Die Autoren beschäftigten sich viele Jahre mit der Kultur der australischen Ureinwohner und lebten selbst über einen längeren Zeitraum in der Gemeinschaft der Aborigines. Diese gewährten ihnen auch Zugang zu den traditionellen Festen, Riten und Zeremonien und ließen sie Einblick in diese ursprüngliche Welt und das vielfältige Wissen ihrer Kultur gewinnen: in die mythologischen Grundlagen, die Idee der der Traumzeit, die Beziehung zur Erde und die Bedeutung der heiligen Stätten. Die Autoren gehen auch auf viele Aspekte des Alltagslebens ein, die verschiedenen Lebensphasen, die komplexen gesellschaftlichen Beziehungen innerhalb eines Stammes, die Bedeutung von Musik und Tanz und das Leben im Einklang mit der Natur.
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.03.1999Ferne
"Das Vermächtnis der Traumzeit. Leben, Mythen und Traditionen der Aborigines" von Anna Voigt und Nevill Drury. Delphi bei Droemer, München 1998. 192 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen. Gebunden, 49,90 Mark.
Eifrig baut Sydney an seinen Sportstätten, schüttet Giftdeponien zu und plant, Problemviertel wie Redfern zu planieren, und all das nur, um der Welt bei Olympia 2000 eine Sonnyboy-City und ein sorgenfreies Gastgeberland zu präsentieren. Hinter der so blankpolierten Fassade aber ächzt das Gebälk der australischen Gesellschaft. Der Mythos der harten Outback-Pioniere hat sich aufgezehrt, und die seit den siebziger Jahren enthusiastisch propagierte multikulturelle Gesellschaft wird in diesen Zeiten wirtschaftlicher Probleme von populistischen Politikern in Frage gestellt. Wenn im Jahr 2001 die Hundertjahrfeier der Souveränität als Bundesstaat ansteht, weiß keiner so recht, ob diese Zäsur wirklich Anlaß zur Gründung einer eigenen Republik sein sollte - und wohin die Reise nach der Lossagung von Großbritannien gehen könnte. Die Verunsicherung vor allem der britisch geprägten Bevölkerung wächst durch das selbstbewußte Auftreten der Aborigines, die energischer denn je für ihre Rechte eintreten und in Politik, Kultur und Sport ihren Platz einfordern. Bislang war die Geschichte der Ureinwohner im modernen Australien eine Geschichte der Mißachtung, Unterdrückung und Verfolgung. Erst 1967 erkannte der Staat die Aborigines als vollwertige Bürger an, nachdem zuvor bereits Hunderttausende nichtbritischer Einwanderer die Fundamente der "White Australia"-Doktrin ausgehöhlt hatten. 1976 wurde den Aborigines zwar das Recht auf Rückgabe ihres angestammten Landes zugesprochen, aber es dauerte bis 1992, ehe das Oberste Bundesgericht das Prinzip der "terra nullius" aufhob: Bis dahin war man schlicht davon ausgegangen, daß 1788 die angesiedelten Sträflinge juristisch gesehen jungfräuliches Land betreten hatten. Formell also sind die Ureinwohner rehabilitiert, und zugleich ist das Selbstverständnis vieler Australier bis ins Mark erschüttert. In dieser Situation, in der die Aborigines ins Bewußtsein der Gesellschaft drängen, kommt ein Buch wie "Das Vermächtnis der Traumzeit" gerade recht, denn die bemerkenswerte Kultur der Urbevölkerung könnte wertvolle Anstöße zur Identitätsfindung der Australier geben. Die kraftvolle Welt im kargen roten Outback wird in dem großformatigen Band gewürdigt, erläutert, verehrt. Die kundigen australischen Autoren verstehen es, behutsam in die spiritualistische Gedankenwelt der Aborigines einzuführen und dabei die Schöpfungsmythen und Sinnstiftungen jederzeit ernst zu nehmen, ohne sie esoterisch zu überhöhen oder künstlich zu mystifizieren. Die atmosphärisch passende, suggestive Fotografie gibt dem Band die Seele. "Das Vermächtnis der Traumzeit" ist ein kunstvoll gestaltetes, ein nachdenklich machendes, ein großartiges Buch. Wer das Erbe Australiens, das die Einwanderer so lange verachteten, und seine Chance für die Zukunft verstehen will, erhält hier den Schlüssel. (rb)
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"Das Vermächtnis der Traumzeit. Leben, Mythen und Traditionen der Aborigines" von Anna Voigt und Nevill Drury. Delphi bei Droemer, München 1998. 192 Seiten, zahlreiche Farbabbildungen. Gebunden, 49,90 Mark.
