Anja Golobs sorgfältig durchkomponierter Gedichtband ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Liebesschmerz, der Leere und Ungewissheit nach einer zerbrochenen Beziehung. Vorab steht ein Zyklus über die sechs Sinnesorgane, wodurch Golob den fünf bekannten (Auge, Ohr, Nase, Zunge, Finger) noch einen sechsten Sinn hinzufügt, der die vorangehenden vereint als eine Art Sammelplatz der emotionalen Zustände und der, anders als die andern Sinne, lange nachschwellt. Nur langsam lässt sich die Einheit aus konkreter Einsamkeit und Sehnsucht nach der einstigen Zweisamkeit mit der Partnerin auftrennen. Erst ab der Mitte des Bandes beginnt langsam die endgültige Abkehr von der Beziehung, und gleichzeitig vertieft sich die Krise rund um die nun endgültig verlorene Welt.In ihren Gedichten zeichnet Anja Golob nicht nur die Liebesschmerzen und den langwierigen Befreiungsprozess präzise nach, sondern macht dank ihrer Sprach- und Gestaltungskraft den Schmerz und seine verschiedenen Stadien fast physisch erfahrbar: durch harte Schnitte, zerrissene Verse, willkürlich getrennte Worte, insistierende Wortwiederholungen und in Klang- und Rhythmusvariationen.
Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension
Nico Bleutge gefallen die Gedichte der slowenischen Dichterin Anja Zag Golob über Trauer, Schmerz und Wut nach einer zerbrochenen Beziehung. Die Sprache, die die Autorin für diese Gefühle findet, überzeugt Bleutge zwar nicht immer, mitunter verliert sie sich in leeren Metaphern, doch im wesentlichen, vor allem, wenn der eigene Körper beobachtet wird, folgt Bleutge Golob gern. Am stärksten erscheint ihm die Autorin, wenn sie die Wandlungen der Wahrnehmung in die Sprache überträgt und zum Beispiel aus "Oha" das "Ohr" macht. Hier bedauert der Rezensent, es mit einer einsprachigen Ausgabe zu tun zu haben. Die Übertragungen von Liza Linde findet er allerdings tadellos.
© Perlentaucher Medien GmbH
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