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Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2008

Verwundet im Hochland

Martha Gellhorn ist die berühmteste Kriegsreporterin des zwanzigsten Jahrhunderts: Auch in ihren afrikanischen Novellen herrscht Krieg - aber hier ist die menschliche Psyche das Schlachtfeld.

Von Sandra Kegel

Als Martha Gellhorn 1998 mit neunundachtzig Jahren starb, war in allen Nachrufen die Rede von ihrer Ehe mit Ernest Hemingway. Das hätte der berühmten Kriegsberichterstatterin nicht gefallen. "Über Hemingway reden alle", sagte sie einmal spitz, "ich erlaube mir den Luxus, es nicht zu tun." Sie wollte mehr sein als "die Fußnote im Leben eines anderen". Dieses Ziel hatte Martha Gellhorn, die heute vor hundert Jahren in St. Louis/Missouri zur Welt kam, freilich schon zu Lebzeiten erreicht. In ihrer sechzig Jahre währenden Karriere, die 1930 als Korrespondentin in Paris begann, ließ sie bis ins hohe Alter keinen Kriegsschauplatz aus. Das "Desaster Girl", so ihr Spitzname, war im Spanischen Bürgerkrieg wie im Zweiten Weltkrieg, in Indochina, Vietnam, im Mittleren Osten und in Panama. Rastlos reiste sie von Land zu Land, von Krieg zu Krieg und begründete dabei eine Form des Erlebnisjournalismus, die uns heute vertraut ist, damals aber alles andere als selbstverständlich war: Politikerreden misstraute sie, Objektivität hielt sie für "Unsinn". Sie schrieb nur auf, was sie selbst sah und hörte. Gerade heute würde es sich lohnen, ihre Reportagen aus der Zeit der Großen Depression Amerikas wieder hervorzuholen, die einst den Ruhm der Achtundzwanzigjährigen begründeten.

Dass Martha Gellhorn auch Schriftstellerin war, ist zu ihren Lebzeiten hingegen weniger bekannt gewesen. Nur ein kleiner Teil ihrer Romane, Erzählungen und Briefe ist überhaupt ins Deutsche übersetzt, vieles davon vergriffen. Das will der Schweizer Dörlemann Verlag ändern und hat kurz hintereinander drei kleine bibliophile Bände mit Erzählungen der Amerikanerin herausgebracht, übersetzt von Miriam Mandelkow. Nach "Paare" und "Muntere Geschichten für müde Menschen" liegt mit "Das Wetter in Afrika" von 1984 jetzt die dritte Sammlung von Novellen vor.

Mehr als zwanzig Jahre vor Erscheinen des Originals, 1962, hatte Martha Gellhorn ihre Liebe zu Afrika entdeckt und den Schwarzen Kontinent fortan immerzu bereist; zeitweise besaß sie im kenianischen Rift Valley sogar ein eigenes Haus. Ihre drei afrikanischen Novellen lässt die Autorin vor dem Hintergrund politischer Umbrüche spielen - in den ostafrikanischen Ländern Tansania und Kenia kurz nach der Unabhängigkeit. Es ist noch das Land der Weißen, der Farmer und Geschäftsleute, die sich nach wie vor als Kolonialherren begreifen, aber durch die Veränderungen zutiefst verunsichert sind.

Zentral sind die Konflikte zwischen Weißen und Schwarzen in "Auf dem Berg". Jane, die ebenso schöne wie arrogante Tochter einer Hoteliersfamilie, verfällt in tödlicher Leidenschaft einem schwarzen Beau und korrupten Beamten. Sie lässt sich von ihm quälen und erniedrigen, blind dafür, dass er sich damit vor allem rächt für all die Demütigungen, die er von den Weißen erlitten hat. Dieser Jane stellt Martha Gellhorn in Gestalt von Mary Ann die gute Schwester gegenüber, die zwar von unvorteilhaftem Aussehen ist, sich aber mit großer Hingabe um die Belange des Hotels, der Eltern und Gäste kümmert.