Eifrig baut Sydney an seinen Sportstätten, schüttet Giftdeponien zu und plant, Problemviertel wie Redfern zu planieren, und all das nur, um der Welt bei Olympia 2000 eine Sonnyboy-City und ein sorgenfreies Gastgeberland zu präsentieren. Hinter der so blankpolierten Fassade aber ächzt das Gebälk der australischen Gesellschaft. Der Mythos der harten Outback-Pioniere hat sich aufgezehrt, und die seit den siebziger Jahren enthusiastisch propagierte multikulturelle Gesellschaft wird in diesen Zeiten wirtschaftlicher Probleme von populistischen Politikern in Frage gestellt. Wenn im Jahr 2001 die Hundertjahrfeier der Souveränität als Bundesstaat ansteht, weiß keiner so recht, ob diese Zäsur wirklich Anlaß zur Gründung einer eigenen Republik sein sollte - und wohin die Reise nach der Lossagung von Großbritannien gehen könnte. Die Verunsicherung vor allem der britisch geprägten Bevölkerung wächst durch das selbstbewußte Auftreten der Aborigines, die energischer denn je für ihre Rechte eintreten und in Politik, Kultur und Sport ihren Platz einfordern. Bislang war die Geschichte der Ureinwohner im modernen Australien eine Geschichte der Mißachtung, Unterdrückung und Verfolgung. Erst 1967 erkannte der Staat die Aborigines als vollwertige Bürger an, nachdem zuvor bereits Hunderttausende nichtbritischer Einwanderer die Fundamente der "White Australia"-Doktrin ausgehöhlt hatten. 1976 wurde den Aborigines zwar das Recht auf Rückgabe ihres angestammten Landes zugesprochen, aber es dauerte bis 1992, ehe das Oberste Bundesgericht das Prinzip der "terra nullius" aufhob: Bis dahin war man schlicht davon ausgegangen, daß 1788 die angesiedelten Sträflinge juristisch gesehen jungfräuliches Land betreten hatten. Formell also sind die Ureinwohner rehabilitiert, und zugleich ist das Selbstverständnis vieler Australier bis ins Mark erschüttert. In dieser Situation, in der die Aborigines ins Bewußtsein der Gesellschaft drängen, kommt ein Buch wie "Das Vermächtnis der Traumzeit" gerade recht, denn die bemerkenswerte Kultur der Urbevölkerung könnte wertvolle Anstöße zur Identitätsfindung der Australier geben. Die kraftvolle Welt im kargen roten Outback wird in dem großformatigen Band gewürdigt, erläutert, verehrt. Die kundigen australischen Autoren verstehen es, behutsam in die spiritualistische Gedankenwelt der Aborigines einzuführen und dabei die Schöpfungsmythen und Sinnstiftungen jederzeit ernst zu nehmen, ohne sie esoterisch zu überhöhen oder künstlich zu mystifizieren. Die atmosphärisch passende, suggestive Fotografie gibt dem Band die Seele. "Das Vermächtnis der Traumzeit" ist ein kunstvoll gestaltetes, ein nachdenklich machendes, ein großartiges Buch. Wer das Erbe Australiens, das die Einwanderer so lange verachteten, und seine Chance für die Zukunft verstehen will, erhält hier den Schlüssel. (rb)
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