Als »Wissenschaft des Regierens« und »Kunst der Verwaltung« definiert ein Lexikon aus dem 18. Jahrhundert die Politik, 2000 Jahre früher machte Aristoteles das »glückselige und edle Leben« als Zweck des Staates aus. Ein Blick auf die Rituale der Berliner Republik zeigt, wie weit sich die praktische Politik von diesen Idealen entfernt hat: Es geht weniger um die Glückseligkeit der Bürger als um Parteienproporz und Lobbyinteressen, das zähe Ringen um Reformen hat mit großer Kunst wenig gemeinsam. Wie es trotzdem immer wieder gelingt, die Fiktion einer idealen Politik aufrechtzuerhalten, ist das Thema der Studie von Wolfgang Fach: Charismatische Persönlichkeiten »veredeln« die graue Routine, demokratische Wahlen sollen das politische Tagesgeschäft »reinigen«. Wo diese Verfahren nicht weiterhelfen, muß die Politik neu erfunden werden.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Angesichts des unreflektierten Politik-Begriffs in der Debatte um die stets aufs Neue beschworene Politikverdrossenheit begrüßt Rezensent Jens-Christian Rabe nachdrücklich Wolfgang Fachs jüngstes Buch. Der Autor unterscheidet darin zwei Ideen von Politik, einmal als philosophischen Begriff von der "transzendentalen Sorge fürs Ganze", der "POLITIK", und der alltäglichen, von Postenschacherei und Machterhalt geprägten "gemeinen Politik", erklärt der Rezensent. Der Clou in Fachs Gedankengang besteht darin zu zeigen, dass die gemeine Politik gerade in Wahlzeiten von der idealistischen Politik überdeckt wird und er damit dieser eigentlich als "Fiktion" verstandenen idealistischen Politik eine Macht zuschreiben kann, die dann auch auf die gemeine Politik wirkt, legt der Rezensent interessiert dar. Zudem biete das Buch einen erhellenden Abriss der Ideengeschichte der Politik, lobt Rabe weiter. Weniger überzeugend findet er den strukturellen Aufbau des Buches in 13 gleich gewichtete Kapitel: diese Struktur verleiht dem Ganzen eine gewisse "Beliebigkeit", meint Rabe, den zudem der etwas ungelenke Stil des Buchs gestört hat. Das soll aber den Wert des differenzierten heterogenen Politik-Begriffs, den Fach hier entwickelt, keinesfalls mindern, wie der Rezensent betont.
© Perlentaucher Medien GmbH
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