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"Das vollkommene Haus" ist die sympathische wie eindrückliche Annäherung an einen der einflussreichsten Baumeister der Architekturgeschichte. Palladios oberitalienische Villen gelten nicht nur als Inbegriff schöner Architektur, sondern gleichsam als Geburtsstunde moderner Wohnhaus-Architektur.

Produktbeschreibung
"Das vollkommene Haus" ist die sympathische wie eindrückliche Annäherung an einen der einflussreichsten Baumeister der Architekturgeschichte. Palladios oberitalienische Villen gelten nicht nur als Inbegriff schöner Architektur, sondern gleichsam als Geburtsstunde moderner Wohnhaus-Architektur.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Palladio, so viel steht fest, hat Schule gemacht. Nach dem Vorbild des Renaissance-Architekten wurde und wird gebaut, wo etwas den Eindruck des Klassizistischen machen soll. Aus seiner Bewunderung für Palladio macht auch der Autor dieses Buches keinen Hehl, ja, er wird bei Gelegenheit, wie der Rezensent Dieter Bartetzko feststellt, geradezu "schwärmerisch". Geschrieben ist das Buch des amerikanischen Architekturprofessors Witold Rybczynski, das sich als populärer Beitrag zur Architekturgeschichte begreift, im Ich-Stil, im Genre der Reisebeschreibung. Es geht darin um dreierlei, so Bartetzko: "Reisebericht, Werkanalyse und Biografie". Am überzeugendsten findet ihn der Rezensent in den "suggestiven Beschreibungen der Villen" - und sympathisch auch darin, dass ihm das Faszinierende der Palladio-Bauten zuletzt doch ein unerklärbares "Rätsel" bleibt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.10.2004

Das Auge des Architekten
Witold Rybczynski über Palladios Villen / Von Dieter Bartetzko

Der Gelehrte Giorgio Vasari gilt als Begründer der neuzeitlichen Kunstgeschichte. Sein Hauptwerk, die 1550 erschienenen "vite de' piu eccellenti architetti, pittori e scultori italiani", verdichtet Künstlerbiographien zu einer Geschichte der italienischen Kunst, der einzigen Quelle oft, aus der wir Nachrichten über das Leben genialer Künstler, ihrer Werke, deren Entstehungsbedingungen und Auftraggeber besitzen. Vasari selbst hielt sich weniger für einen guten Kunstschriftsteller denn für einen überragenden Baumeister und Maler. Zwar erzählt er in seinen Texten nicht direkt von sich und seinen Talenten, doch durch jede Zeile schimmert im Urteil über das Können anderer - auch das des Architekten Andrea Palladio - der Stolz auf das eigene durch: seine Fresken in der Cancelleria Roms und im Palazzo Vecchio von Florenz, den Bau der Uffizien.

Der amerikanische Architekt und Professor für Urbanistik Witold Rybczynski gebraucht in seinem Palladio-Buch die Ich-Form ungeniert. Das gründet auf der klassischen Reisebeschreibung, die er, als Fahrt zu den zehn berühmten oberitalienischen Villen Palladios, als Rahmenhandlung gestaltet, die seine kunsthistorischen Untersuchungen zusammenhält. Rybczynskis Text besteht aus drei Büchern: Reisebericht, Werkanalyse und Biographie. Jedes Kapitel beginnt mit einer stimmungsvollen Schilderung des aktuellen Zustands der Bauwerke, ihres restaurierten Glanzes oder bedrückenden Verfalls, ihrer heutigen Nutzung, ihrer ländlichen oder landschaftskünstlerisch gestalteten Umgebung. Die Chronologie ihrer Entstehung wiederum, beginnend mit dem ersten bekannten Villenbau Palladios, der 1540 entstandenen Villa Godi, bis zur letzten, der 1570 entstandenen "La Rotonda" nahe der Palladio-Stadt Vicenza, bildet den Leitfaden einer farbigen Lebensschilderung des Baumeisters.

