Klug, geschickt und packend erzählt: Kampfansage in den Zwischentönen!
„Das Verhältnis“ schreibt Autorin Gabriele Zevin unglaublich klug und gekonnt und packt vieles geschickt zwischen die Zeilen und in die Zwischentöne. Auf den ersten Blick ist „Das Verhältnis“ daher keine feministische
Kampfschrift, anders als der Hinweis auf #metoo beim Klappentext vielleicht vermuten lässt. Und vielleicht…mehrKlug, geschickt und packend erzählt: Kampfansage in den Zwischentönen!
„Das Verhältnis“ schreibt Autorin Gabriele Zevin unglaublich klug und gekonnt und packt vieles geschickt zwischen die Zeilen und in die Zwischentöne. Auf den ersten Blick ist „Das Verhältnis“ daher keine feministische Kampfschrift, anders als der Hinweis auf #metoo beim Klappentext vielleicht vermuten lässt. Und vielleicht finden manche das Buch daher fast etwas zahm, aber aufmerksam gelesen ist es bissig und deckt Doppelmoral und alltäglichen Sexismus ebenso auf wie strukturellen. Das ist die große Kunst von Autorin Gabrielle Zevin. „Eine smarte, feministische Meisterleistung“, hat die Washington Times über „Das Verhältnis“ geschrieben und da möchte ich mich anschließen.
Anfang der 2000er hat die junge Praktikantin Aviva ein Verhältnis mit dem Kongressabgeordneten Levin. Natürlich findet Aviva nach diesem Verhältnis nie wieder einen Job, ihr Boss, der Kongressabgeordnete behält hingegen sein Amt allerdings – auch, wenn er noch höhere Weihen danach abschreiben kann. „Das Verhältnis“ schildert Avivas Geschichte, deren Auswirkungen und die Doppelmoral im Rückblick aus der Sicht von fünf Charakteren.
Das Buch hat mich bereits mit diesen beiden grandiosen Sätzen auf der ersten Seite gepackt: „Ich möchte gar nicht unbedingt einen Ehemann. Sie machen viel Arbeit, aber ich will auch nicht den Rest meines Lebens allein verbringen, und es wäre schön mit jemandem gemeinsam Kurse zu besuchen.“
Diese lakonisch, treffenden, klugen Aussagen der fünf Charaktere machen dieses Buch für mich so besonders. Die Autorin erzählt auch den jüdischen Background der Figuren toll. Gabrielle Zevin hat das Buch in fünf Abschnitte gegliedert, die jeweils komplett aus Sicht der jeweiligen Erzählerin geschrieben sind. Mir haben auch die unterschiedlichen Erzählformen ausnehmend gut gefallen: Das Mädchen Ruby schreibt Emails an ihre pakistanische Brieffreundin. Avivas Teil wird in Form eines Entscheidungsbuchs geschrieben. Ich hatte kurz die Befürchtung, dass ich selbst diese Entscheidungen treffen muss (ich mochte solche Bücher noch nie), aber die Autorin nutzt nur sehr gekonnt die Form.
Zevins Frauen sind sehr reflektiert und ehrlich. Besonders treffend, aber auch schmerzlich, wird die Autorin, wenn diese Frauen nebenbei etwas schildern, weil sie es verdrängen oder selbst (noch) nicht erkennen können. Egal, wie reflektiert du sein magst, du kannst nicht hinter jede Misogynie blicken. Erst recht nicht, wenn du selbst sie denkst. Das macht so schmerzlich bewusst, wie sehr Frauen anderen Frauen im Weg stehen können, wenn Frauensolidarität ausbleibt.
Den Klappentext, erst recht den Spruch: „Hinfallen, aufstehen, Krone richten“ finde ich deutlich zu flapsig. Ich denke, das könnte den*die eine oder andere Leser*in auf eine falsche Fährte Richtung leichten Frauenroman und damit zu Enttäuschung führen. Zwar liest sich „Das Verhältnis“ für mich sehr leicht und beschwingt, aber das ambivalente Verhältnis aller Figuren zu Selbstbestimmung verschließt sich einer einfachen Deutung und muss andauernd dechiffriert werden. Außerdem stimmt der Satz ja genau nicht: Aviva kann nicht einfach nur die Krone richten, das verweigert die Gesellschaft ihr. Und das „Prinzessinnen“-Bild hat eh feministisch seine Tücken und das Marketing tappt damit in die selbe Falle wie Avivias Mutter, wenn sie es benutzt: „Ich finde den Begriff jüdisch-amerikanische Prinzessin beleidigend, aber wenn die Tiara passt…“ Und beim Hinweis auf #metoo könnte der*die Leser*in eben auch eine offensichtliche Kampfansage erwarten. Für mich ist „Das Verhältnis“ eine Kampfansage in den Zwischentönen.
Ein gewichtiges Buch, das sich für mich aber völlig leicht, ja stellenweise sogar beschwingt liest. Daher wird „Das Verhältnis“ sicherlich nicht das letzte Buch sein, dass ich von der Autorin Gabrielle Zevin lesen werde. Ich spreche eine absolute Leseempfehlung aus und vergebe volle 5 Sterne.