Mit der verrückten Manda, die den Briefträger beißt, beginnt alles und damit, dass sie im Krankenhaus von einem Arzt mit einer Überdosis eingeschläfert wird. Siebenundneunzig ist die Alte und hat ein ganzes Jahrhundert in Dubrovnik erlebt. Stück für Stück rollt der Autor ihr Leben auf, geht zurück, und nach und nach erleben wir die Geschichte der Frau sowie ihrer Heimatstadt Dubrovnik.
Zwischen Grauen und Komik entsteht die tragische Geschichte des Balkans im 20. Jahrhundert.
Zwischen Grauen und Komik entsteht die tragische Geschichte des Balkans im 20. Jahrhundert.
"Ein begnadeter Erzähler - und ein weiser Clown." Andreas Schäfer, Tagesspiegel
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 14.03.2008Ein einziges Gemetzel
Zuerst eine Warnung: Für Zartbesaitete ist dieser kroatische Buchschinken nichts; um so viel Gemetzel und zotige Sexualität zu ertragen, braucht es starke Nerven. Der Kroate Miljenko Jergovic feiert geradezu Orgien an Grausamkeit und Gewalt. Hundert Jahre Balkan, auf sechshundert Seiten im Zeitraffer vor und zurück eingefangen - dabei kommt man freilich ohne die Schrecken von Krieg und Zerstörung nicht aus. Und so sind es immer nur Atempausen, in denen es friedlich zugeht. Liebe flackert da nur heftig auf und verlöscht sofort wieder. Die Helden leben nicht lange und erleiden meistens einen grausigen Tod. Langlebig sind nur die alten Frauen. Deshalb ist das Titelbild mit der mädchenhaften Schönheit im weißen Spitzenkleid verfehlt, es weckt falsche Erwartungen. Jergovic, 1966 in Sarajevo geboren, wurde auch bei uns mit Gedichten und Erzählungen ("Himmel Comando") bekannt. Er lebt jetzt in Zagreb und ist politischer Kolumnist von kroatischen und bosnisch-hercegovinischen Zeitungen. Seine erzählerische Suada ist von überbordender Kraft, bilderreich und oft komisch oder sarkastisch. Allerdings, der rote Faden verliert sich immer wieder in diesen aneinandergereihten Anekdoten, die die Wirklichkeit bis zur Unkenntlichkeit übertreiben. Aber vielleicht ist nur so die Katastrophe eines schönen Landes zu beschreiben, dessen Bewohner mit List und Mühe ums Überleben kämpfen. Partisanen, Ustaschaleute, Spione, Kommunisten, Mörder, Opportunisten und Titos Getreue - am Ende fast alle tot, im Irrenhaus, oder sie haben sich in den Alkohol geflüchtet. Nur das hölzerne Mädchen, das der alte Schnitzer vor das Walnusshaus gestellt hat, scheint glücklich. (Miljenko Jergovic: "Das Walnusshaus". Roman. Aus dem Kroatischen übersetzt von Brigitte Döbert. Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2008. 613 S., geb., 24,90 [Euro].) m.f.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Zuerst eine Warnung: Für Zartbesaitete ist dieser kroatische Buchschinken nichts; um so viel Gemetzel und zotige Sexualität zu ertragen, braucht es starke Nerven. Der Kroate Miljenko Jergovic feiert geradezu Orgien an Grausamkeit und Gewalt. Hundert Jahre Balkan, auf sechshundert Seiten im Zeitraffer vor und zurück eingefangen - dabei kommt man freilich ohne die Schrecken von Krieg und Zerstörung nicht aus. Und so sind es immer nur Atempausen, in denen es friedlich zugeht. Liebe flackert da nur heftig auf und verlöscht sofort wieder. Die Helden leben nicht lange und erleiden meistens einen grausigen Tod. Langlebig sind nur die alten Frauen. Deshalb ist das Titelbild mit der mädchenhaften Schönheit im weißen Spitzenkleid verfehlt, es weckt falsche Erwartungen. Jergovic, 1966 in Sarajevo geboren, wurde auch bei uns mit Gedichten und Erzählungen ("Himmel Comando") bekannt. Er lebt jetzt in Zagreb und ist politischer Kolumnist von kroatischen und bosnisch-hercegovinischen Zeitungen. Seine erzählerische Suada ist von überbordender Kraft, bilderreich und oft komisch oder sarkastisch. Allerdings, der rote Faden verliert sich immer wieder in diesen aneinandergereihten Anekdoten, die die Wirklichkeit bis zur Unkenntlichkeit übertreiben. Aber vielleicht ist nur so die Katastrophe eines schönen Landes zu beschreiben, dessen Bewohner mit List und Mühe ums Überleben kämpfen. Partisanen, Ustaschaleute, Spione, Kommunisten, Mörder, Opportunisten und Titos Getreue - am Ende fast alle tot, im Irrenhaus, oder sie haben sich in den Alkohol geflüchtet. Nur das hölzerne Mädchen, das der alte Schnitzer vor das Walnusshaus gestellt hat, scheint glücklich. (Miljenko Jergovic: "Das Walnusshaus". Roman. Aus dem Kroatischen übersetzt von Brigitte Döbert. Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2008. 613 S., geb., 24,90 [Euro].) m.f.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Geradezu berauscht ist Andreas Breitenstein von diesem monumentalen Historienepos des jungen kroatischen Autors Miljenko Jergovic. Er stellt den 1966 geborenen Verfasser ganz begeistert sogar in eine Reihe mit Klassikern wie Alexander Tisma oder Ismail Kadare. Erzählt wird nicht weniger als eine Familiensaga, die sich um die 1905 geborene, 2002 gestorbene Regina Delavata dreht, die aber bis ins Jahr 1878 zurückreicht. Von Linearität aber gibt es in dem Roman keine Spur. Mit seinen vielen Zwischen- und Unterkapiteln, in vielen Ortswechseln vom eigentlichen Schauplatz Dubrovnik in die Hauptstädte Westeuropas, aber auch in balkanisches Bergland entfaltet Jergovic ein Epos aus Nebengeschichten, die freilich stets in pointiertem Bezug zur "großen Geschichte" stehen. Sein Augenmerk gilt den "Unpässlichen und Unbequemen" und sein Stil sei überaus wandlungsreich. Mühelos trifft, schwärmt Breitenstein, der Autor komische, vulgäre und auch tragische Töne in unterschiedlichster Nuancierung. Hier ist, versichert der Rezensent, ein "begnadeter Erzähler" zu entdecken. Sein entschiedener Rat: "Man mache sich glücklich mit der Lektüre dieses Buchs."
© Perlentaucher Medien GmbH
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»DAS WALNUSSHAUS zeichnet sich durch eine ungeheure Kreativität und einen Lebenswillen aus, der elektrisiert. Meisterhaft erzählt Jergovic die Lebens- und Liebesgeschichten mehrerer Generationen.«Brigitte»Jergovic ist der Márquez Europas. Das ist historische Belletristik vom Feinsten.«Wienerin»Was für ein raffiniertes Monstrum von einem Roman! Jergovic ist ein begnadeter Erzähler, der schicksalhafte Momente emotional aufzuladen vermag, ohne ins Pathos abzugleiten.«Tagesspiegel