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Erich Kästner ist, national wie international, einer der populärsten und angesehensten deutschsprachigen Autoren. Auch in der Wissenschaft beschäftigt man sich immer häufiger mit seinem Werk. Der Fachdienst Germanistik titelte in seinem Aprilheft 1999, die zahlreichen Publikationen und Aktivitäten zu Kästners 100. Geburtstag zusammenfassend: "Deutschland im Kästner-Fieber". Trotz solcher Superlative ist es immer nur ein Teil von Kästners Werk gewesen, der im Rampenlicht stand. Das liegt nicht zuletzt am Autor selbst, der es in seinen Texten wie im wirklichen Leben meisterhaft verstand, sich zu…mehr

Produktbeschreibung
Erich Kästner ist, national wie international, einer der populärsten und angesehensten deutschsprachigen Autoren. Auch in der Wissenschaft beschäftigt man sich immer häufiger mit seinem Werk. Der Fachdienst Germanistik titelte in seinem Aprilheft 1999, die zahlreichen Publikationen und Aktivitäten zu Kästners 100. Geburtstag zusammenfassend: "Deutschland im Kästner-Fieber". Trotz solcher Superlative ist es immer nur ein Teil von Kästners Werk gewesen, der im Rampenlicht stand. Das liegt nicht zuletzt am Autor selbst, der es in seinen Texten wie im wirklichen Leben meisterhaft verstand, sich zu tarnen und seine Leser an der Nase herumzuführen. Die Werkausgabe des Hanser-Verlags von Ende 1998 und die neuen Kästner-Biographien haben nur einen Teil des Dunkels erhellen können, das Kästner umgibt.

Ein Dutzend Theaterstücke, an denen der "verbotene Autor" Kästner während des Nationalsozialismus nachweisbar, vermutlich oder möglicherweise (je nach Stück) mitgearbeitet hat und die von seinen Freunden Eberhard Keindorff, Werner Buhre, Cara Gyl und Martin Kessel unter Pseudonym publiziert wurden, sind unbeachtet geblieben, obwohl sie seinerzeit an zahlreichen deutschen Bühnen große Erfolge feierten. Die vorliegende Arbeit untersucht die Komödien und Schauspiele, die nur in Typoskriptform von Bühnenverlagen vertrieben wurden. Einige sind der Kästner-Forschung gänzlich unbekannt, eines galt bisher als verschollen.

Die Rezeptionsgeschichte der Stücke konnte mit Hilfe zahlreicher Archive und Institutionen nachvollzogen werden. Die Frage der Autorschaft ist von Kästner und seinen Freunden bis zur Unkenntlichkeit verhüllt worden. Anhand von Indizien, die sich in Briefen und Besprechungen finden, wird versucht, diese Frage so weit wie möglich zu klären. Der vielleicht überraschendste Fund ist eine Briefstelle, die beweist, daß Kästner der alleinige Autor des Martin Kessel zugeschriebenen Stücks Willkommen in Mergenthal ist. Bei allem Materialreichtum handelt es sich um die spannend zu lesende Geschichte eines vergessenen Werks, das es wiederzuentdecken gilt.

Inhalt:
Einleitung - Von der Fragwürdigkeit des Unterfangens, in Deutschland Komödien zu schreiben - Der Bühnenautor Erich Kästner - Die ersten Gehversuche: Klaus im Schrank (1927) - Drei Stücke, drei Freunde, drei Pseudonyme - Robert Neuner: Das lebenslängliche Kind. Lustspiel (1934) - Cara Gyl: Die Tournee. Eine Reisebeschreibung in 8 Stationen (1934) - Hans Brühl: Willkommen in Mergenthal. Lustspiel (1935) - Die Eberhard-Foerster-Stücke - Eberhard Keindorff zugeschriebene Stücke - Die Neuberin. Schauspiel (1934) - Hilfe, ein anständiger Mensch! Lustspiel (1934) - Rivalinnen. Komödie nach Scribe und Legouvé (1935) - Elisabeth Charlotte, Herzogin von Orleans. Schauspiel (1936) - Gestern, heute und morgen. Komödie (1936) - Eberhard Keindorff und Erich Kästner zugeschriebene Stücke - Verwandte sind auch Menschen. Lustspiel (1937) - Die Frau nach Maß. Lustspiel (1938) - Das goldene Dach. Komödie (1939) - Seine Majestät Gustav Krause. Komödie (1940) - Schlußbetrachtung

Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2001

Der mit den Wölfen heulte
Ausgegraben: Erich Kästners Arbeiten fürs Theater 1933 bis 1945

Offiziell war Erich Kästner während der Zeit des Nationalsozialismus verboten. Einige seiner Bücher wurden 1933 verbrannt. Er war nie Mitglied der Reichsschrifttumskammer und hatte infolgedessen keine Publikationserlaubnis. Allerdings gab es geräumige Ausnahmen. Hungern mußte er nicht. Seine Bücher erschienen seit 1933 in der Schweiz und konnten von dort noch jahrelang nach Deutschland eingeführt werden. "Emil und die Detektive" war vom Verbot ausgenommen, die Verfilmung lief mit größtem Erfolg in den Kinos der dreißiger Jahre. Der Ufa-Renommierfilm "Münchhausen" (1942), für den Kästner unter dem Pseudonym Berthold Bürger das Drehbuch liefern durfte, brachte ihm sechsstellige Reichsmarksummen ein.

Das alles weiß man schon eine Weile. Weniger bekannt ist, daß der wendige Autor, der als Dreißig- und Vierzigjähriger auf der Höhe seiner Produktivität stand, die Unterhaltungsindustrie des Dritten Reiches auch noch auf andere Weise bedient hat, nämlich durch anonyme Mitwirkung an Filmdrehbüchern und Komödien. Die hier anzuzeigende Arbeit bringt etwas Licht in eine dieser Dunkelzonen, nämlich in Kästners Mitarbeit an Theaterstücken unter geliehenen Pseudonymen.

Die Methode war von robuster Genialität und funktionierte bestens. Man brauchte für sie gute Freunde, die Mitglieder in der Reichsschrifttumskammer waren. Man schrieb dann unter deren Pseudonymen entweder allein oder mit den Freunden zusammen und teilte sich die Einnahmen. So lieh sich Kästner 1934 bei seinem Freund Werner Buhre für die Komödie "Das lebenslängliche Kind" das Pseudonym "Robert Neuner" aus und bei der Schauspielerin Käte Hörnemann für "Die Tournée" das Pseudonym "Cara Gyl". Der Schriftsteller Martin Kessel stellte 1935 für das Lustspiel "Willkommen in Mergenthal" den Namen "Hans Brühl" zur Verfügung. Mit Eberhard Keindorff kam es unter dessen Pseudonym "Eberhard Foerster" zu einer dauerhaften Zusammenarbeit, die diverse Koproduktionen mit teils geringem, teils gleichwertigem und teils überwiegendem Kästner-Anteil zum Ergebnis hatte, so die Komödien "Verwandte sind auch Menschen" (1937), "Die Frau nach Maß" (1938), "Das goldene Dach" (1939) und "Seine Majestät Gustav Krause" (1940). Zeitweise arbeiteten und lachten die beiden täglich miteinander, so daß ihre Textanteile heute nicht mehr auseinanderdividiert werden können.

Die Beweislage ist kompliziert. Die Tarnung klappt im Grunde bis heute. In wenigen Fällen geht die Autorschaft oder Mitautorschaft Kästners aus Verträgen oder anderen Archivalien eindeutig hervor. In anderen Fällen muß sie durch Motivparallelen und Stilvergleiche belegt werden, wobei naturgemäß erhebliche Unschärfen bleiben. Man kann sich da leicht täuschen, wie es auch in dieser Arbeit passiert, wenn "ein bekannter Spruch Erich Kästners" als Beweis für seine Mitarbeit an "Verwandte sind auch Menschen" herangezogen wird, nämlich: "Wer Sorgen hat, hat auch Likör." Das klingt zwar durchaus kästnersch, stammt aber aus der "Frommen Helene" von Wilhelm Busch und kann ebensogut von E. K. I (Eberhard Keindorff) wie von E. K. II ins Stück hineingeschwärzt worden sein. Es kann auch als Beispiel dafür dienen, wieviel Humor aus zweiter Hand in diesen Stücken zum Einsatz gebracht wird.

