Marktplatzangebote
9 Angebote ab € 6,06 €
  • Broschiertes Buch

Dies ist eine verzweifelte Liebesgeschichte, die am Ende ihrer Möglichkeiten ist, es sei denn, sie zitiert sich aus früher Zeit, der Zeit, der weißen Figuren, die nur noch als Redeverflossenheit erhalten sind oder existieren. Auf der Suche nach Henry bleibt Narkissus, ein Zerrbild seiner selbst. Wie das Hündchen, das nach langer Abwesenheit die Seinen an der gelben Farbe wiedererkennt, so erkennt sich der Leser in den Stimmen der Verzweiflung, der Verlassenheit wieder - sofern ihm diese "Empfindungsniveau" nicht fremd ist.

Produktbeschreibung
Dies ist eine verzweifelte Liebesgeschichte, die am Ende ihrer Möglichkeiten ist, es sei denn, sie zitiert sich aus früher Zeit, der Zeit, der weißen Figuren, die nur noch als Redeverflossenheit erhalten sind oder existieren. Auf der Suche nach Henry bleibt Narkissus, ein Zerrbild seiner selbst. Wie das Hündchen, das nach langer Abwesenheit die Seinen an der gelben Farbe wiedererkennt, so erkennt sich der Leser in den Stimmen der Verzweiflung, der Verlassenheit wieder - sofern ihm diese "Empfindungsniveau" nicht fremd ist.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.12.1997

Echo ist ein Trauervogel
Narziß im Altersasyl: Neue Texte von Friederike Mayröcker

In der Ausgabe von Friederike Mayröckers "Gesammelter Prosa" aus dem Jahr 1989 fand der Leser auch "Mythologische Stücke" und "Odysseus-Variationen": Neuerzählungen von Stoffen der griechischen Antike, Liebesgleichnisse nach den Geschichten von Odysseus und Nausikaa, Medea und Jason, Orpheus und Eurydike oder Theseus und Ariadne. In ihrem neuen Buch, dessen Personenregister ein Spiel erwarten läßt, das sich aber dann doch in einem Prosatext verliert, treten mit ihren Stimmen Narkissus und Echo auf. Bekanntlich verschmähte das Urbild, der schöne Jüngling Narkissos, die Liebe der Nymphe Echo, die aus Sehnsucht nach ihm verschmachtete und schließlich nur noch in ihrer Stimme überlebte. Narkissos mußte sich am Wasser in sein Spiegelbild verlieben und daran zugrunde gehen. Aus seinem Blut entsproß die Narzisse, Symbol der Vergänglichkeit und des Todes.

Die Motive der Liebe und der Vergänglichkeit grundieren auch Friedrike Mayröckers Stimmenprosa. Zwischen Narkissus und Echo bestand zwar einmal ein Liebesverhältnis, für Narkissus aber ist die einstige Geliebte zur bloßen "Redeverflossenheit" geworden, und Echo umschwirrt als Trauervogel im "Flattertanz" seinen Kopf. Im Altersasyl haben Narkissus und Henry, der Freund mit dem "durchlöcherten Lungenflügel", Blickkontakt zur Außenwelt nur durchs Oberlichtfenster, nur mit dem Himmel. Melancholie und Todesnähe lassen die Erinnerungen und Wachträume wuchern.

Doch verfestigt und verkürzt meine Situationsskizze auf eigentlich unzulässige Weise den unaufhörlichen Assoziationsfluß dieser Rollenprosa. Auch für sie gilt, was wir von den früheren Texten Friedrike Mayröckers wissen: Wer keine Wünschelrute für sie besitzt, findet auf dem Spielfeld ihrer Sprache die poetischen Schätze nicht. Manchmal gleicht die wahrgenommene Wirklichkeit (das "zu Sehende" und "zu Hörende") einer Partitur von John Cage, von der es heißt: "frei auslegbar von jedem Mitglied des Orchesters". Das Bewußtsein kann "gleichzeitig in mehreren Personen beheimatet" sein; die Sprache vermag die "Innenseite der Dinge" zu berühren; nur dem antworten die Dinge, "der das gleiche Empfindungsniveau" hat.

Die Kundschafter der poetischen Phantasie schwärmen aus in ein Fabelreich der Wahrnehmungen und bringen ihre Beobachtungen heim, Sätze wie diesen: "Auf einer Nadelspitze haben ein Dutzend Engel Platz." Noch einmal: Wer sich von der vagierenden Poesie Friederike Mayröckers nicht in den Mahlstrom der Assoziationen hineinziehen läßt, wer ihren Sog nicht spürt, kann leicht auf Willkür schließen. Texte wie diese verlassen den Zuständigkeitsbereich ästhetischen Abwägens, sie wollen den Leser entweder ganz oder gar nicht. WALTER HINCK

Friederike Mayröcker: "Das zu Sehende, das zu Hörende". Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1997. 58 Seiten, br., 19,80 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr