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Mit einem Bein steht er noch im Paradies, dafür hat die Geburtszange gesorgt. Immer ist er ein Kind geblieben, und wurde doch stets älter, und leben mußte er auch irgendwie. Nun ist er schon dreißig und hat seine große Liebe, einen VW-Variant Typ 3, mit dem fährt er zwischen den blühenden Rapsfeldern umher. Es ist das Jahr der ersten Mondlandung, 1969, als man in Frankfurt am Main noch Treppensteigen geht in den Bordellaltbauten um den Bahnhof herum.
Ein Tag im Leben Onkel J.s. Hin- und hergerissen zwischen Luis Trenker, der Begeisterung für Wehrmachtspanzer und den Frankfurter Nutten, wird
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Produktbeschreibung
Mit einem Bein steht er noch im Paradies, dafür hat die Geburtszange gesorgt. Immer ist er ein Kind geblieben, und wurde doch stets älter, und leben mußte er auch irgendwie. Nun ist er schon dreißig und hat seine große Liebe, einen VW-Variant Typ 3, mit dem fährt er zwischen den blühenden Rapsfeldern umher. Es ist das Jahr der ersten Mondlandung, 1969, als man in Frankfurt am Main noch Treppensteigen geht in den Bordellaltbauten um den Bahnhof herum.

Ein Tag im Leben Onkel J.s. Hin- und hergerissen zwischen Luis Trenker, der Begeisterung für Wehrmachtspanzer und den Frankfurter Nutten, wird J. plötzlich als ein Mensch erkennbar, der außerhalb jeden Schuldzusammenhangs steht, noch in den zweifelhaftesten Augenblicken. Einer, der nicht zugreift, weil er es gar nicht kann, während die Welt um ihn herum sich auf eine heillose Zukunft wie auf die Erlösung vorbereitet.

Nach den Romanen "Wäldchestag", "Klausen", "Kirillow", "Sanssouci" und "Onkel J. Heimatkunde" setzt Andreas Maier neu an: Das Zimmer ist ein Erinnerungsporträt und Roman zugleich, vielleicht der Beginn einer großen Familiensaga, eine Reflektion über Zeit und Zivilisation, über die Würde des Menschen und wie sie erhalten bleiben kann.

"Der begabteste Schwadroneur unter den jüngeren Autoren." -- Ulrich Greiner, Die Zeit
Autorenporträt
Andreas Maier, 1967 im hessischen Bad Nauheim geboren, studierte Philosophie und Germanistik, anschließend Altphilologie. Er lebt zurzeit bei Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.10.2010

Dieser Oldtimer fährt mit Navi

Die Wetterau als Wille und Vorstellung: Andreas Maiers neuer Heimatroman ist eine zarte Annäherung an die paradiesische Sprache vor allen Worten.

Von Friedmar Apel

Der Rausch der grenzenlosen Virtualität ist verflogen, und manch ein Visionär unendlicher Möglichkeiten steht nun als Bußprediger auf dem globalen Dorfplatz. Indessen hat die Literatur längst einen neuen Ortssinn entwickelt, eine Aufmerksamkeit für den realen Raum als das, was da ist und da bleibt und doch in seiner Sichtbarkeit immer in Frage steht. Von Herta Müller bis Jonathan Franzen zeigt Literatur als andere Art Heimatkunde, dass sich die Entwicklung der menschlichen Wahrnehmung am konkreten Ort abspielt.

Schon in seinem Erstling "Wäldchestag" (2000) hat sich Andreas Maier als brillanter Chronist einer heimatlichen Dingwelt gezeigt. "Bullau. Versuch über die Natur" (2008), den er mit der Theologin Christine Büchner verfasst hat, ist eine Poetik der Sicht- und Hörbarkeit der Welt und eine Lektion in Lebenskunst. Der Leser erfährt darin so erstaunliche Dinge wie, dass der Fink Fink heißt, weil er fink macht, selbst wenn er gerade nicht fink macht.