Die Kleinigkeit ändert nichts daran, daß die wesentlichen Befunde von Stefan Neuhaus richtig sind. Es ist auf jeden Fall ein Verdienst, die in Frage kommenden Stücke, die meistens nur noch in einzelnen maschinengeschriebenen Exemplaren existieren, ermittelt und geschildert zu haben. Was Neuhaus an Texten, Materialien und Rezensionen ins Blickfeld gerückt hat, gibt zum ersten Mal eine ungefähre Gesamtansicht dieses von Kästner lebenslang verschwiegenen, gleichwohl recht ausgedehnten Werkbereichs.

Die Sachen hatten zum Teil eine beträchtliche Resonanz. Die Aufführungsorte lagen nicht nur in der Provinz. "Das lebenslängliche Kind" (eine unter "Robert Neuner" firmierende Bühnenbearbeitung des Romans "Drei Männer im Schnee") war 1934 reichsweit von 42 Bühnen angenommen worden und noch 1940/41 ein Riesenerfolg in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Bremen und München. Da manche Besprechungen eine Autorschaft Kästners mutmaßten - ein Rezensent schrieb: "Emil und die Detektive werden es vielleicht einmal herausbringen, was das für ein Neuner ist" -, stellt sich die Frage, ob nicht auch die Nazi-Behörden über manches Bescheid wußten, es vielleicht sogar blinzelnd billigten.

Fragen dieser Art stellt Neuhaus nicht. Sein Verhältnis zu seinem Gegenstand ist unbedingt zustimmend. Kritik hat bei ihm nur einen rhetorischen Status und wird im "Ja, aber"-Modus abgefertigt. Während Kästner selbst seine Lustspielchen offenkundig für nicht vorzeigbar hielt (literarisch und politisch) und sie auch nach 1945 konsequent verschwieg, will Neuhaus diese kein Klischee auslassenden Boulevardstücke und Verwechslungskomödien aufwerten, ja wiederbeleben. Er findet sie allesamt lesenswert und immer noch zum Lachen. Aus manchen hört er (nicht ohne Mühe) subversive NS-Kritik heraus, anderen attestiert er ein für ihre Entstehungszeit progressives Frauenbild. Man kann darüber sehr geteilter Meinung sein. Wahr ist wohl, daß es Kästner "ein diebisches Vergnügen" bereitet haben dürfte, "zu sehen, wie die Nationalsozialisten, die seine Bücher verbrannten, ihn mit Publikationsverbot belegten und seine Bücher auf den Index setzten, diesen Stücken zujubelten und versuchten, sie für ihre Ideologie zu vereinnahmen". Aber dieses Vergnügen gab es nicht umsonst. Ein Paradiesvogel kann nicht mit den Wölfen heulen, ohne die Stimme zu ruinieren. Daß Erich Kästner nach den zwölf Jahren moralisch und künstlerisch ramponiert war, auch vor seinem eigenen inneren Gerichtshof, das wird in dieser Arbeit allzu leicht gewogen. Der hier so beharrlich schwieg, er hatte auch etwas zu verschweigen.

HERMANN KURZKE

Stefan Neuhaus: "Das verschwiegene Werk". Erich Kästners Mitarbeit an Theaterstücken unter Pseudonym. Verlag Königshausen & Neumann, Würzburg 2000. 163 S., br., 34, - DM.

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wenigen ist bekannt, dass Erich Kästner trotz des Publikationsverbots und der Verbrennung seiner Bücher zwischen 1933 und 1945 unter verschiedenen Pseudonymen Theaterstücke und Drehbücher für deutsche Theater und den deutschen Film schrieb. Der Rezensent Hermann Kurzke hält daher Stefan Neuhaus` Band über dieses eher dunkle Kapitel im Leben des berühmten Schriftstellers für einen wichtigen Beitrag zur Kästner-Forschung. Doch Kurzke vermisst die kritische Distanz des Autors zum Schriftsteller. Kästner selbst hatte diesen Teil seiner Werke bewusst verschwiegen - auch aus qualitativen Gründen. Neuhaus hingegen wolle, so der Rezensent, einen Kästner präsentieren, den man bedenkenlos in eine Reihe mit den übrigen Texten des Schriftstellers stellen könne. Und das sieht der Rezensent ganz anders. Diese klischeebehafteten, den Nationalsozialisten durchaus gefälligen Boulevardstücke und Verwechslungskomödien hätte auch er besser der Nachwelt vorenthalten.

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