Einstmals war Carla Zimmermädchen auf Langeoog. Wie jedes Zimmermädchen musste Carla tagein, tagaus Betten beziehen und aufschütteln, Flure saugen, Treppen wischen und Fenster putzen. In ihrer Freizeit lag sie in den Dünen und ereiferte sich mit anderen Zimmermädchen
über den Mangel an attraktiven Männern. Doch eines Tages reisten die Teilnehmer des Ärztekongresses an, plötzlich bevölkerten lauter gut aussehende Doktoren die Friesenpension "Zum Deichgrafen".
Die Autorin ist eine Meisterin der literarischen Gratwanderung zwischen Komik und Tristesse, zwischen Banalität und Raffinesse - in diesem Buch stellt sie dieses Können erneut unter Beweis.
über den Mangel an attraktiven Männern. Doch eines Tages reisten die Teilnehmer des Ärztekongresses an, plötzlich bevölkerten lauter gut aussehende Doktoren die Friesenpension "Zum Deichgrafen".
Die Autorin ist eine Meisterin der literarischen Gratwanderung zwischen Komik und Tristesse, zwischen Banalität und Raffinesse - in diesem Buch stellt sie dieses Können erneut unter Beweis.
"Carla ist Zimmermädchen auf Langeoog. Kleine Insel, kleine, aber feine Pension "Zum Deichgraf", kleine, aber gemeine Prosa von Annegret Held, die wieder einmal zeigt, wie ungewöhnlich unterhaltsam sie zu formulieren versteht. Diesmal also Carla, Langeoog, Pension. Putzen, wischen, Betten beziehen, über Männermangel klagen. Bis eines Tages ein ganzer Ärztekongress aufschlägt, lauter attraktive Doktoren. Mit denen es aber, bei Lichte betrachtet, auch nicht so weit her ist... Ironische Mädchengeschichte mit zartbitteren Untertönen." (Hörzu)
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.04.2003Denken fürs Tagebuch
Versenkt vor Langeoog: Annegret Helds Zimmermädchenreport
Wohin beim ersten Sonnenschein? Wir fahren ans Meer. Mit der marebibliothek, die uns Geschichten vom Meer verspricht. Dort sind wir nicht allein. Wir treffen dort Carla. Die ist neunzehn Jahre alt und ein rechter Dussel. Carla möchte das Leben kennenlernen. Sie nimmt dazu einen Job als Zimmermädchen in der Ferienpension "Zum Deichgrafen" auf der Insel Langeoog an. Das kann heiter werden. Carla putzt alle Fenster und auch die Toiletten, denn: "wenn man ins Leben hinausgeht, soll man ganz unten anfangen . . . wer nicht fähig ist, ein schmutziges Klo mit Hingabe, Sorgfalt und Akribie auf das schönste zu reinigen und zu polieren, der darf auch später nicht irgendwas Höheres darstellen".
Was sind das für antizyklische Aussichten von der Klobrille herunter! Am Feierabend liest das junge Zimmermädchen mit dem Klotick im Sand Thomas Manns "Tod in Venedig". Christa Wolfs dicken Roman "Kindheitsmuster" hat sie noch ungelesen im Gepäck stecken. Das bringt sie aber auch nicht weiter. Sie möchte gerne Journalistin werden, schreiben: "Schreiben bestimmt" nennt sie das Gefühl. Das probt sie in ihrem Tagebuch. Zu dem rennt sie hin, wenn ihr "wieder wichtige Gedanken gekommen" sind. Über diese Gedanken verliert sie dankenswerterweise kein Wort. Das Zimmermädchendasein ist öde. Bei der Arbeit singt Carla "Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt'". Das hilft ihr über die Runden, uns nicht.
Dann endlich: Die Ärzte reisen an! Allesamt sind es Gynäkologen, die eine Tagung besuchen. Jetzt wird es richtig spannend. Das Herz klopft, der Kopf schwirrt. Carla, was wirst du tun? Prompt verguckt sie sich in einen Frauenarzt. Der wohnt in Nummer elf. Dem Elfer schüttet sie beim Bedienen rote Bete über die Hose und rubbelt dann am Mann in der Hose so lange herum, bis sie feststellen muß, "daß sich im Doktor eine gewisse Begeisterung regte". Carla, Carla! rufen wir. Und mit uns ruft die alte Chefin Frau Silke Sörensen: Carla, Carla! Der Doktorschlingel aber möchte auch an den kommenden Tagen nur das eine. Und das ganz schnell und ohne ein einziges romantisches Wörtchen. Der Doktor verliert den Zweikampf der Geschlechter, obwohl Carlas Blut auch heftig wallt. Aber so direkt, so ohne Umschweife möchte sie die Liebe nun auch wieder nicht haben. Dann eben nicht. Auf Wiedersehen, Gynäkologie. Damit ist die Dreigroschenheftgeschichte von dem Zimmermädchen auf Langeoog aus. Die marebibliothek hat ihr Versprechen nicht gehalten und ein Buch im Meer versenkt. Das Meer rauscht, als wäre nichts gewesen. Und wir stehen am Strand und trauen dem Meer nicht mehr, das solche seichten Bücher anschwemmt.
