Der Professor erklärt, dass Veilchen und Melonen nicht am Nordpol wachsen. "Doch!", sagt ein Gärtner. Die Wette gilt. Am Nordpol angekommen,baut er ein Treibhaus und heizt es ein. Ein Walross wird sein Freund und hilft ihm als Blasebalg. Die Pflanzen wachsen,und die Leidenschaft des Walross' für Veilchen und Melonen wächst auch. Schließlich fragt es den Polarfuchs: "Kennst du das Land, wo die Melonen blühen?"Die Reise führt übers Eis, durchs Meer und endlich kommt das Walross in eine Stadt, doch es trifft Autoschlangen statt Melonen und Gangster statt Veilchen – aber es findet auch alte und neue Freunde.Die Geschichte vom gutgläubigen Walross steckt voller Wortspiele und Anspielungen. Mit Schalk benennt Heiri Strub Zustände und Missständeund nimmt Besserwisser und Mitläufer aufs Korn.
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 02.09.2011Im Eismeer wachsen Melonen und Veilchen
Die Wiederentdeckung des Schweizer Kinderbuch-Illustrators Heiri Strub
Was auf Erden durch Klimazonen fein säuberlich getrennt ist, lässt sich mit Phantasie durchaus zusammenfügen. Heiri, eigentlich Heinrich Strub, hat das 1951 am Beispiel seines Bilderbuchs Walross und Veilchen vorgeführt, hat in Bild und Text eine burleske Geschichte erfunden, die vom Nordpol bis nach Italien, vom europäischen Vortragssaal bis zum Iglu führt. Im Kern geht es darum, dass ein Gärtner zunächst einem Professor beweisen will, wie man mit der nötigen Sorgfalt sogar im Eismeer Melonen und Veilchen züchten kann. Dann fällt ein Walross in das Gewächshaus, das der Gärtner errichtet hat, schließt Freundschaft mit dem Mann, macht sich nützlich, lernt Melonen und Veilchenduft schätzen und beschließt endlich, jene wärmeren Gegenden aufzusuchen, in denen so schöne und wohlschmeckende Dinge frei zugänglich sind.
Das geht natürlich nicht ohne Turbulenzen ab, und liest sich heute wie vor sechzig Jahren, durchsetzt von kuriosen Einfällen und Spöttereien, teils als Satire, teils als Spaß für jedes Alter. Denn der Kinderbuch-Illustrator Heiri Strub, geboren 1916 und aufgewachsen in der Schweiz, war auch ein politischer Kopf, ein Plakatkünstler, der sich schon als junger Mann für die schweizerische Arbeiterbewegung engagiert hatte und daher in seiner Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg, im Zeichen zunehmender Kommunistenfurcht, als suspekt galt.
In Das Walross und die Veilchen spürt man davon nichts – die Geschichte ruft zu keinerlei Umsturz auf und erzählt auch nicht von einer ökologisch bedenklichen Eroberung der Arktis mit den Mitteln des forcierten Gartenbaus. Dennoch hat das Buch ein politisches Schicksal, der Verkauf der ersten Auflage wird 1951 in der Schweiz von der Bundespolizei hintertrieben, der missliebige Künstler soll isoliert werden. Der Sauerländer-Verlag steht zwar zu seinem Autor, und Lizenzausgaben bei der Büchergilde verkaufen sich wenig später ohne Probleme; Heiri Strub aber, der als Graphiker und Illustrator immer weniger Aufträge erhält, zieht schließlich von 1957 bis 1971 in die DDR, arbeitet dort für Kinderbuchverlage, schafft Bühnendekorationen oder Masken für Stücke von Bert Brecht, lernt Helene Weigel und John Heartfield kennen. Sein Walross findet auch in diesen Kreisen Freunde, es gibt Bemühungen um Theaterfassungen und sogar um eine Verfilmung, die sich jedoch wieder zerschlagen.
