Produktdetails
- ISBN-13: 9783499123542
- ISBN-10: 3499123541
- Artikelnr.: 24693942
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.11.2008Verwundet im Hochland
Martha Gellhorn ist die berühmteste Kriegsreporterin des zwanzigsten Jahrhunderts: Auch in ihren afrikanischen Novellen herrscht Krieg - aber hier ist die menschliche Psyche das Schlachtfeld.
Von Sandra Kegel
Als Martha Gellhorn 1998 mit neunundachtzig Jahren starb, war in allen Nachrufen die Rede von ihrer Ehe mit Ernest Hemingway. Das hätte der berühmten Kriegsberichterstatterin nicht gefallen. "Über Hemingway reden alle", sagte sie einmal spitz, "ich erlaube mir den Luxus, es nicht zu tun." Sie wollte mehr sein als "die Fußnote im Leben eines anderen". Dieses Ziel hatte Martha Gellhorn, die heute vor hundert Jahren in St. Louis/Missouri zur Welt kam, freilich schon zu Lebzeiten erreicht. In ihrer sechzig Jahre währenden Karriere, die 1930 als Korrespondentin in Paris begann, ließ sie bis ins hohe Alter keinen Kriegsschauplatz aus. Das "Desaster Girl", so ihr Spitzname, war im Spanischen Bürgerkrieg wie im Zweiten Weltkrieg, in Indochina, Vietnam, im Mittleren Osten und in Panama. Rastlos reiste sie von Land zu Land, von Krieg zu Krieg und begründete dabei eine Form des Erlebnisjournalismus, die uns heute vertraut ist, damals aber alles andere als selbstverständlich war: Politikerreden misstraute sie, Objektivität hielt sie für "Unsinn". Sie schrieb nur auf, was sie selbst sah und hörte. Gerade heute würde es sich lohnen, ihre Reportagen aus der Zeit der Großen Depression Amerikas wieder hervorzuholen, die einst den Ruhm der Achtundzwanzigjährigen begründeten.
Dass Martha Gellhorn auch Schriftstellerin war, ist zu ihren Lebzeiten hingegen weniger bekannt gewesen. Nur ein kleiner Teil ihrer Romane, Erzählungen und Briefe ist überhaupt ins Deutsche übersetzt, vieles davon vergriffen. Das will der Schweizer Dörlemann Verlag ändern und hat kurz hintereinander drei kleine bibliophile Bände mit Erzählungen der Amerikanerin herausgebracht, übersetzt von Miriam Mandelkow. Nach "Paare" und "Muntere Geschichten für müde Menschen" liegt mit "Das Wetter in Afrika" von 1984 jetzt die dritte Sammlung von Novellen vor.
Mehr als zwanzig Jahre vor Erscheinen des Originals, 1962, hatte Martha Gellhorn ihre Liebe zu Afrika entdeckt und den Schwarzen Kontinent fortan immerzu bereist; zeitweise besaß sie im kenianischen Rift Valley sogar ein eigenes Haus. Ihre drei afrikanischen Novellen lässt die Autorin vor dem Hintergrund politischer Umbrüche spielen - in den ostafrikanischen Ländern Tansania und Kenia kurz nach der Unabhängigkeit. Es ist noch das Land der Weißen, der Farmer und Geschäftsleute, die sich nach wie vor als Kolonialherren begreifen, aber durch die Veränderungen zutiefst verunsichert sind.
Zentral sind die Konflikte zwischen Weißen und Schwarzen in "Auf dem Berg". Jane, die ebenso schöne wie arrogante Tochter einer Hoteliersfamilie, verfällt in tödlicher Leidenschaft einem schwarzen Beau und korrupten Beamten. Sie lässt sich von ihm quälen und erniedrigen, blind dafür, dass er sich damit vor allem rächt für all die Demütigungen, die er von den Weißen erlitten hat. Dieser Jane stellt Martha Gellhorn in Gestalt von Mary Ann die gute Schwester gegenüber, die zwar von unvorteilhaftem Aussehen ist, sich aber mit großer Hingabe um die Belange des Hotels, der Eltern und Gäste kümmert.