Der Versuch und die gesammelten Kolumnen "Onkel J.: Heimatkunde" (2010) erscheinen wie Präludien zur erinnernden Rekonstruktion einer Familiengeschichte, in dem die Wetterau in den Rang einer bedeutenden literarischen Topographie rückt. Die erste Folge "Das Zimmer" liest sich daher wie eine Landkarte der Erinnerung, auf der "die universalste Welt, die man sich denken kann", verzeichnet ist. "Selbst Rom und alle anderen Städte, in denen ich gelebt habe, sind heute Bestandteil der Welt, die die Wetterau ist."

Sie stellt sich in Maiers erzählerischer Technik als ein Raum feiner Nuancen dar, die indes nur wahrnimmt, wer sehen gelernt hat. "Wie immer hat man kurz hinter Bad Vilbel, wenn es über Dortelweil geht, das Gefühl, alles sei plötzlich ein bisschen heller und der Himmel eine Spur blauer. Das ist das Wetterauer Blau, plötzlich ist es da und empfängt einen (das können aber nur die Wetterauer sehen, ich glaube, man braucht Jahre, bis man es erkennen kann - ich bin da aufgewachsen)." Manchmal sehen alle Wetterauer sogar dasselbe Wort vor sich, als stünde es am Himmel: Ortsumgehung.

Der blinde Fleck im Gesichtsfeld der dargestellten Welt ist das Zimmer von Onkel J., dem übelriechenden Idioten, das der Erzähler nie betreten hat, eine Dunkelkammer seines Bewusstseins, aber eben deshalb der imaginäre Raum, in dem der Roman geschrieben wird, der "Anfang, aus dem sich alles ableitet". Der Onkel ist der unfreiwillige Hanswurst der menschlichen Komödie, die sich daraus entwickelt. Er möchte gern dazugehören und alles so machen wie die anderen, besonders wie die Jäger, deren Nähe er im Forsthaus Winterstein sucht, wichtige Sachen will er tun und fachmännische Gespräche führen, aber er begreift nichts, und alle machen mit ihm, was sie wollen.

Dem Erzähler aber erscheint der Sozialhilfeempfänger und Bordellkunde mit seinem Faible für die Bergfilme Luis Trenkers, dessen VW Variant nicht zufällig in Nazibraun lackiert ist, als ein Mensch ohne Schuld. "Eine Figur am Ausgang aus dem Paradies, noch mit einem Bein darin." So wie die Wetterau die Welt ist, verweist der Anfang der Erzählung zurück auf den Ursprung der Menschheitsgeschichte. Am sonderbaren Onkel erscheint, was auch Maiers Erzählen beseelt: "Begeisterung für Dinge".

Der Onkel ist der Einzige in der Familie, der Vögel erkennen kann. Er sieht "im Wald immer etwas, wo andere nichts sehen". So muss es der Onkel mit seinem Variant sein, aus dessen Perspektive der Erzähler die Wetterau durchmisst, als wäre alles noch so wie vor vierzig Jahren, als es noch keine Mobiltelefone gab und keine EC-Karte. Und das, obwohl man wegen der Ortsumgehungsstraße manchen Weg heute nicht mehr gehen oder fahren kann und obwohl der Erzähler am erzählten Tag im Jahr 1969 "erst zwei Jahre alt und gar nicht zugegen" war.

Zuweilen klingt die Geschichte wie ein Navigationssystem, das den Erzähler wie automatisch zurückführt nach Hause. "Vom Friedhof fünfzig Meter die Schmidtstraße, dann rechts einbiegen in die Gebrüder-Lang-Straße, nach hundert Metern rechts in die Untere Liebfrauenstraße, da kommt nach weiteren hundert Metern der Mühlweg mit unserem Grundstück." Den Leser nimmt er mit, auf dass er erfahre, was in der Wetterau einmal Gegenwart gewesen ist und was man so sprach. Nichts Besonderes halt, "es geht um die Jahreszeit, das Wetter, die Äpfel" und um Julia, die nun Brüste hat, und dass man die ja trotzdem schlecht wegsperren kann. "Ei ja, sie ist jetzt halt in dem Alter."

