Die Idee, den politischen Gegensatz als Mittel zur eigenen Identitätsbildung benutzen, ist aktuell. So schrieb der amerikanische Politikwissenschaftler Samuel Huntington, der 1993 das Schlagwort vom Clash of Civilizations prägte, 1997 in der Zeitschrift Foreign Affairs, wie das Auftauchen eines neuen Feindbildes dazu beitragen könnte, eine heterogene Gesellschaft neu zusammenzuführen und "national" zu verschmelzen. Schließlich erfolgte in den USA eine solche, teils interessenspolitisch gesteuerte Besinnung auf die eigene Identität nach dem verheerenden Terroranschlag des 11. September 2001.
Europa erlebte bereits im 16. Jahrhundert, der Zeit der Glaubensspaltung und der Expansion in die Neue Welt, ähnliche Versuche. Die neue Mobilität der Menschen auch innerhalb des lateinischen Europa, die Glaubenskrisen und die Renaissance stimulierten gedankliche Auseinandersetzungen, in denen vor allem in den Grenzgebieten die Frage nach der Identität der lateinischen Christenheit neu gestellt und erörtert wurde. Mythische Bilder spielten im 16. Jahrhundert wie auch noch heute eine zentrale Rolle. Das "sarmatische" Ideal des polnisch-litauischen Adels (Szlachta) etwa sollte verschiedene ethnische und sprachliche Komponenten zu einem Ganzen verbinden. Das neu aufgegriffene Prinzip der Polarisierung, der Gegenüberstellung von angeblich unvereinbaren Extremen, diente zugleich der Festigung der eigenen Identität. Reales vermischte sich dabei mit Fiktivem, tatsächliches Geschehen mit literarischen Topoi und Allegorien.
Dr. Markus Osterrieder hat diesen Vorgang am Beispiel des damaligen polnisch-litauischen Großreiches untersucht und zeigt Kontinuitäten und Wandlungen in der Wahrnehmung, Beschreibung und Beurteilung von Kriegs- und Feindbildern in Osteuropa während des 16. Jahrhunderts auf. Aus der Arbeit, die auf den gesamteuropäischen Kontext eingeht und einen mentalitäts- und bewußtseinsgeschichtlichen Ansatz verfolgt, lassen sich allgemeine mentale und soziale Muster in Form von entwicklungsbedingten Veränderungen oder anthropologischen Konstanten herleiten, die den Umfang eines eventuell sich vollziehenden west-östlichen Kulturtransfers aufzeigen, aber auch Aufschluß auf die von der Forschung seltener gestellte Frage geben, ob nicht auch ein umgekehrter, von Osten nach Westen erfolgender Austausch nachzuweisen ist. Damit bietet die Untersuchung auch einen wesentlichen Beitrag zu der heftig umstrittenen Frage der Festlegung der Epochengrenze zwischen Mittelalter und Neuzeit im osteuropäischen Raum sowie über die ideen- und bewußtseinsgeschichtliche Stellung Osteuropas im Europa des Humanismus, der Renaissance und der Reformation.
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Europa erlebte bereits im 16. Jahrhundert, der Zeit der Glaubensspaltung und der Expansion in die Neue Welt, ähnliche Versuche. Die neue Mobilität der Menschen auch innerhalb des lateinischen Europa, die Glaubenskrisen und die Renaissance stimulierten gedankliche Auseinandersetzungen, in denen vor allem in den Grenzgebieten die Frage nach der Identität der lateinischen Christenheit neu gestellt und erörtert wurde. Mythische Bilder spielten im 16. Jahrhundert wie auch noch heute eine zentrale Rolle. Das "sarmatische" Ideal des polnisch-litauischen Adels (Szlachta) etwa sollte verschiedene ethnische und sprachliche Komponenten zu einem Ganzen verbinden. Das neu aufgegriffene Prinzip der Polarisierung, der Gegenüberstellung von angeblich unvereinbaren Extremen, diente zugleich der Festigung der eigenen Identität. Reales vermischte sich dabei mit Fiktivem, tatsächliches Geschehen mit literarischen Topoi und Allegorien.