Gellhorn bleibt, so viel ist klar, auch in der Literatur ihrem eigentlichen Sujet, dem Krieg, treu, wenngleich es sich hier um seelische Schlachtfelder handelt. Dabei schreibt die literarische Erzählerin Martha Gellhorn kaum anders als die zupackende Journalistin. Sie treibt ihre Erzählung voran in einer knappen, burschikosen Sprache, die durchsetzt ist von feiner Ironie. Mit kühlem Blick entblößt Gellhorn menschliche Schwächen, schaut in die Abgründe der Psyche, bespöttelt die Luftschlösser der Liebe. Im Kampf der Rassen, Liebenden oder Schwestern gibt es nur selten Feuerpausen.
Diese Schonungslosigkeit ist nicht ohne Reiz, doch fordert sie ihren Tribut. Ihren Figuren haftet stets etwas Holzschnittartiges an: Sie bleiben eindimensional, weil sie in erster Linie bestimmte Eigenschaften und Positionen verkörpern sollen.
So verliert in "Am Meer" eine Touristin den Boden unter den Füßen, als sie, die selbst einst ihren Sohn verlor, bei einem Autounfall ein schwarzes Kind überfährt. "Im Hochland", der längste Text des Bandes, stellt einen traumatisierten Engländer ins Zentrum, der, verstört durch seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg, auf einer Farm in Afrika sein Seelenheil findet. Das Glück, "das ausreichte, um ihn bei der Stange zu halten", währt nur kurz, denn Ian gerät in die Fänge einer Frau, die ihn beinahe ruiniert. Erst ein schwarzes Findelkind, das der Engländer bei sich aufnimmt, rettet ihm das Leben.
Ganz groß werden die Novellen immer dann, wenn sich die Autorin auf ihren heimlichen Hauptakteur konzentriert: die afrikanische Landschaft. Diese Natur erfasst Martha Gellhorn in all ihren schillernden Facetten. Zur Weite und zu den Bergen Afrikas verhält sich jeder auf seine Weise. An einem aber lassen diese Geschichten keinen Zweifel: Dieses Land kann seine Bewohner ins Elend stürzen, aber es kann auch Rettung bedeuten.
- Martha Gellhorn: "Das Wetter in Afrika". Novellen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Miriam Mandelkow. Dörlemann Verlag, Zürich 2008. 283 S., geb., 21,90 [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Martha Gellhorn ist die berühmteste Kriegsreporterin des zwanzigsten Jahrhunderts: Auch in ihren afrikanischen Novellen herrscht Krieg - aber hier ist die menschliche Psyche das Schlachtfeld.
Von Sandra Kegel
Als Martha Gellhorn 1998 mit neunundachtzig Jahren starb, war in allen Nachrufen die Rede von ihrer Ehe mit Ernest Hemingway. Das hätte der berühmten Kriegsberichterstatterin nicht gefallen. "Über Hemingway reden alle", sagte sie einmal spitz, "ich erlaube mir den Luxus, es nicht zu tun." Sie wollte mehr sein als "die Fußnote im Leben eines anderen". Dieses Ziel hatte Martha Gellhorn, die heute vor hundert Jahren in St. Louis/Missouri zur Welt kam, freilich schon zu Lebzeiten erreicht. In ihrer sechzig Jahre währenden Karriere, die 1930 als Korrespondentin in Paris begann, ließ sie bis ins hohe Alter keinen Kriegsschauplatz aus. Das "Desaster Girl", so ihr Spitzname, war im Spanischen Bürgerkrieg wie im Zweiten Weltkrieg, in Indochina, Vietnam, im Mittleren Osten und in Panama. Rastlos reiste sie von Land zu Land, von Krieg zu Krieg und begründete dabei eine Form des Erlebnisjournalismus, die uns heute vertraut ist, damals aber alles andere als selbstverständlich war: Politikerreden misstraute sie, Objektivität hielt sie für "Unsinn". Sie schrieb nur auf, was sie selbst sah und hörte. Gerade heute würde es sich lohnen, ihre Reportagen aus der Zeit der Großen Depression Amerikas wieder hervorzuholen, die einst den Ruhm der Achtundzwanzigjährigen begründeten.
