun dem etwas älteren Helden Gregor eine ähnliche Hilfestellung zuteil zu werden. Onkel Vladi kommt aus Rumänien zu Besuch. Wie ein angestaubter Dracula sieht er aus, er entpuppt sich jedoch als Vampirjäger und weiht Gregor in ein Familiengeheimnis ein. Dabei erfährt Gregor manches über das erotische Schicksal seines Ahnen Anselm und wird gemeinsam mit dem Onkel jene blutsaugende Innocentia zur Strecke bringen, die immer noch ihr Unwesen treibt. Schaurig ist das alles nicht; das Femme-fatale-Gehabe dieser Vampirin wirkt eher lächerlich als gruselig. Und die Hartnäckigkeit, mit der eine über Generationen hinweg vererbte Schuld sich behauptet - der Ahne brachte es nicht über sich, seiner Geliebten einen Pflock ins Herz zu schlagen -, dürfte höchstens Familientherapeuten interessieren. Für einen spannenden Handlungsablauf sorgen derlei Verstrickungen freilich weniger. Zum Lachen fordert die Last schon gar nicht heraus. Beides aber - Witz und Grusel - gehören in eine gelungene Schauergeschichte von heute. Merkwürdigerweise sind wir im Falle dieser Auswahl besser mit den Sachbüchern bedient: Mit van Loon und Didden läßt sich kichern. Und bei Kock sind es vor allem die Zeichnungen, die einem Bedürfnis nach Schauer aufs wohligste entgegenkommen.

MYRIAM MIELES

Hauke Kock: "Vampire". Carlsen Verlag, Hamburg 1998. 64 Seiten, geb. 29,80 DM. Ab 12 J.

Paul van Loon / Jack Didden: "Das Vampirhandbuch" Arena Verlag, Würzburg 1998. 192 S., geb., 19,80 DM. Ab 10 J.

Angela Sommer-Bodenburg: "Der Fluch des Vampirs". Bertelsmann Verlag, München 1998. 160 S., geb., 19,90 DM. Ab 10 J.

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