Andrea Palladio, so erfährt man, hieß ursprünglich Andrea di Pietro, nach seinem Vater, einem in Padua ansässigen Mühlsteinmacher. Erst Graf Giangiorgio Trissino, Kunstliebhaber, Gelegenheitsarchitekt, Mäzen und Erzieher des angehenden Baumeisters, regte den Namen Palladio an - eine Anspielung auf Pallas Athene, die griechische Göttin der Weisheit und praktisch angewandten Kunst -, der schon zu dessen Lebzeiten Klang in ganz Italien hatte und heute, als Stilbegriff "Palladianismus", aller Welt geläufig ist. Palladianisch bauten nicht nur berühmte Architekten im Holland und England des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts, um, wie Inigo Jones in seinem "Queen's house", mit begeisterten Übernahmen und Verarbeitungen aller Bau- und Dekorformen Palladios ein antikes architektonisches Arkadien zu schaffen. Auch amerikanische Architekten erkannten in Palladio ihr überragendes Vorbild. Angefangen bei Thomas Jeffersons legendärem Landsitz "Monticello", über das "Weiße Haus" samt den wichtigsten Regierungsbauten Washingtons und aller Haupstädte der amerikanischen Bundesstaaten, stieg Palladios Formenrepertoire zum offiziellen, bis heute bevorzugten Baustil der freien Neuen Welt auf.

"Die Lage gehört zu den anmutigsten und erfreulichsten, die man finden kann", schrieb Palladio selbst über seine "Rotonda", "auf einem leicht zu besteigenden Hügel, der auf der anderen Seite von weiteren lieblichen Hügeln umgeben ist, die wie ein großes Theater wirken und alle bestellt werden." "Das klingt recht einfach", kommentiert Rybczynski, "aber die Wirkung ist erstaunlich. Da das Haus auf einem hohen Kellergeschoß steht, hebt es sich gegen den Himmel ab; die bauchige Kuppel wirkt wie eine zweite Hügelkuppe." In den beiden letzten Bemerkungen erinnert der Autor beiläufig an Charakteristika der palladianischen Landhäuser, die er zuvor minutiös erläutert hat - die extrem hohen Sockelgeschosse, durch die alle Palladio-Villen auf dramatischen Podesten zu stehen scheinen und damit einen eindringlich theatralischen Ausdruck gewinnen, der bei der "Rotonda" in der Himmelfahrt der Kuppel gipfelt, die Roms Pantheon nachgebildet ist und gemeinsam mit den Tonnengewölben, den Apsiden und Thermenfenstern anderer Palladiovillen als Zitate der römischen Antike zu den freischöpferischen Leitmotiven der Palladio-Architektur zählt.

Als 1984 in Frankfurt am Main das Deutsche Architekturmuseum eröffnet wurde, war ein Environment zur " Rotonda" der wichtigste Teil der künstlerischen Ausgestaltung: Ein großes Aquarium war zu sehen, auf dessen Grund ein Modell der Villa stand, gestaltet als versunkene, von Fischen bevölkerte Ruine. Tatsächlich ist das Wissen um Leben und Werk Palladios, trotz seines nun schon fünf Jahrhunderte überdauernden Ruhms und der Vielzahl seiner erhalten gebliebenen Bauten, abgesunken. Was wir aus diesen und in seinen immer wieder publizierten "Quattro libri dell' archittetura" lesen, ist der Glanz, auch das propagandistische verbrämte Eigenlob eines glänzenden Baukünstlers, hinter dem der hart arbeitende, zuweilen auch irrende Baumeister, der am Praktischen orientierte Handwerker zum Anonymus verblaßt ist.

