'Das Zauberei' setzt exakt dort ein, wo 'Der Hühnerdieb' zum Happyendgekommen war: Glücklich sind der Fuchs und sein geraubtes Liebchen, dasHuhn. Glücklich sind Bär und Hase, die ihre gefiederte Freundin nicht mehrretten müssen, weil der Fuchs sie gar nicht fressen will.Nur einer ist nicht glücklich, sondern in seinem Stolz zutiefst getroffen: Es istder Hahn. Der Gehörnte! Mit gesenktem Kopf und trotzig vor der Brust gekreuztenArmen verharrt er so lange in seinem Unglück, bis er durch Zufall aneinem geheimnisvollen Ort ein Ei entdeckt. Ein merkwürdig rundes Ei. DerHahn zögert keinen Moment, er greift das Ei und läuft in irrer Verzückung mitihm davon.Was aber birgt das Ei? Nur soviel sei verraten: Der Hahn ist beglückt, dieSchmach vergessen!
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.10.2011Im Wald der leuchtenden Pilze
Ein Hahn, ein Ei - bei Béatrice Rodriguez wird das zum Auftakt einer surrealen Reise.
Von Silja von Rauchhaupt
Genaugenommen ist dies die dritte Folge einer abenteuerlichen Hühnerliebesgeschichte. Die französische Bilderbuchkünstlerin Béatrice Rodriguez hat mit "Der Hühnerdieb" die erste Folge veröffentlicht, in der es um den Raub und die Verfolgung eines Huhns geht, das sich am Ende unsterblich in den Fuchs, ihren Entführer, verliebt. In der zweiten Folge, die jedoch in Deutschland nicht verlegt wurde, wird gezeigt, wie es zugeht, wenn Huhn und Fuchs miteinander leben. In "Das Zauberei" geht es diesmal um den verlassenen Hahn.
Gleich auf der ersten Seite sieht man schon das Dilemma: fröhlich winken Huhn und Fuchs ihren Freunden zu, die nun auf einem kleinen Boot nach Hause fahren, Hase und Bär winken freundlich zurück, aber der Hahn wendet sich schmollend ab. Auch ein Seesturm mit riesigen Wellen holt ihn nicht aus seinem dumpfen Brüten. Doch dann ändert sich seine Miene: voll Entzücken entdeckt er in einer Höhle eine leuchtende, schwebende Kugel, die er sofort an sich nimmt.
Ab hier geht die Geschichte, die zwar von der ersten Folge an phantasievoll und turbulent war, aber im Grunde nie den Rahmen der üblichen Kindertiergeschichte verlassen hat, über in phantastische Imaginationen. Hase und Bär stolpern hinter einem völlig entrückten Hahn hinterher, der um sein Zauberei herumwirbelt, ja mit ihm davonfliegt, durch Höhlenlandschaften voller leuchtender Käferlarven, vorbei an Wäldern aus Pilzen, die einen milden Lichtschein um sich werfen wie Straßenlampen, hin zu einem unterirdischen Meer, wo der hingerissene Hahn auf einem umgedrehten Pilz als Boot steht und seine Zauberkugel mit Liebesliedern besingt.
Fassungslos sehen ihm seine alten Freunde dabei zu und staunen nicht schlecht, als sie selbst auf wunderbare Weise von Fledermäusen getragen über das Wasser fliegen. Immer weiter geht die Reise, atemlos kommt der Hahn endlich zu Hause an, wo seine Hühner ihn neugierig umringen. Die Verzweiflung ist groß, als er die kostbare Kugel fallen lässt, doch da kriecht auf einmal etwas aus den Scherben: das Zauberding war ein Ei! So wird aus dem sitzengelassenen Hahn der glückliche Vater eines kleinen Wundertiers.
Ohne Worte kommt die Geschichte aus und ist dennoch erstaunlich ergiebig. Allein die Gesichtsausdrücke der Tiere zeigen Stimmung und Charakter so differenziert, dass die Geschichte über die reine Aktion hinausgeht. Auch der Phantasie öffnen sich Horizonte. Wie es sich anfühlt, in einer Landschaft voller leuchtender Pilzlampen zu wandern, kann genauso durchdacht werden wie die Frage, ob es mehr solcher unterirdischer Gänge und Wasserwege gibt.
Diese Panoramen surrealistischer Landschaften sind schlicht gezeichnet, aber sehr stimmungsvoll in sanft leuchtenden Aquarellfarben koloriert. Sie offenbaren einiges über menschliche Seelenzustände, und hier zeigt Rodriguez ihr eigentliches zeichnerisches Können, aber auch ihr karikaturistisches Talent. So wird der verzückte Hahn zu einem Sinnbild des absoluten Glücks - oder zum Inbegriff völliger Überdrehtheit, je nachdem, wie man die Sache sehen will.
