Der Essay ist ein Versuch der Erinnerung. Anhand literarischer Zeugnisse und der Kritik des Identitätsdenkens der Negativen Dialektik Adornos, erörtert er in ontoanthropologischer Perspektive Aspekte der 'Identität', die in deren gegenwärtiger Konjunktur wenig Beachtung finden. Jede Identifikation übt Zwang. Gesellschaftlich als Pflicht, 'etwas' zu sein, die das Bedürfnis, 'jemand' zu sein, vereitelt. Gedacht wird nur logisch; das Gedachte aber 'ist' nicht logisch. Zwischen seinem Gedachtwerden und seinem Eigensein klafft ein Abgrund.Als Hervorbringung der Welt ist der Mensch kein Souverän seines Daseins in ihr. Der Anteil des Unverfügbaren an dem, was man 'ist', ist zu hoch, um ausschließlich aus der Perspektive der 'Selbstbestimmung' verstanden zu werden. Sie steht im Spannungsfeld zwischen Selbstsein und Geprägtheit. Wir sind mehr, und bestimmter, als wir wissen und wollen, und anders, als wir einander abverlangen. Identität ist das Phantom, das die Leerstelle dieser doppeltenVerfehlung besetzt. Selbstsein heißt, es zu verscheuchen. Je weniger Identität, desto mehr Freiheit. Frei zu sich selbst macht keine Gleichheit Aller, sondern gegenseitige Achtung der unverfügbaren ebenso wie der gewählten Verschiedenheiten. Unbestimmtheit hat als ein Menschenrecht zu gelten.