Gellhorn bleibt, so viel ist klar, auch in der Literatur ihrem eigentlichen Sujet, dem Krieg, treu, wenngleich es sich hier um seelische Schlachtfelder handelt. Dabei schreibt die literarische Erzählerin Martha Gellhorn kaum anders als die zupackende Journalistin. Sie treibt ihre Erzählung voran in einer knappen, burschikosen Sprache, die durchsetzt ist von feiner Ironie. Mit kühlem Blick entblößt Gellhorn menschliche Schwächen, schaut in die Abgründe der Psyche, bespöttelt die Luftschlösser der Liebe. Im Kampf der Rassen, Liebenden oder Schwestern gibt es nur selten Feuerpausen.

Diese Schonungslosigkeit ist nicht ohne Reiz, doch fordert sie ihren Tribut. Ihren Figuren haftet stets etwas Holzschnittartiges an: Sie bleiben eindimensional, weil sie in erster Linie bestimmte Eigenschaften und Positionen verkörpern sollen.

So verliert in "Am Meer" eine Touristin den Boden unter den Füßen, als sie, die selbst einst ihren Sohn verlor, bei einem Autounfall ein schwarzes Kind überfährt. "Im Hochland", der längste Text des Bandes, stellt einen traumatisierten Engländer ins Zentrum, der, verstört durch seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg, auf einer Farm in Afrika sein Seelenheil findet. Das Glück, "das ausreichte, um ihn bei der Stange zu halten", währt nur kurz, denn Ian gerät in die Fänge einer Frau, die ihn beinahe ruiniert. Erst ein schwarzes Findelkind, das der Engländer bei sich aufnimmt, rettet ihm das Leben.

Ganz groß werden die Novellen immer dann, wenn sich die Autorin auf ihren heimlichen Hauptakteur konzentriert: die afrikanische Landschaft. Diese Natur erfasst Martha Gellhorn in all ihren schillernden Facetten. Zur Weite und zu den Bergen Afrikas verhält sich jeder auf seine Weise. An einem aber lassen diese Geschichten keinen Zweifel: Dieses Land kann seine Bewohner ins Elend stürzen, aber es kann auch Rettung bedeuten.

- Martha Gellhorn: "Das Wetter in Afrika". Novellen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Miriam Mandelkow. Dörlemann Verlag, Zürich 2008. 283 S., geb., 21,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.12.2008