In der Beobachtung des Onkels hat der Erzähler eine Wahrnehmung entwickelt, in der die kleinste Einzelheit wie absichtslos symbolisch erscheint. Der Onkel weiß, "eigentlich klingt ein Rotkehlchen schon aus nächster Nähe immer so, als sei es entfernt. Und schon nach wenigen Metern klingt es wie ganz weit weg. Kein Vogel kann einsamer klingen als das Rotkehlchen". Der Onkel denkt darüber nicht nach, aber der Erzähler muss es vorsichtig tun, um ihm eine Sprache zu geben, in der er ihn verstehen kann. In dem Onkel ist vermutlich alles wortlos, er spricht eine Sprache vor den Worten, "eine, die sowieso immer zwischen den Dingen ist, nur wir wissen sie meistens nicht, weil wir immer reden und daher zu laut sind für die Dinge". Das kann nur eine paradiesische Sprache sein, die als sichtbare viel mehr sagt, als der Mensch begreift.

Die Heimat aber ist wie das Paradies in Maiers Roman ein Ort der Nähe und doch ferner als der Mond, auf den zu stürmen der Mensch 1969 nicht lassen konnte. Der einsame Waldgänger bewegt sich in der Wetterau keineswegs als glücklicher Depp. Er hat trotz seiner angeblichen Schmerzunempfindlichkeit die alltägliche Bösartigkeit der normalen Menschen zu erleiden. Wie ihn die Neffen in einem hinreißend komischen Gespräch über die Bergwacht ärgern, ist auch nicht nett. Die Heimat ist nicht gemütlich, nicht einmal in der Stammwirtschaft. Maiers wunderbar trockener Humor bringt das nur umso schärfer zum Vorschein. Und doch leuchtet das Forsthaus Winterstein zum Schluss wie eine Verheißung. Beinahe möchte der Leser eintreten und mit Onkel J. ein Bier trinken.

Mit "Das Zimmer" ist Andreas Maier ein Meisterwerk der scharfen Beobachtung und der kleinen Wahrnehmung gelungen. Nur wie im Augenwinkel beim Vorbeifahren im Variant blitzen in der Landschaft die Fragen auf, wie es denn mit der Freiheit und der Würde des Menschen bestellt ist und wohin es mit der Zivilisation noch gehen soll.

Andreas Maier: "Das Zimmer". Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 204 S., geb., 17,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.10.2010

