Das Verhör konturiert sich vor dem Hintergrund einer institutionellen Praxis, in der sich Sprache und Gewalt überlagern. Die Untersuchung von Michael Niehaus verknüpft daher eine historische Darstellung der Position des Verhörten in den Ermittlungsverfahren seit der Antike mit theoretischen Fragestellungen zum Status von Kommunikation und zur Logik von Institutionen. Schließlich gelangt sie über den Begriff der Verhörsituation zu den literarischen und filmischen Fiktionen des 19. und 20. Jahrhunderts und entdeckt in ihnen den 'transinstitutionellen' Ort, an dem die Frage nach dem Verhältnis von Kommunikation und Gewalt, von Subjekt und Institution ebenso freigelegt wie zugedeckt wird. Die Fiktionen geben daher den Grund ab, von dem aus eine erste Kulturgeschichte des Verhörs vorgelegt werden kann, die zugleich die Theorie einer unhintergehbaren Möglichkeit von Interaktion ist.
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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension
Michael Niehaus' Buch über Geschichte und Theorie der Folter ist eine "enorm belesene" Habilitationsschrift, findet Rezensent Niels Werber. Der Autor vergleicht darin die Struktur des Verhörs mit einer therapeutischen Sitzung und verweist so auf die "Schnittstelle", an der Medizin, Psychologie, Körper und Bewusstsein zusammenfallen. Niehaus erläutere auf "hochinteressante" Weise ein Dilemma der Folter: Sie wolle nicht töten, sondern ein Geständnis. Dieses aber könne auch unter noch so starken Schmerzen erlogen sein; der Inquisitor betrachte sich daher als Helfer des Verhörten, der diesen zur "Wahrhaftigkeit zurückfinden" lässt. Besonders gelungen findet der Kritiker Niehaus' Querverweise zu Franz Kafka und die These, dass dieser in seinen wichtigsten Werken bereits die Geburt als Eintritt in eine "Verhörsituation" schildere. Überhaupt ist es der Bezug zu anderen Disziplinen, die das Buch informativ und dabei auch noch "ansprechend geschrieben" daherkommen lassen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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