Béatrice Rodriguez: "Das Zauberei".
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2011. 24 S., geb., 9,90 [Euro]. Ab 4 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Ein Hahn, ein Ei - bei Béatrice Rodriguez wird das zum Auftakt einer surrealen Reise.
Von Silja von Rauchhaupt
Genaugenommen ist dies die dritte Folge einer abenteuerlichen Hühnerliebesgeschichte. Die französische Bilderbuchkünstlerin Béatrice Rodriguez hat mit "Der Hühnerdieb" die erste Folge veröffentlicht, in der es um den Raub und die Verfolgung eines Huhns geht, das sich am Ende unsterblich in den Fuchs, ihren Entführer, verliebt. In der zweiten Folge, die jedoch in Deutschland nicht verlegt wurde, wird gezeigt, wie es zugeht, wenn Huhn und Fuchs miteinander leben. In "Das Zauberei" geht es diesmal um den verlassenen Hahn.
Gleich auf der ersten Seite sieht man schon das Dilemma: fröhlich winken Huhn und Fuchs ihren Freunden zu, die nun auf einem kleinen Boot nach Hause fahren, Hase und Bär winken freundlich zurück, aber der Hahn wendet sich schmollend ab. Auch ein Seesturm mit riesigen Wellen holt ihn nicht aus seinem dumpfen Brüten. Doch dann ändert sich seine Miene: voll Entzücken entdeckt er in einer Höhle eine leuchtende, schwebende Kugel, die er sofort an sich nimmt.
Ab hier geht die Geschichte, die zwar von der ersten Folge an phantasievoll und turbulent war, aber im Grunde nie den Rahmen der üblichen Kindertiergeschichte verlassen hat, über in phantastische Imaginationen. Hase und Bär stolpern hinter einem völlig entrückten Hahn hinterher, der um sein Zauberei herumwirbelt, ja mit ihm davonfliegt, durch Höhlenlandschaften voller leuchtender Käferlarven, vorbei an Wäldern aus Pilzen, die einen milden Lichtschein um sich werfen wie Straßenlampen, hin zu einem unterirdischen Meer, wo der hingerissene Hahn auf einem umgedrehten Pilz als Boot steht und seine Zauberkugel mit Liebesliedern besingt.
Fassungslos sehen ihm seine alten Freunde dabei zu und staunen nicht schlecht, als sie selbst auf wunderbare Weise von Fledermäusen getragen über das Wasser fliegen. Immer weiter geht die Reise, atemlos kommt der Hahn endlich zu Hause an, wo seine Hühner ihn neugierig umringen. Die Verzweiflung ist groß, als er die kostbare Kugel fallen lässt, doch da kriecht auf einmal etwas aus den Scherben: das Zauberding war ein Ei! So wird aus dem sitzengelassenen Hahn der glückliche Vater eines kleinen Wundertiers.
Ohne Worte kommt die Geschichte aus und ist dennoch erstaunlich ergiebig. Allein die Gesichtsausdrücke der Tiere zeigen Stimmung und Charakter so differenziert, dass die Geschichte über die reine Aktion hinausgeht. Auch der Phantasie öffnen sich Horizonte. Wie es sich anfühlt, in einer Landschaft voller leuchtender Pilzlampen zu wandern, kann genauso durchdacht werden wie die Frage, ob es mehr solcher unterirdischer Gänge und Wasserwege gibt.
Diese Panoramen surrealistischer Landschaften sind schlicht gezeichnet, aber sehr stimmungsvoll in sanft leuchtenden Aquarellfarben koloriert. Sie offenbaren einiges über menschliche Seelenzustände, und hier zeigt Rodriguez ihr eigentliches zeichnerisches Können, aber auch ihr karikaturistisches Talent. So wird der verzückte Hahn zu einem Sinnbild des absoluten Glücks - oder zum Inbegriff völliger Überdrehtheit, je nachdem, wie man die Sache sehen will.
Béatrice Rodriguez: "Das Zauberei".
Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2011. 24 S., geb., 9,90 [Euro]. Ab 4 J.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Hahn im Glück, überdrehter Hahn, da kommt das karikaturistische Talent der Autorin gut zur Geltung, findet Silja von Rauchhaupt. So, dass sie die Worte hier gar nicht vermisst, die Gesichter sagen schon alles. Von Trauer, Glück und wilder Verzückung, wenn ein einsamer Hahn plötzlich Vater wird eines, nunja, kleinen Drachen, aber egal. Für die Rezensentin zählt vor allem, dass die Geschichte, die in Frankreich als Trilogie herauskam, mal so richtig Fahrt aufnimmt und die Gefilde der klassischen Kindertiergeschichte verlässt und eintaucht ins Fantastische!
© Perlentaucher Medien GmbH
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