Als die Wetterau noch geholfen hat
In der Verteidigung der Provinz zum Äußersten entschlossen: Andreas Maiers Roman „Das Zimmer“, der Beginn einer hessischen Familiensaga
Der Buchstabe W muss ein sehr deutscher Buchstabe sein, vielleicht sogar der deutsche Buchstabe schlechthin. Andreas Maiers neuer Roman „Das Zimmer“ wimmelt jedenfalls von W-Wörtern, und jedes von ihnen steht für einen Schlüsselbegriff: Wut und Weißglut. Werkstatt, Waschküche, Weinkeller. Wohnzimmer und Wildbahn. Weihnachten und Wald. Aber auch Wirtschaft und Wehrmacht. Wunde, Wagner, Wochenende. Weltkrieg, Witwe, Waschmaschine, Wurstbrot und Weimarer Republik. Die Männer hören hier auf Namen wie Wilhelm, Wolfgang oder Weberrudi, und sie treffen sich im Forsthaus Winterstein, denn hier, das ist die Wetterau – das W-Wort schlechthin bei Andreas Maier.
In der Wetterau, nördlich von Frankfurt, in Bad Nauheim, wurde er 1967 geboren, und diesem Landstrich setzt Andreas Maier in „Das Zimmer“ ein Denkmal. Der Roman ist der Auftakt zu einer angeblich auf elf Bände angelegten hessischen Familiensaga, deren schierer Umfang TV-Vorgänger wie „Diese Drombuschs“ in den Schatten stellt. Und der Arbeitstitel des geplanten Roman-Zyklus, „Ortsumgehung“, lässt in seiner Sperrigkeit bereits erkennen, dass Maier, der für „Das Zimmer“ mit dem Wilhelm-Raabe-Preis ausgezeichnet wurde, zum Äußersten entschlossen ist: Es geht um nichts Geringeres als um die Verteidigung der Provinz, die hier zugleich eine Verteidigung der Kindheit ist.
Das Prinzip Ortsumgehung
All das mag erklären, weshalb Maier, dessen gefeierter Debütroman „Wäldchestag“ (2000) ebenfalls mit W begann, auf diesen Buchstaben fixiert ist. Nein, er hat keinen formalistischen Roman über das W geschrieben, sondern einen über die Wetterau, die alle anderen W-Wörter umfasst und ein Brennglas ist für das Deutschland der späten sechziger Jahre. Man könnte auch sagen, für das „Westdeutschland“ vor der „Wiedervereinigung“, das im Roman „wiederaufersteht“, und zwar „wunderbar“.
Die Fährte der W-Wörter führt hinein in Andreas Maiers Poetik, die von Hypostasen geprägt ist und von einer fetischisierten Dingwelt handelt. Namen sind hier Beschwörungsformeln, ihre fortwährende Repetition ist erkennbar an Thomas Bernhard geschult. Maier gilt als Meister der erzählerischen Nahaufnahme, er zoomt sich heran an seine Gegenstände, so nahe, dass das vergrößerte Detail immer pars pro toto steht für das Ganze des Mikrokosmos, den er evoziert. Im Roman beschreibt Maier seine Methode so: „versuchen, alles wieder an seinen Platz zu räumen mit meinen eigenen Worten“. Wiederherstellung also ist das Ziel seiner performativen Sprechakte.
Ganz zu sich kommt das W aber erst, wenn es sich mit seinem Nachbarn, dem V innig verbindet. Die Buchstabenkombination VW ist ultimativ deutsch, und darum fährt der Protagonist des Romans, Onkel J., einen „nazibraunen VW“, und zwar das Modell „Variant“. Onkel J., von dem es heißt, dass er ein Mensch war, „der stets mit einem Fuß im Paradies geblieben ist“, sei „geburtsbehindert“, schreibtMaier, die Geburtszange habe bleibende Schäden hinterlassen. Aber das heißt nicht, dass er aus allen Zusammenhängen fällt, dass er ein Fall ist. Im Gegenteil, Onkel J. bleibt Teil der Familie, nur eben „zeit seines Lebens ein Kind“. So personifiziert er mit seiner wehrlosen Liebe für die Wehrmacht und Luis-Trenker-Filme, für den Wald und die Waldwirtschaft, die Unschuld schlechthin.
Onkel J. ist weniger ein Handlungsträger des Romans als vielmehr ein Medium des Autors. Wenn auch infolge einer Behinderung, so verkörpert Onkel J. doch das Autochthone: Ganz im Hier und Jetzt eines Lebens verwurzelt, das nicht aus Optionen besteht, sondern aus Gegebenheiten, vertritt er „eine totale, unveränderliche, unwiderrufliche Welt“. Die Wetterau, das ist das Unhintergehbare, „die ganze Welt“, aber „grau mit einem Stich ins Bräunliche“. „Damals hatten die Züge noch keine Verspätung“, heißt es. „Damals, in der Zeit des großen ,noch‘“. Dieses Damals ist das Jahr 1969. Da war der Ausflug „zum Paradies“ der Bordelle am Frankfurter Hauptbahnhof noch mit Treppensteigen verbunden, da wurde auf der Arbeit noch geraucht und Bier getrunken, denn es war noch „nicht so in Mode, gesund zu leben, man durfte sich die eigene Todesart noch aussuchen, und es war meistens die eigene Lebensart“. Da gab es noch „Sitte“ und „Opferwille“ statt Hedonismus. Und: „Nur als Elvis dagewesen war“, hatten die Frauen „die Kittelschürze kurze Zeit abgelegt“. Worum es geht, liegt in dem einen Wort „Ortsumgehungsstraße“.
