42,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 2-4 Wochen
  • Gebundenes Buch

Eine neue Interpretation des Wirtschaftssystems des Dritten Reiches, ein neues, stringentes Erklärungsmodell für die seit Jahrzehnten umstrittene Frage, wie ein so inhomogenes, diffuses System einen so hohen Grad an Effizienz erreichen konnte - in der Konjunktur- und Beschäftigungspolitik wie in der Rüstungs- und Kriegswirtschaftspolitik. Der Autor, Wirtschaftswissenschaftler und Historiker, bedient sich interdisziplinärer Methoden; als Analyseinstrument nutzt er neue wirtschaftswissenschaftliche Theorien, besonders aus der Managementlehre. Sein Fazit: Das NS-Wirtschaftssystem war weder…mehr

Produktbeschreibung
Eine neue Interpretation des Wirtschaftssystems des Dritten Reiches, ein neues, stringentes Erklärungsmodell für die seit Jahrzehnten umstrittene Frage, wie ein so inhomogenes, diffuses System einen so hohen Grad an Effizienz erreichen konnte - in der Konjunktur- und Beschäftigungspolitik wie in der Rüstungs- und Kriegswirtschaftspolitik. Der Autor, Wirtschaftswissenschaftler und Historiker, bedient sich interdisziplinärer Methoden; als Analyseinstrument nutzt er neue wirtschaftswissenschaftliche Theorien, besonders aus der Managementlehre. Sein Fazit: Das NS-Wirtschaftssystem war weder Planwirtschaft noch Marktwirtschaft, weder Befehlswirtschaft noch Monopolwirtschaft allein - es war eine Mischung aus alledem, das Ergebnis unablässiger Neu- und Umorganisation, von ad-hoc-Interventionen und zahllosen Lenkungs- und Bürokratisierungsmaßnahmen, die allesamt keinen durchdachten Plänen folgten, sondern "emergent" organisiert, mit anderen Worten: aus Augenblick und Gelegenheit geboren wurden. Dies alles vollzog sich vor dem Hintergrund und als Teil ständiger politischer Machtkämpfe hinter den Kulissen, die ebenfalls emergenten Charakter hatten. Die Quintessenz des Buches: Die Entwicklung des Wirtschaftssystems der Nationalsozialisten vollzog sich nach einem spezifisch nationalsozialistischen Muster, der "Steuerung durch emergente Organisation und Politische Prozesse". Dieses Erklärungsmodell könnte über die Wirtschaft hinaus Deutungskraft für das gesamte NS-System erlangen.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Autorenporträt
Michael von Prollius, Dr. phil., Dipl. Kaufmann, geb. 1969, ist Consultant für eine große deutsche Unternehmensberatung.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Management by Führerbefehl
Michael von Prollius versucht sich an einer Deutung des nationalsozialistischen Wirtschaftssystems

Michael von Prollius: Das Wirtschaftssystem der Nationalsozialisten 1933-1939. Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn 2003, 411 Seiten, 51 Euro.

Der Hitler-Staat, das nationalsozialistische Regime, hatte weder ein "wissenschaftliches" Fundament wie der Sowjetkommunismus, noch besaß er System und Struktur. Er blieb bis zu seinem Untergang eine revolutionäre Bewegung, die erstarrte Gesellschaftsstrukturen aufbrechen wollte, die antiliberal, antikapitalistisch und antimarxistisch zugleich war und dem völkisch-rassistischen Welteroberungswahn ihres Führers folgte. Hitler herrschte durch ständige Improvisationen und taktisches Sowohl-Als-auch. Die Regierung verkam, wie der Hitler-Biograph Ian Kershaw schreibt, zu "einem monströsen Gebilde rivalisierender Machtsphären". Auch das NS-Wirtschaftssystem folgte keinem ordnungspolitischen Konzept. Der Kapitalismus wurde angesichts von Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit bereits in der Endzeit der Weimarer Republik von vielen als gescheitert angesehen. Die staatlichen Interventionen nahmen zu und wurden von den Nationalsozialisten fortgeführt. Auch in der Wirtschaft kam es zum Nebeneinander von Partei, Staat und Unternehmen sowie den instrumentalisierten Verbänden und immer neuen "Sonderbeauftragten".

Für Hitler war die Wirtschaft, von der er nichts verstand, zweitrangig und der Politik untergeordnet. Sie interessierte ihn nur insoweit, als er Erfolge in der Überwindung der Krise brauchte, und als Potential zur Kriegführung. 1936 schrieb Hitler in einer geheimen Denkschrift, die Nation lebe nicht für die Wirtschaft; vielmehr hätten "die Finanz und die Wirtschaft, die Wirtschaftsführer und alle Theorien ausschließlich diesem Selbstbehauptungskampf unseres Volkes zu dienen". Die deutsche Wirtschaft müsse in vier Jahren "kriegsfähig" sein. Falls die Privatwirtschaft die Aufgaben nicht lösen könne, werde es der Staat tun, drohte der Diktator. Angesichts der Dominanz des Führerwillens ergebe es wenig Sinn, Begriffe zur Beschreibung eines solchen "Wirtschaftssystems" zu erfinden, schreibt Kershaw. Dennoch wird immer wieder versucht, das Phänomen der NS-Wirtschaftspolitik zu erfassen. Bereits 1941 prägte ein namhafter Ökonom den Begriff einer politisch gelenkten Marktwirtschaft; dieser sollte ein System mit Privateigentum an den Produktionsmitteln, staatlicher Lenkung und Kontrolle sowie organisatorisch-hierarchischer Ausrichtung am Führerprinzip beschreiben. Einen neuerlichen Deutungsversuch unternimmt Michael von Prollius, Betriebswirt und Historiker, inzwischen Dozent an der FU Berlin und Consultant für Organisationsentwicklung.

