Das deutsche Versicherungsvertragsrecht ist ein Produkt der vorgesetzlichen Praxis - so lautet jedenfalls ein gängiges Narrativ, das in der rechtsgeschichtlichen Forschung häufig kopiert wird. Die vorliegende Forschungsarbeit analysiert diese Behauptung kritisch. Der Fokus liegt dabei auf dem historischen Feuer- und Lebensversicherungsrecht. In einem ersten Teil wird mithilfe historischer Gesetzgebungsmaterialen herausgearbeitet, wie das Preußische Allgemeine Landrecht (1794) sich an einer Kodifikation des nicht-maritimen Versicherungsrechts versuchte, obwohl die entsprechende Versicherungspraxis noch in ihren Anfängen steckte, und dabei teilweise originär rechtsschöpfend wirkte. Der zweite Teil untersucht, wie stark die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) des 19. Jahrhunderts das Versicherungsvertragsgesetz von 1908 prägten. Stets wird auch ein möglicher Einfluss anderer Rechtsquellen, z. B. staatlicher Brandkassen oder ausländischer Kodifikationen, in die Analyse einbezogen.
»Es handelt sich um eine höchst lesenswerte Untersuchung, welche die Grundfrage nach dem Einfluss der Versicherungspraxis auf die Gesetzgebung in differenzierter und tiefgründiger Weise beantwortet. Damit leistet das Werk nicht nur einen Beitrag zum Verständnis der behandelten versicherungsvertragsrechtlichen Kodifikationen und der darin enthaltenen dogmatischen Figuren, sondern es bietet darüber hinaus auch übergreifende Erkenntnisse zur Entstehung von Gesetzen, zu den treibenden Motiven und Akteuren sowie zu den Wegen zur Umsetzung der Regelungsziele.« Prof. Dr. Christian Armbrüster, in: Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, Bd. 87, 2/2023