Die klaren Linien Strubs in diesem Buch lassen sich vielleicht mit manchen Arbeiten von Walter Trier vergleichen, der ebenfalls für ein altersloses Publikum illustriert hat. Das Walross, mal weinend, mal schnarchend, mal auf einer vielbefahrenen Straße, ist immer unverkennbar ein Tier, ihm werden aber liebevoll menschliche Bewegungen und Gefühle mitgegeben, während die Personen oft karikierend überzeichnet werden. Das ist eingängig und hintergründig zugleich, und es ist vielleicht ein kleiner Triumph zu Lebzeiten, dass nun endlich auch in der Schweiz bei Atlantis eine Neuauflage mit einem von Heiri Strub persönlich überarbeiteten Text aufgelegt worden ist. Sie erinnert, ganz nebenbei, daran, dass Freiheit nicht nur weit weg in fernen Diktaturen ein Problem sein kann. (ab 6 Jahre und für Sammler) MICHAEL SCHMITT
HEIRI STRUB: Das Walross und die Veilchen. Atlantis Verlag 2011. 48 Seiten. 16,80 Euro
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Die Wiederentdeckung des Schweizer Kinderbuch-Illustrators Heiri Strub
Was auf Erden durch Klimazonen fein säuberlich getrennt ist, lässt sich mit Phantasie durchaus zusammenfügen. Heiri, eigentlich Heinrich Strub, hat das 1951 am Beispiel seines Bilderbuchs Walross und Veilchen vorgeführt, hat in Bild und Text eine burleske Geschichte erfunden, die vom Nordpol bis nach Italien, vom europäischen Vortragssaal bis zum Iglu führt. Im Kern geht es darum, dass ein Gärtner zunächst einem Professor beweisen will, wie man mit der nötigen Sorgfalt sogar im Eismeer Melonen und Veilchen züchten kann. Dann fällt ein Walross in das Gewächshaus, das der Gärtner errichtet hat, schließt Freundschaft mit dem Mann, macht sich nützlich, lernt Melonen und Veilchenduft schätzen und beschließt endlich, jene wärmeren Gegenden aufzusuchen, in denen so schöne und wohlschmeckende Dinge frei zugänglich sind.
Das geht natürlich nicht ohne Turbulenzen ab, und liest sich heute wie vor sechzig Jahren, durchsetzt von kuriosen Einfällen und Spöttereien, teils als Satire, teils als Spaß für jedes Alter. Denn der Kinderbuch-Illustrator Heiri Strub, geboren 1916 und aufgewachsen in der Schweiz, war auch ein politischer Kopf, ein Plakatkünstler, der sich schon als junger Mann für die schweizerische Arbeiterbewegung engagiert hatte und daher in seiner Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg, im Zeichen zunehmender Kommunistenfurcht, als suspekt galt.
In Das Walross und die Veilchen spürt man davon nichts – die Geschichte ruft zu keinerlei Umsturz auf und erzählt auch nicht von einer ökologisch bedenklichen Eroberung der Arktis mit den Mitteln des forcierten Gartenbaus. Dennoch hat das Buch ein politisches Schicksal, der Verkauf der ersten Auflage wird 1951 in der Schweiz von der Bundespolizei hintertrieben, der missliebige Künstler soll isoliert werden. Der Sauerländer-Verlag steht zwar zu seinem Autor, und Lizenzausgaben bei der Büchergilde verkaufen sich wenig später ohne Probleme; Heiri Strub aber, der als Graphiker und Illustrator immer weniger Aufträge erhält, zieht schließlich von 1957 bis 1971 in die DDR, arbeitet dort für Kinderbuchverlage, schafft Bühnendekorationen oder Masken für Stücke von Bert Brecht, lernt Helene Weigel und John Heartfield kennen. Sein Walross findet auch in diesen Kreisen Freunde, es gibt Bemühungen um Theaterfassungen und sogar um eine Verfilmung, die sich jedoch wieder zerschlagen.
Die klaren Linien Strubs in diesem Buch lassen sich vielleicht mit manchen Arbeiten von Walter Trier vergleichen, der ebenfalls für ein altersloses Publikum illustriert hat. Das Walross, mal weinend, mal schnarchend, mal auf einer vielbefahrenen Straße, ist immer unverkennbar ein Tier, ihm werden aber liebevoll menschliche Bewegungen und Gefühle mitgegeben, während die Personen oft karikierend überzeichnet werden. Das ist eingängig und hintergründig zugleich, und es ist vielleicht ein kleiner Triumph zu Lebzeiten, dass nun endlich auch in der Schweiz bei Atlantis eine Neuauflage mit einem von Heiri Strub persönlich überarbeiteten Text aufgelegt worden ist. Sie erinnert, ganz nebenbei, daran, dass Freiheit nicht nur weit weg in fernen Diktaturen ein Problem sein kann. (ab 6 Jahre und für Sammler) MICHAEL SCHMITT
HEIRI STRUB: Das Walross und die Veilchen. Atlantis Verlag 2011. 48 Seiten. 16,80 Euro
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