Er versucht, Erkenntnisse der Managementlehre, insbesondere der Systemund Organisationslehre, zum Erklärungsmodell zu verdichten. Für die unternehmensgeschichtliche Analyse ist die Organisationslehre bereits mit Erfolg herangezogen worden. Der amerikanische Unternehmenshistoriker Alfred Chandler hat die wirtschaftlichen Erfolge Deutschlands auf die organisatorischen Fähigkeiten seiner Unternehmen und ihre Kooperationsfähigkeit in Kartellen und Verbänden zurückgeführt.

Prollius will auf diese Weise neue Akzente setzen und die Geschichtswissenschaft zum interdisziplinären Querdenken anregen. Seine zentrale These lautet, die Steuerung des NS-Wirtschaftssystems erfolgte durch Organisation und politische Prozesse auf "emergente" Weise. Das System habe wie bei einer Unternehmensführung durch ständige Neu- und Umorganisation funktioniert sowie durch Ad-hoc-Interventionen und Bürokratisierungsmaßnahmen, die sich aus Augenblick und Gelegenheit (emergent) ergeben. Eine wesentliche Rolle habe dabei die "Organisationskultur" der Nazis gespielt: vereinfacht gesagt, ihre rassistisch-militaristische Weltanschauung. Dies alles habe sich vor dem Hintergrund und als Teil ständiger politischer Machtkämpfe hinter den Kulissen (politische Prozesse) mit schwer vorhersehbarer Dynamik vollzogen. Da diese Prozesse nicht gestaltbar seien, hätten die ungeplanten Strategien in einem Emergenz-Modell dominante Erklärungsmacht. Der NS-Staat könne daher als "Emergenz-Staat" gesehen werden, schreibt Prollius, und Hitler, der virtuose Herrschaftstechniker, als "Herr der Emergenz". Die Nazis hätten daher - im Gegensatz zur Meinung namhafter Historiker - durchaus ein spezifisches nichtkapitalistisches Wirtschaftssystem gehabt, auch wenn sie über keine konsistente Theorie verfügt hätten. Als neu betrachtet Prollius seine Konstruktion eines ganzheitlichen ordnungstheoretischen Erklärungsmodells.

Das kann man so sehen. Ob dieser Ansatz wirklich weiterführt, steht indes dahin. Das Nebeneinander von Organisationen und Institutionen in der Nazizeit, die Rolle der nationalsozialistischen Weltanschauung, das Sprung- und Improvisationshafte der Politik sind bereits in zahlreichen und von Prollius auch zitierten Büchern eingehend beschrieben worden, angefangen von dem Standardwerk von Martin Broszat "Der Staat Hitlers" über Joachim Fests große und neue Perspektiven eröffnende Hitler-Biographie bis hin zur jüngsten Hitler-Biographie von Kershaw. Auch in der von Michael North herausgegebenen "Deutschen Wirtschaftsgeschichte" hat Gerold Ambrosius sehr anschaulich Funktionsweise und Struktur des NS-Wirtschaftssystems beschrieben. Der nur allgemein historisch interessierte Leser sollte daher besser zu solchen Büchern greifen. Dem Verlag Ferdinand Schöningh ist schließlich ein aufmerksameres Lektorat zu wünschen; die zahlreichen Druckfehler oder der viermal falsche Seitenkopf "Die Deutsche Arbeitsform" statt "Die Deutsche Arbeitsfront" sind ärgerlich.

JÜRGEN JESKE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Management by Führerbefehl" - so fasst die Überschrift von Jürgen Jeskes Besprechung die These dieses Buches des Historikers und Betriebswirts Michael von Prollius zusammen. Während, wie man erfährt, etwa Ian Kershaw in seiner jüngsten Hitler-Biografie die Ansicht vertreten hat, es habe wenig Sinn, eigens Begriffe zur Beschreibung des "Wirtschaftssystems" während der NS-Herrschaft zu erfinden, weil alles von der Dominanz des Führerwillens abhing, versucht von Prollius hier, berichtet der Rezensent, nun ein "ganzheitliches ordnungstheoretisches Erklärungsmodell" vorzulegen. Demnach haben die Nazis, erfährt man weiter, durchaus über ein spezifisches, nichtkapitalistisches Wirtschafssystem verfügt, auch wenn sie über keine dazugehörige, konsistente Theorie. Weil sich die Entscheidungen Hitlers immer vor dem Hintergrund schwer vorhersagbarer Dynamiken, etwa von Machtkämpfen unter seinen nächsten Untergebenen, ergeben haben, also immer Ad-hoc-Interventionen darstellten, spricht von Prollius dabei von einem "Emergenz-Staat", wie man erfährt. Man könne das so sehen, kommentiert der Rezensent - es stehe indes dahin, "ob dieser Ansatz wirklich weiterführt". Im Übrigen beklagt Jeske "zahlreiche Druckfehler" und wünscht dem Verlag künftig ein aufmerksameres Lektorat.

© Perlentaucher Medien GmbH