EBERHARD RATHGEB.
Annegret Held: "Das Zimmermädchen". Novelle. Herausgegeben von Denis Scheck. Band 7. marebuchverlag, Hamburg 2003. 250 S., geb., 18,- [Euro].
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Versenkt vor Langeoog: Annegret Helds Zimmermädchenreport
Wohin beim ersten Sonnenschein? Wir fahren ans Meer. Mit der marebibliothek, die uns Geschichten vom Meer verspricht. Dort sind wir nicht allein. Wir treffen dort Carla. Die ist neunzehn Jahre alt und ein rechter Dussel. Carla möchte das Leben kennenlernen. Sie nimmt dazu einen Job als Zimmermädchen in der Ferienpension "Zum Deichgrafen" auf der Insel Langeoog an. Das kann heiter werden. Carla putzt alle Fenster und auch die Toiletten, denn: "wenn man ins Leben hinausgeht, soll man ganz unten anfangen . . . wer nicht fähig ist, ein schmutziges Klo mit Hingabe, Sorgfalt und Akribie auf das schönste zu reinigen und zu polieren, der darf auch später nicht irgendwas Höheres darstellen".
Was sind das für antizyklische Aussichten von der Klobrille herunter! Am Feierabend liest das junge Zimmermädchen mit dem Klotick im Sand Thomas Manns "Tod in Venedig". Christa Wolfs dicken Roman "Kindheitsmuster" hat sie noch ungelesen im Gepäck stecken. Das bringt sie aber auch nicht weiter. Sie möchte gerne Journalistin werden, schreiben: "Schreiben bestimmt" nennt sie das Gefühl. Das probt sie in ihrem Tagebuch. Zu dem rennt sie hin, wenn ihr "wieder wichtige Gedanken gekommen" sind. Über diese Gedanken verliert sie dankenswerterweise kein Wort. Das Zimmermädchendasein ist öde. Bei der Arbeit singt Carla "Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt'". Das hilft ihr über die Runden, uns nicht.
Dann endlich: Die Ärzte reisen an! Allesamt sind es Gynäkologen, die eine Tagung besuchen. Jetzt wird es richtig spannend. Das Herz klopft, der Kopf schwirrt. Carla, was wirst du tun? Prompt verguckt sie sich in einen Frauenarzt. Der wohnt in Nummer elf. Dem Elfer schüttet sie beim Bedienen rote Bete über die Hose und rubbelt dann am Mann in der Hose so lange herum, bis sie feststellen muß, "daß sich im Doktor eine gewisse Begeisterung regte". Carla, Carla! rufen wir. Und mit uns ruft die alte Chefin Frau Silke Sörensen: Carla, Carla! Der Doktorschlingel aber möchte auch an den kommenden Tagen nur das eine. Und das ganz schnell und ohne ein einziges romantisches Wörtchen. Der Doktor verliert den Zweikampf der Geschlechter, obwohl Carlas Blut auch heftig wallt. Aber so direkt, so ohne Umschweife möchte sie die Liebe nun auch wieder nicht haben. Dann eben nicht. Auf Wiedersehen, Gynäkologie. Damit ist die Dreigroschenheftgeschichte von dem Zimmermädchen auf Langeoog aus. Die marebibliothek hat ihr Versprechen nicht gehalten und ein Buch im Meer versenkt. Das Meer rauscht, als wäre nichts gewesen. Und wir stehen am Strand und trauen dem Meer nicht mehr, das solche seichten Bücher anschwemmt.
EBERHARD RATHGEB.
Annegret Held: "Das Zimmermädchen". Novelle. Herausgegeben von Denis Scheck. Band 7. marebuchverlag, Hamburg 2003. 250 S., geb., 18,- [Euro].
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension
Das ist ja mal eine originelle Hauptfigur, eine Putzfrau mit Putzzwang, den sie aber einfach fröhlich akzeptiert und durch das Naheliegendste bewältigt: putzend. Andreas Wirthensohn ist von dieser Erfindung Orths' zunächst geradezu bezaubert und folgt dem jungen Autor, der beim Bachmann-Wettbewerb auffiel auch bei weiteren Eigentümlichkeiten seiner Hauptperson: Sie legt sich unter die Hotelbetten der Gäste, belauscht sie, aber ohne Voyeurismus, mehr um sich ein Bbild von der Welt zu machen. Bis dahin hätte es Wirthensohn gereicht - aber die Geschichte geht weiter, wird zum kleinen Roman gedehnt und hier scheint sich der Autor dann doch etwas zu verheddern. Weniger wäre mehr gewesen. Aber man merkt, dass Wirthensohn dem Autor mehr zutraut und hofft, dass dem Erstling ein Zweitling folgt.
© Perlentaucher Medien GmbH
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