Eine Sehnsucht nach Fürsorge
Martha Gellhorns Novellen „Das Wetter in Afrika”
Die Ruhe der afrikanischen Landschaft und das Farbenspiel eines unendlich weiten Horizonts schweben als schützender Dunst über diesen drei Novellen Martha Gellhorns. Während sie mit kühler Bitterkeit menschliche Abgründe in Augenschein nimmt, bildet sie zugleich kleine Hoffnungsinseln aus. Sie entstehen gerade dort, wo ihre Protagonisten alle Ambitionen fahren lassen und damit einverstanden sind, dass ihre Existenz aufs einfache Überdauern zusammenschrumpft. Und sie haben immer mit Kindern und Kindlichkeit zu tun, mit dem Glück von Fürsorge und Nähe und dessen Bedrohung durch die Brutalität des Todes und die erbarmungslosen Lebensverhältnisse Ostafrikas.
Die drei Novellen inszenieren auf unterschiedliche Weise das Problem „überzähliger Menschen”. Die erste und die dritte Novelle sind lose miteinander verbunden, die zweite, mit nüchterner Geradlinigkeit und rasanten Perspektivwechseln erzählt, bildet das Haupt- und Mittelstück des Triptychons. „Am Meer” erzählt von einer Amerikanerin, die sich an Weihnachten in einem kenianisches Luxushotel eingemietet hat. Zunächst wirkt alles recht wohlgestimmt. Die Paare und Familien, die sich eine kleine touristische Auszeit gönnen, erscheinen in mildem Licht. Und doch spürt man, dass der freundliche Blick der Ich-Erzählerin gegen einen Widerstand ankämpft. Geschickt schürt die Autorin das Wohlgefühl und durchsetzt ihre lichte Prosa mit Andeutungen eines vergangenen und eines zukünftigen Unglücks. Zwei Wochen lang hat die Touristin das Hotel nicht verlassen, „ganz zufrieden bisher mit dem weißen Sandstrand, dem warmen Meer, dem phantastischen Pool zur Ebbezeit, den Farben, der lauen Luft und dem Himmel”, nun fährt sie mit einem weißen Peugeot über die Landstraße zum „Soundso-Club”, der nur deshalb „Club” heißt, damit man „die Afrikaner draußenhalten” kann. Während sie noch darüber nachsinnt, in ihrem Körper „wieder zu Hause zu sein”, und die Leere und Stille der Landschaft genießt, verstärkt die unerwartete Länge des Wegs das Gefühl der Bedrohung. Und dann passiert es. Ein dumpfer Schlag, ein seltsamer Laut und die blitzartige Erinnerung an ein Kind, das plötzlich angerannt kam. Ein harter Schnitt und der Wechsel der Erzählperspektive in die dritte Person. Und erst jetzt erfahren wir die Vorgeschichte, die sich mit dem Tod des afrikanischen Jungen, von dem man ihr einreden will, dass er ohne jede Bedeutung sei, schicksalhaft verknüpft.
Neben dieser meisterhaften Novelle wirken die beiden anderen eher wie Skizzen zu einem Roman, zu dessen Ausführung der damals rund siebzigjährigen Autorin der lange Atem gefehlt haben mag. Sie lesen sich zwar eindrucksvoll und unterhaltsam, sind aber mit einer Vielzahl verschränkter Lebensläufe und Problemlagen für Novellen etwas überfrachtet. „Auf dem Berg” erzählt von zwei ungleichen Schwestern, blond, schön und hochmütig die eine; klein, braun und pflichtbewusst die andere. Mit Anfang dreißig kehren sie gescheitert aus Amerika und Europa zurück ins Familienhotel ihrer Eltern. Die Schöne verstrickt sich in ein sexuelles Hörigkeitsverhältnis mit einem Afrikaner. Die Bescheidene findet ihr Glück in einer Arbeits- und Liebesbeziehung mit einem englischen Botanik-Professor, der sich über die ungeplante Schwangerschaft von Herzen freut. „Im Hochland” spielt auf einer kenianischen Farm. Ein junger Engländer, der im Krieg seine Familie verloren hat und nach mehrjähriger deutscher Kriegsgefangenschaft nichts mehr vom Leben erwartet, übernimmt Fairview von einem englischen Siedler. Er geht eine fatale Ehe ein und findet in der Adoption eines afrikanischen Mädchens unverhofft neuen Lebensmut.
Zwanzigmal ein neues Zuhause
Martha Gellhorn, 1908 in St. Louis geboren, war bisher vor allem als brillante Kriegsreporterin und als dritte Ehefrau Hemingways bekannt. Wie sehr sie darunter gelitten hat, weiß man seit der englischen Edition ihrer Briefe. Der Zürcher Dörlemann-Verlag will sie nun auch hierzulande als Schriftstellerin durchsetzen, was zweifelsohne sehr verdienstvoll ist. Nach „Paare” und „Muntere Geschichten für müde Menschen” ist „Das Wetter in Afrika” der dritte Novellen-Band, der in der vorzüglichen Neu-Übersetzung Miriam Mandelkows vorliegt. Bei aller unübersehbaren literarischen Qualität gehört Martha Gellhorn dennoch zu jenen Autoren, deren Werk sich erst durch biographische Kenntnis erschließt. So lässt sich „Das Wetter in Afrika” zwar als stimmungsvolles und kritisches Tableau der Umbruchsjahre nach der Unabhängigkeit lesen, ist aber auch das Seelenbild einer Autorin, die durch ihren Beruf aus allen Zusammenhängen herausgerissen wurde. Martha Gellhorn hat mehr als fünfzig Länder bereist und rund zwanzig mal ein neues Zuhause gegründet. Sie war zweimal verheiratet und hatte eine beträchtliche Anzahl an Liebhabern, mehr aus Lust am Abenteuer als am Sex. Und sie adoptierte einundvierzigjährig einen italienischen Waisenjungen, mit dessen Entwicklung sie ausgesprochen unzufrieden war. Die Sehnsucht nach Fürsorge spukt durch ihre Novellen wie ein Irrlicht. Sie ist die Kehrseite ihres viel gelobten, am männlichen Ideal geschulten Stils.MEIKE FESSMANN
MARTHA GELLHORN: Das Wetter in Afrika. Novellen. Deutsch von Miriam Mandelkow. Dörlemann Verlag, Zürich 2008. 284 Seiten, 21,90 Euro.
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