Dass Martha Gellhorn auch Schriftstellerin war, ist zu ihren Lebzeiten hingegen weniger bekannt gewesen. Nur ein kleiner Teil ihrer Romane, Erzählungen und Briefe ist überhaupt ins Deutsche übersetzt, vieles davon vergriffen. Das will der Schweizer Dörlemann Verlag ändern und hat kurz hintereinander drei kleine bibliophile Bände mit Erzählungen der Amerikanerin herausgebracht, übersetzt von Miriam Mandelkow. Nach "Paare" und "Muntere Geschichten für müde Menschen" liegt mit "Das Wetter in Afrika" von 1984 jetzt die dritte Sammlung von Novellen vor.
Mehr als zwanzig Jahre vor Erscheinen des Originals, 1962, hatte Martha Gellhorn ihre Liebe zu Afrika entdeckt und den Schwarzen Kontinent fortan immerzu bereist; zeitweise besaß sie im kenianischen Rift Valley sogar ein eigenes Haus. Ihre drei afrikanischen Novellen lässt die Autorin vor dem Hintergrund politischer Umbrüche spielen - in den ostafrikanischen Ländern Tansania und Kenia kurz nach der Unabhängigkeit. Es ist noch das Land der Weißen, der Farmer und Geschäftsleute, die sich nach wie vor als Kolonialherren begreifen, aber durch die Veränderungen zutiefst verunsichert sind.
Zentral sind die Konflikte zwischen Weißen und Schwarzen in "Auf dem Berg". Jane, die ebenso schöne wie arrogante Tochter einer Hoteliersfamilie, verfällt in tödlicher Leidenschaft einem schwarzen Beau und korrupten Beamten. Sie lässt sich von ihm quälen und erniedrigen, blind dafür, dass er sich damit vor allem rächt für all die Demütigungen, die er von den Weißen erlitten hat. Dieser Jane stellt Martha Gellhorn in Gestalt von Mary Ann die gute Schwester gegenüber, die zwar von unvorteilhaftem Aussehen ist, sich aber mit großer Hingabe um die Belange des Hotels, der Eltern und Gäste kümmert.
Gellhorn bleibt, so viel ist klar, auch in der Literatur ihrem eigentlichen Sujet, dem Krieg, treu, wenngleich es sich hier um seelische Schlachtfelder handelt. Dabei schreibt die literarische Erzählerin Martha Gellhorn kaum anders als die zupackende Journalistin. Sie treibt ihre Erzählung voran in einer knappen, burschikosen Sprache, die durchsetzt ist von feiner Ironie. Mit kühlem Blick entblößt Gellhorn menschliche Schwächen, schaut in die Abgründe der Psyche, bespöttelt die Luftschlösser der Liebe. Im Kampf der Rassen, Liebenden oder Schwestern gibt es nur selten Feuerpausen.
Diese Schonungslosigkeit ist nicht ohne Reiz, doch fordert sie ihren Tribut. Ihren Figuren haftet stets etwas Holzschnittartiges an: Sie bleiben eindimensional, weil sie in erster Linie bestimmte Eigenschaften und Positionen verkörpern sollen.
So verliert in "Am Meer" eine Touristin den Boden unter den Füßen, als sie, die selbst einst ihren Sohn verlor, bei einem Autounfall ein schwarzes Kind überfährt. "Im Hochland", der längste Text des Bandes, stellt einen traumatisierten Engländer ins Zentrum, der, verstört durch seine Erlebnisse im Zweiten Weltkrieg, auf einer Farm in Afrika sein Seelenheil findet. Das Glück, "das ausreichte, um ihn bei der Stange zu halten", währt nur kurz, denn Ian gerät in die Fänge einer Frau, die ihn beinahe ruiniert. Erst ein schwarzes Findelkind, das der Engländer bei sich aufnimmt, rettet ihm das Leben.
Ganz groß werden die Novellen immer dann, wenn sich die Autorin auf ihren heimlichen Hauptakteur konzentriert: die afrikanische Landschaft. Diese Natur erfasst Martha Gellhorn in all ihren schillernden Facetten. Zur Weite und zu den Bergen Afrikas verhält sich jeder auf seine Weise. An einem aber lassen diese Geschichten keinen Zweifel: Dieses Land kann seine Bewohner ins Elend stürzen, aber es kann auch Rettung bedeuten.
- Martha Gellhorn: "Das Wetter in Afrika". Novellen. Aus dem Amerikanischen übersetzt von Miriam Mandelkow. Dörlemann Verlag, Zürich 2008. 283 S., geb., 21,90 [Euro].
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