Unsere Welt wächst zusammen und braucht mehr denn je internationale Regeln für militärische Konflikte sowie den Kampf gegen Terror und Menschenrechtsverletzungen. Angelika Nußberger schildert Geschichte und zentrale Konzepte des Völkerrechts, geht auf neueste Entwicklungen wie die internationale Strafgerichtsbarkeit und das Umweltvölkerrecht ein und stellt die Frage nach der Einheit des Völkerrechts in einer kulturell heterogenen Welt.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2009Der Ochse, der Löwe, der Hai und das Völkerrecht
Das Völkerrecht gehört zu den Dingen, von denen immer die Rede ist und die einem keiner je richtig erklärt. Ist es denn nun ein geltendes Recht, wie das Straf- und Zivilrecht, oder doch bloß so etwas wie ein Knüppel, den die souveränen Staaten nach Maßgabe ihrer realen Kräfte gegeneinander schwingen?
Die Antwort hierauf ist komplex; aber die 128 Seiten des Taschenbuchs der Beck’schen Reihe „Wissen”, geschrieben von der Kölner Verfassungs- und Völkerrechtlerin Angelika Nußberger, reichen vollauf aus, um Klarheit in eine verwickelte Materie zu bringen. Der weitverbreiteten Vorstellung, das Völkerrecht sei ein Spielball der Willkür, hält sie den Satz eines amerikanischen Juristen entgegen: „Fast alle Nationen halten fast alle Prinzipien des Völkerrechts und fast alle Verpflichtungen fast immer ein.”
Es liegt in der Natur der Sache, dass der Band sich überwiegend mit den Bedingungen jenes „fast” beschäftigt. Aber Nußberger stellt eine insgesamt optimistische Prognose und zeigt, wie sich Recht und Rechtsprechung im internationalen Raum unaufhaltsam fortentwickeln, trotz der fortgesetzten Obstruktion der USA, und besonders folgenreich in Europa; ihre Fallbeispiele vom Europäischen Gerichtshof in Straßburg sind richtig spannend, wenn sie vorführt, wo er sich übernommen oder vergaloppiert hat und wie er doch in der Summe viel mehr bewegt, als man ihm zutrauen möchte. Selbst die vertragliche Festlegung auf den „gerechten” oder „gebändigten” Krieg, da Krieg nun einmal vorkomme, stellt sich nicht nur als die spitzfindige Heuchelei dar, als die sie oft abgetan wird.
Die Autorin benennt das vorausgesetzte Dreierlei und dessen angestrebte Interaktion, indem sie ihren Kollegen Alberico Gentili aus dem 16. Jahrhundert zitiert: „Mögen der Ochse und der Löwe den Hai fressen, und möge der Ochse nicht die Grausamkeit erlernen, sondern der Löwe die Barmherzigkeit!” An diesem Ziel hält das Völkerrecht mit seiner langen Tradition zäh fest, umso zäher, als es dies im Modus des Wunsches tun muss.
Burkhard Müller
Angelika Nußberger: Das Völkerrecht. Verlag C.H. Beck Wissen, München) 2009. 128 Seiten, 7,90 Euro.
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Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
Das Völkerrecht gehört zu den Dingen, von denen immer die Rede ist und die einem keiner je richtig erklärt. Ist es denn nun ein geltendes Recht, wie das Straf- und Zivilrecht, oder doch bloß so etwas wie ein Knüppel, den die souveränen Staaten nach Maßgabe ihrer realen Kräfte gegeneinander schwingen?
Die Antwort hierauf ist komplex; aber die 128 Seiten des Taschenbuchs der Beck’schen Reihe „Wissen”, geschrieben von der Kölner Verfassungs- und Völkerrechtlerin Angelika Nußberger, reichen vollauf aus, um Klarheit in eine verwickelte Materie zu bringen. Der weitverbreiteten Vorstellung, das Völkerrecht sei ein Spielball der Willkür, hält sie den Satz eines amerikanischen Juristen entgegen: „Fast alle Nationen halten fast alle Prinzipien des Völkerrechts und fast alle Verpflichtungen fast immer ein.”
Es liegt in der Natur der Sache, dass der Band sich überwiegend mit den Bedingungen jenes „fast” beschäftigt. Aber Nußberger stellt eine insgesamt optimistische Prognose und zeigt, wie sich Recht und Rechtsprechung im internationalen Raum unaufhaltsam fortentwickeln, trotz der fortgesetzten Obstruktion der USA, und besonders folgenreich in Europa; ihre Fallbeispiele vom Europäischen Gerichtshof in Straßburg sind richtig spannend, wenn sie vorführt, wo er sich übernommen oder vergaloppiert hat und wie er doch in der Summe viel mehr bewegt, als man ihm zutrauen möchte. Selbst die vertragliche Festlegung auf den „gerechten” oder „gebändigten” Krieg, da Krieg nun einmal vorkomme, stellt sich nicht nur als die spitzfindige Heuchelei dar, als die sie oft abgetan wird.
Die Autorin benennt das vorausgesetzte Dreierlei und dessen angestrebte Interaktion, indem sie ihren Kollegen Alberico Gentili aus dem 16. Jahrhundert zitiert: „Mögen der Ochse und der Löwe den Hai fressen, und möge der Ochse nicht die Grausamkeit erlernen, sondern der Löwe die Barmherzigkeit!” An diesem Ziel hält das Völkerrecht mit seiner langen Tradition zäh fest, umso zäher, als es dies im Modus des Wunsches tun muss.
Burkhard Müller
Angelika Nußberger: Das Völkerrecht. Verlag C.H. Beck Wissen, München) 2009. 128 Seiten, 7,90 Euro.
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