Zu Frühlingsbeginn verbreitete sich die Kunde, daß in Posillipo in einem Gartenhaus ein Mann lebt, der die Welt erlösen will. Vielleicht besaß der Heimatlose wirklich wundertätige Kräfte, und Erlösung suchten alle hier, die in der kargen Uferlandschaft bei Neapel lebten, der Fischverkäufer ebenso wie der Maurer oder der Weinhändler. Deshalb glaubten sie alle an das Wunder, ja, letztlich vertraute man allein darauf, nicht auf die Kommune und nicht auf die Kirche. Das Wunder konnte einfach sein, geheimnisvoll oder verworren. Nur schnell wollte man es haben. So war die Bestürzung groß, als man den Fremden eines Tages am Meeresstrand tot auffand.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Ein Roman sei Sandor Marais "Das Wunder des San Gennaro" eigentlich nicht, eher eine "lose Folge von Prosaskizzen", findet Thomas Steinfeld in einer etwas unverständlichen Rezension. Die Handlung spielt in den fünfziger Jahren in Posillipo, dem Westen Neapels. Marai lebte dort mit seiner Frau, nachdem er Ungarn verlassen hatte und bevor er in die USA emigrierte, informiert uns der Rezensent. Zusammengehalten werden die Skizzen der Dorfbewohner durch das fremde Paar, das sich eine Zeitlang in Posillipo aufhält und dort ein sehr zurückgezogenes Leben führt. Etwa zur Mitte des Buches wird der Mann nach einem Sturz vom Felsen tot am Strand gefunden. Ab da dreht sich alles um ihn, um die Frage nach Mord oder Selbstmord, Diktatur und Asyl, Flucht vor den Massen und sich selbst, kurz: "nach der Möglichkeit von Erlösung", wie der Rezensent meint. "Seltsam unerlöst" bleibe aber der Roman, in dem ein Mensch auf der Flucht über sein Schicksal grübelt und doch zu keinem Schluss kommt. So blieben am Ende alle Fragen unbeantwortet, auch die, was es denn nun mit dem am Ende stattfindenden Wunder des Stadtheiligen von Neapel auf sich hat. Und wir fragen uns, wer eigentlich wie oft warum stirbt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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