Andreas Maiers fröhlicher Grimm gilt vorzugsweise dem Auto, dieser Wunschmaschine der Mobilität. 1969 war das Jahr der ersten Mondlandung, aber „schon der siebte Mensch auf dem Mond war ein Autofahrer. Erst wollten sie bloß zum Mond, aber kaum waren sie da, wollten sie auch schon Auto fahren, weil sie es nicht aushielten.“ Die Ortsumgehung wird zum Synonym für die Vergeblichkeit, aus sich selbst heraus zu können. Als die Straße gebaut wird, denken die Wetterauer, sie seien nun das Zentrum der Welt, weil alle Welt an ihnen vorbeikommt. „Allerdings kam alle Welt seitdem auch an allen anderen vorbei.“ Danach ist die Wetterau nur „eine Autobahn mit angeschlossener Raststätte“.
Andreas Maier besingt seine so statische Herkunftswelt ohne falsche Idyllisierung oder Idolisierung. Die Heimat schildert er in all ihrer von Bier und R6-Qualm umnebelten Dumpfheit, nicht als heile Welt, sondern als Spiegel der unheilen. Und seinen Onkel J. schützt er vor einer poetisierenden oder verniedlichenden Vereinnahmung, die seine Behinderung instrumentalisieren würde, durch zweierlei: Einerseits durch eine etwas bemühte Dämonisierung seiner geheimnisvollen Sexsucht („Heute würde mein Onkel die ganze Nacht Fickwerbung schauen“) sowie seiner rätselhaften Unberührbarkeit („Als Jugendlicher stellte ich mir so immer einen Amokläufer vor“). Andererseits, indem er offenlegt, wie viel hier nur Projektion des Erzählers ist („Meistens muss er in einem Idyll gelebt haben. Meines Onkels Idyll, das nur in seinem Zangenkopf ein solches sein konnte“). Unabhängig davon bewahren trockener Aberwitz und Reflektiertheit Maiers Kulturkritik vor einer kauzigen Putzigkeit à la Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“. So gesehen könnte seinem Buch nichts Schlimmeres passieren, als von Detlev Buck („Wir können auch anders“) mit Joachim Król in der Rolle von Onkel J. verfilmt zu werden.
Bei der Frankfurter Buchmesse war übrigens zu erleben, wie Andreas Maier Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth an der Tür abfing, auf ein Wort unter vier Augen. Wer einen auf elf Bände angelegten Romanzyklus mit dem Titel „Ortsumgehung“ plant, kann politische Unterstützung in der Tat gut gebrauchen. CHRISTOPHER SCHMIDT
ANDREAS MAIER: Das Zimmer. Roman. Suhrkamp Verlag, Berlin 2010. 203 Seiten, 17,90 Euro.
1959 bewohnte Elvis Presley dieses Zimmer in einer Pension in Bad Nauheim. Foto: Cinetext/Sammlung Beyl
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Eine "verrückte, traurige, komische" Saga einer Wetterauer Familie Ende der Sechziger, hat Rezensentin Ina Hartwig hier gelesen. Sie beginnt im Jahr vor der Mondladung und kreist um einen behinderten, längst verstorbenen Onkel und dessen Zimmer, in dem der Autor Andreas Maier heute sein Arbeitszimmer hat, erzählt Hartwig. Dieser Onkel war nicht gesellschaftsfähig, ein bisschen verrückt, aber gleichzeitig von einer großen Unschuld. Geliebt hat er vor allem seinen nazibraunen VW-Variant, lesen wir. Aber das Buch sei auch eine Beschreibung von Heimat, von Sitten und Bräuchen, die langsam untergehen. Hartwig möchte noch kein abschließendes Urteil fällen, erst, verlangt sie, muss Maier noch eine Fortsetzung liefern.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Maiers Roman Das Zimmer ist die nachgetragene Liebeserklärung an einen Lebens-Verlierer, der zeitlebens von seiner Mitwelt als idealtypischer Versager und klassisches Opfer missbraucht wurde. Und er liefert die Mentalitätsgeschichte einer Generation, die sich für die Mondlandung und eine forcierte Motorisierung enthusiasmierte und in Folge davon mit tristen 'Ortsumgehungsstraßen' abgespeist wurde.«
Michael Braun, Neue Zürcher Zeitung 21.10.2010
»Das Zimmer ist ein Heimatroman, in dem Maier den Muff in der Idylle auslotet und die Lieblosigkeit spürbar macht, die sie zusammenhält. Dass man den beginnenden Zerfall der Provinz als Leser trotzdem bedauert, ist die große Kunst dieses Schriftstellers.«