Dr. Markus Osterrieder hat diesen Vorgang am Beispiel des damaligen polnisch-litauischen Großreiches untersucht und zeigt Kontinuitäten und Wandlungen in der Wahrnehmung, Beschreibung und Beurteilung von Kriegs- und Feindbildern in Osteuropa während des 16. Jahrhunderts auf. Aus der Arbeit, die auf den gesamteuropäischen Kontext eingeht und einen mentalitäts- und bewußtseinsgeschichtlichen Ansatz verfolgt, lassen sich allgemeine mentale und soziale Muster in Form von entwicklungsbedingten Veränderungen oder anthropologischen Konstanten herleiten, die den Umfang eines eventuell sich vollziehenden west-östlichen Kulturtransfers aufzeigen, aber auch Aufschluß auf die von der Forschung seltener gestellte Frage geben, ob nicht auch ein umgekehrter, von Osten nach Westen erfolgender Austausch nachzuweisen ist. Damit bietet die Untersuchung auch einen wesentlichen Beitrag zu der heftig umstrittenen Frage der Festlegung der Epochengrenze zwischen Mittelalter und Neuzeit im osteuropäischen Raum sowie über die ideen- und bewußtseinsgeschichtliche Stellung Osteuropas im Europa des Humanismus, der Renaissance und der Reformation.
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"Dass das östliche Mitteleuropa, in diesem Fall die frühneuzeitliche polnische Adelsrepublik, auch in anderen Bereichen, nicht nur rezeptiv, sondern innovativ und kreativ war, hebt Markus Osterrieder in einer Studie über das polnische Denken des 16. Jahrhunderts hervor. In seiner Analyse der Bilder und Vorstellungen, die in zeitgenössischen Traktaten und Streitschriften, in Chroniken und Verfassungstexten von Krieg und Frieden entworfen wurden, zeigt er, wie sich im Kontext der durch Renaissance, Reformation und Gegenreformation ausgelösten kulturellen und sozialen Umbrüche in der Elite der Adelsrepublik ein neuer Umgang mit dem Problem der Kriegsbegründung und Kriegsverhütung, der Gewissensentscheidung in militärischen oder religiösen Konfliktfällen ausbildete. Dieser veränderte Umgang war zunächst durch Vorstellungen und Selbstwahrnehmungen geprägt, denen zufolge Konfliktsituationen vor allem durch Toleranz, ständisch-parlamentarische Verfahren sowie Diplomatie und Dialog aufgelöst, wenn nicht präventiv verhindert werden sollten. Die aus heutiger Sicht sehr "modern" anmutenden Vorstellungen wurden aber bald durch "konservativere" Bemühungen um eine Stärkung des "nationalen" Selbstbewussteins und die Ausbildung einer besonderen "europäischen" Sendung ergänzt, die zur Ausgrenzung von Gegnern wie Türken und Tataren, aber auch der Moskauer Rus' führten. Auf diese Weise habe Polen-Litauen - so die nicht gänzlich neue Erkenntnis Osterrieders - im 16. Jahrhundert mit seiner politischen Propaganda maßgeblich zu einer gemeineuropäischen Ausgrenzung Moskaus und des Osmanischen Reiches aus Europa beigetragen."
In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. 59 (2008). Heft 3. S. 178.
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"Insgesamt stellt die Darstellung einen wichtigen Beitrag zum polnischen politischen Denken des 16. Jahrhunderts dar und fasst den erreichten Forschungsstand mit den genannten Einschränkungen zusammen. Gut getan hätte es allerdings, wenn die Endfassung intensiver mit Spezialisten in Polen bzw. deutschen Polenhistorikern diskutiert worden wäre - aus dem Text sind keine Arbeitszusammenhänge in diese Richtung erkennbar."
In: Sehepunkte 5 (2005), Nr. 9 [09.09.2005]
http://www.sehepunkte.de/2005/09/9217.html
In: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht. 59 (2008). Heft 3. S. 178.
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"Insgesamt stellt die Darstellung einen wichtigen Beitrag zum polnischen politischen Denken des 16. Jahrhunderts dar und fasst den erreichten Forschungsstand mit den genannten Einschränkungen zusammen. Gut getan hätte es allerdings, wenn die Endfassung intensiver mit Spezialisten in Polen bzw. deutschen Polenhistorikern diskutiert worden wäre - aus dem Text sind keine Arbeitszusammenhänge in diese Richtung erkennbar."
In: Sehepunkte 5 (2005), Nr. 9 [09.09.2005]
http://www.sehepunkte.de/2005/09/9217.html