Es gab nicht nur eine DDR. Ob Unrechtsstaat, Fürsorgediktatur oder "Nischengesellschaft": Der ehemalige ostdeutsche Teilstaat hat in Geschichtswissenschaft und öffentlichen Debatten diverse Deutungen erfahren. Ebenso plural sind die Erfahrungen und Erinnerungen der Menschen, die in der DDR lebten. In "Die DDR im Plural" zeigen 25 junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in anschaulichen Beiträgen, wie sie sich mit neuen Forschungsansätzen dem vielschichtigen Wesen der DDR und seinen Nachwirkungen bis in die gesamtdeutsche Gegenwart annähern. In prägnanten, kurzen Texten widmen sie sich unter anderem dem alltäglichen Leben, kulturellen Räumen, aber auch dem Politik- und Sicherheitsapparat. Die gewählten Perspektiven reichen von der Aufbauzeit bis zu den Jahren nach der "Wende". Der Band spiegelt die Methodenvielfalt aktueller Forschungen und lädt zum weiteren Nachdenken über die DDR und Ostdeutschland ein.
Perlentaucher-Notiz zur Dlf-Rezension
Die DDR hörte bekanntlich im Jahr 1990 auf. Aber die DDR-Geschichtsschreibung darf nicht 1990 aufhören, wenn sie bleibende Prägungen im heutigen Deutschland ausloten will, lernt Henry Bernhard aus diesem Sammelband, der ihm viele kleine, aber sehr erhellende neue Einsichten zur DDR-Geschichte geboten hat. Bemerkenswert ist erstmal, dass er ausschließlich von nach 1989 Geborenen verfasst ist. Hinzukommt, dass die AutorInnen - allesamt Stipendiaten der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur - gehalten waren, nicht akademisch, sondern fürs breite Publikum zu schreiben. Und sie fördern wirklich Überraschendes zutage, zum Beispiel, dass in der frühen Bundesrepublik Flüchtlinge aus der DDR sehr viel schlechter behandelt wurden als Vertriebene. Und so geht es weiter, über die marginale Rolle der Frauen in der Stasi bis hin zu Twitter-Debatten über die Frage, ob die DDR ein Unrechtsstaat war. Bernhard kann die Lektüre nachdrücklich empfehlen.
© Perlentaucher Medien GmbH
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