Palladio begann als Steinmetz. Das erscheint uns heute selbstverständlich als Vorstufe seines eigentlichen Berufs, war aber, wie Rybczynski betont, zu Lebzeiten Palladios äußerst ungewöhnlich. Architekt wurde fast durchweg, wer Maler oder Bildhauer war - Giotto, der den Campanile des Doms von Florenz entwarf, als frühes Beispiel, Michelangelo als bekanntestes, Raffael, dessen "Villa Madama" nie vollendet wurde und doch selbst als kaum noch erkennbare Ruine Generationen von Architekten faszinierte und inspirierte. Palladio besuchte den damals noch gut erkennbaren Torso in Rom, so wie er dort die antiken Ruinen besichtigte, vermaß und zeichnete. All diese Anregungen sind schon in der "Villa Godi" verarbeitet und werden im Lauf der folgenden Jahrzehnte zu immer sublimeren Motiven variiert.

"Als Archäologe war Palladio auf Genauigkeit bedacht, als Gestalter ging es ihm aber vor allem um Schönheit", schreibt Rybczynski dazu. Dieser manchmal fast fanatische Schönheitswillen hat öfters Kunsthistoriker zu dem Urteil verleitet, Palladio habe dem Streben nach Vollkommenheit alles untergeordnet, sogar die Bedürfnisse der Bewohner. "Die Villa als Herrschaftsarchitektur" lautete denn in den achtziger Jahren der Titel einer Abhandlung, in deren Zentrum die "Rotonda" als letztlich menschenverachtende kalte Schönheit erscheint. Doch schon der Anfänger Palladio, zeigt Rybczynski, war kein bedingungsloser Gefolgsmann des schönen Scheins. Im Gegenteil verkündete er, Vitruvs antike Lehren für sich übersetzend: "Ein Gebäude kann durchaus schön sein und (doch) bequem und braucht weder dorische noch irgendeine andere Ordnung zu haben."

Das Aufspüren dieses Ambientes des Bequemen ist Rybczynskis Element. Mit dem Auge des Architekten und des Architekturhistorikers, als der er seit langem den Wohnwert von Architektur in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt, beurteilt er Palladio: "Ein offener Kamin der Renaissance ist nicht so effizient wie eine moderne Gasheizung, aber ein Renaissance-Bau kann unter rein architektonischen Gesichtspunkten ebenso gut oder sogar besser sein als ein modernes Gebäude. Große Architektur überlebt sich nicht."

So wie diese schwärmerische Anmerkung bleiben die Urteile des Autors oft bloße Behauptung und zeigen bemerkenswerte Parallelen zum aktuellen Erfolg der sogenannten "Retro-Architektur", die in Europa wie in Amerika mit neuen Palladio- oder Schinkel-Imitaten erfolgreich mit Neuerungstendenzen konkurriert. Es sind die suggestiven Beschreibungen der Villen, die Rybczynskis Urteile auf festen Grund stellen. Doch ist er offen genug, zuzugeben, daß die Faszination der Palladio-Bauten letztlich ein Rätsel bleibt. Folgerichtig überschreibt er sein Schlußkapitel "Palladios Geheimnis". Es handelt, einzige Ausnahme der chronologischen Folge, von Palladios früher "Villa Saraceno" (um 1545). Was ihr und allen Villen als Geheimnis innewohnt, benennt er zunächst mit einem Kommentar Goethes: "Es ist etwas wirklich Göttliches in Palladios Anlagen, völlig wie die Force des großen Dichters, der aus Wahrheit und Lüge ein Drittes bildet, dessen erborgtes Dasein uns bezaubert." Rybczynski schließt sich mit den schlichten Sätzen an, Palladios Villen "lassen uns aus uns herausgehen, machen uns aber nie vergessen, wer und was wir sind. Sie sind wahrhaftig vollkommen." Für die Dauer der Lektüre glaubt man ihm.

Witold Rybczynski: "Das vollkommene Haus". Eine Reise mit dem italienischen Renaissance-Baumeister Andrea Palladio. Aus dem Amerikanischen von Ulrike Bischoff. Berlin Verlag, Berlin 2004. 328 S., Abb., geb., 24,90 [Euro].

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