Was sich in "Dass die Bäume langsam sind, wissen wir" einschreibt, sind südostasiatische Atmosphären: Beobachtungen von Mikrofauna und royalen Zeremonien, ein Arbeitstrupp, der in der Mittagshitze Pflastersteine klopft, das Bild eines Drachens am Asphalt; Betrachtungen zu Alltag, Kunst und Metaphysik. Entstanden über einen Zeitraum von sieben Jahren erzählen die lyrischen Miniaturen von Künstlern und Künstlerinnen, Mönchen, alten Menschen und jungen, vom Leben in der Stadt, auf dem Land, an Orten des Tourismus und abseits davon. Aus wechselnden Perspektiven betrachtet scheint alles mit allem verbunden, die Dinge belebt - sie blicken auf den Menschen. Der Autor ist Skribent, Dolmetscher, Sekretär im Sinne von Francis Ponge. In knappen Worten hält er fest, was er mit offenen Sinnen sieht, hört, riecht und spürt.Die Miniaturen werden durch KI-generierte Interpretationen (Chat- GPT 4.0) ergänzt, die Einblick in Intention und die Bedeutung der verwendeten Sprachbilder und kulturellen Verweise zu geben versuchen. Im Text der Sprachmaschine hallen Versatzstücke gängiger Lyrik-Kritik und -Vermittlung nach, in der ästhetisch komplexe Gebilde auf lebensphilosophische Gemeinplätze heruntergebrochen werden. In der Gegenüberstellung der hochkonzentrierten Vignetten mit den Rechenleistungen künstlicher neuronaler Netzwerke lotet Divjak sinnlich-leibliche Weltwahrnehmung und Schreibpraktiken aus und stellt Bezugssysteme von Poesie heute auf den Prüfstand.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf Kultur-Rezension
Rezensent Björn Hayer freut sich darüber, dass Paul Divjak hier KI-resistente Dichtkunst vorlegt. Nachvollziehen kann man das laut Hayer, weil Divjak jedem der hier versammelten Gedichte eine ChatGPT-Interpretation beigefügt hat. Und wo das Programm einige enzyklopädische Fakten ganz ordentlich präsentieren kann, scheitert es bei weiterführenden Gedanken zu den Versen grandios und türmt außerdem Stilblüte auf Stilblüte, beschreibt der Rezensent. Und was ist mit den Gedichten selbst? Die handeln Hayer zufolge oft von bedrohtem Flüchtigem, viele der Verse sind raffiniert gebaut und erklären keineswegs alles aus, auch nicht, wer jeweils zu wem spricht. Fragmentarische Sätze, die Schönheiten bergen: Das macht für Hayer den Kern der Dichtkunst Divjaks aus. ChatGPT kann da nicht mithalten, schließt ein hierüber sichtlich erfreuter Rezensent.
© Perlentaucher Medien GmbH
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